Jutta Berg

Online am Abgrund


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machen soll.

      Jule

      Am 18.01.2011 um 21:09

      schrieb: Jutta

      Betreff: Re: Re: Re: es ist schwer

      Hallo Jule, Du kannst den ersten Brief an das Forum sehr gut mitnehmen und dem Therapeuten geben. Das erleichtert doch vieles und er oder sie wird trotzdem dann mit Dir ins Gespräch kommen. Willst Du wirklich nur 'überleben' - den Sommer, mit den Narben, wegen des Pflichtgefühls, etc. oder willst Du 'leben'? Vielleicht bist Du viel zu bescheiden und willst zu wenig? Fürsorge ist vielleicht das falsche Wort, aber die 5 Grundbedürfnisse habe ich Dir ja schon geschrieben und da geht es einfach ganz viel um den Aufbau eines 'Ich', das Platz, Nahrung, Schutz usw. braucht, also auch Aufmerksamkeit, die Du beanspruchen darfst.

      Diese Predigten regen mich auf. Da unterdrücken Pfarrer Menschen mit ihrer Macht und reden von einem Quatsch, der nicht in der Bibel steht. Sollen wir uns etwa auch ans Kreuz nageln lassen? Das ist doch verkehrt verstandene Theologie. Diesen Gott meine ich nicht, sondern den, der gekommen ist, um uns Leben, Gnade, Freiheit und Liebe zu schenken. Ich bin echt sauer auf viele Kirchenleute, weil sie mit ihrer Botschaft Leute krank machen.

      Liebe Jule, Kopf hoch!

      herzlich, Jutta

      Am 18.01.2011 um 22:41

      schrieb: Jule22

      Betreff: der Anruf

      Hallo Jutta, erstmal muss ich leider mitteilen, dass es mit dem Termin bei dem von meiner Hausärztin vorgeschlagenen Therapeuten nicht geklappt hat. Sie hat mich heute zurückgerufen und gesagt, sie habe eine neue Adresse für mich mit einem Psychiater, der auch SvV behandelt. Nun muss ich da alleine anrufen und wahrscheinlich aufs Band sprechen, auf Rückruf warten und einen Termin selbst ausmachen. Ich weiß nicht, ob ich das noch schaffe mit dem Termin diesen Monat. Es ist doch so wichtig für mich, noch vor meinem Dienst in der neuen Klinik, mit jemandem über den Umgang mit den Narben reden zu können. Am liebsten würde ich mich morgen krank schreiben lassen, mir geht’s grad gar nicht gut. Aber ich habe meinem Kollegen versprochen, morgen für ihn zu arbeiten. Ich finde wieder nicht den Weg ins Bett, werde wohl total schlapp morgen auf dem Wohnbereich erscheinen :( Es ist wirklich ein Pflichtgefühl dort zu sein.

      Wenn du danach fragst, ob ich leben möchte? Eigentlich möchte ich nur noch den schönen Urlaub mit meiner Schwester auf dem Reiterhof im Frühjahr verbringen. Wir Beide haben schon sooo lange nichts mehr zusammen gemacht und dabei wohnen wir jetzt wieder näher aneinander. Ich möchte meiner Schwester keine Angst durch meine Narben machen, wenn sie mich im Frühjahr sieht. Aber ich will auch nicht ewig langärmlig rumlaufen, nur um nicht blöd angekuckt zu werden. Eins geht halt bloß, entweder Therapie und Narben bearbeiten oder raus aus dem Leben. Wobei die zweite Möglichkeit durchaus einfacher wäre. Aber der Tag morgen geht auch vorbei. Am Nachmittag hätte ich sogar Zeit, noch bei der neuen Adresse mal anzurufen. Ich hoffe ich finde morgen den Mut dazu und bekomme dann auch bald einen ersten Termin.

      Jule

      Am 19.01.2011 um 20:27

      schrieb: Jutta

      Betreff: Re: der Anruf

      Liebe Jule, was ist so schlimm daran, selbst die Initiative zu ergreifen. Es geht um Dich, liebe Jule! Merkst Du, wie wichtig es mir ist, dass Du Hilfe annimmst? Du quälst Dich zu sehr! Das Leben könnte leichter werden für Dich. Es entlastet, wenn man ein offenes Ohr bekommt. "Eins geht halt bloß, entweder Therapie und Narben bearbeiten oder raus aus dem Leben." Raus aus dem Leben ist keine Alternative. Ich habe eine Freundin, die voller Narben ist, im Ausschnitt, an den Armen, Bauch, überall. Sie wurde jahrelang missbraucht und das war ihr einziger Ausweg. Sie hat dann Therapie gemacht, stationär, weil sie so fertig war und heute arbeitet sie in der Versorgung von psychisch kranken jungen Menschen, lacht total viel, hat einen guten Beruf, Freunde und ein super Selbstbewusstsein. Du könntest noch viel mehr vom Leben haben, als nur einen Reiterhof! Es gibt so viel verlockende Möglichkeiten. Laß Dich einladen, das Leben zu genießen. Ich hoffe, dass Du bald einen Termin bekommst bei einem einfühlsamen und kompetenten Therapeuten, nicht nur wegen der Narben! Wegen DIR!

      Liebe Grüße, Jutta

      Am 21.01.2011 um 16:25

      schrieb: Jule22

      Betreff: der Termin

      Hallo Jutta, nun habe ich sogar schon zweimal bei dem Therapeuten angerufen. Gestern gegen Abend und heute noch einmal, weil er gestern grad unterwegs war. Das schlimmste ist immer die Nummer in das Telefon einzugeben, und dann das Klingeln abzuwarten - Horrormomente für mich. Er hört sich ganz nett an und bewirkt bei mir eine aufgeschlossene Reaktion auf seine Fragen. Dann kam der totale Hammerschlag für mich. Schon nächsten Montag habe ich ein erstes Vorgespräch. Bin jetzt zwar nicht extrem aufgeregt, aber ich denke das wird sich noch ändern.

      Ich kann’s echt nicht glauben, dass ich jetzt schon einen Termin habe. Fühle mich eigentlich so, als ob das Telefonat gar nicht statt gefunden hat. Der Termin steht jetzt halt bei mir im Kalender und das war’s. Ich dachte, ich bin total nervös und nachdenklich - nichts von Beiden. Ich muss das Wochenende auch noch arbeiten, die Zeit wird schnell umgehen.

      Zu deiner Mail, ich glaube noch nicht daran, so offen mit meinen Narben (wenn’s auch nicht so heftig ist wie bei der Freundin von dir) umgehen zu können. Eigentlich sind sie ja auch nur an einem Arm, und auf die Füße guckt mir auch fast keiner, manchmal vergesse ich sie sogar selbst schon. Heute auf Arbeit musste ich echt aufpassen, dass der Ärmel nicht noch höher gerutscht ist. Mal schauen was das Gespräch so bringt. Eine Langzeittherapie würde erst im April/Mai wieder frei werden. Aber brauch ich ne lange Therapie? Ich weiß gar nicht so genau, was für Möglichkeiten es so gibt oder was für mich am besten ist. Langzeittherapie? - Mhm, hört sich so nach Arbeit an, was halt ziemlich tief geht wahrscheinlich. Weiß nicht, ob ich das durchhalten könnte. Irgendwie ist das doch noch alles sehr abschreckend für mich. Aber es geht ja vorwärts. Kann mich nur nicht wirklich freuen darüber.

      Jule

      Am 22.01.2011 um 16:55

      schrieb: Jutta

      Betreff: Re: der Termin

      Liebe Jule, das finde ich ganz ganz toll, dass Du den Mut gehabt hast, da anzurufen und dass Du sofort einen Termin bekommen hast! Glückspilz! Wenn seine Stimme sympathisch klingt, ist bestimmt der ganze Mensch sympathisch. Hauptsache, Du bist nicht mehr so allein mit Deiner Verzweiflung. Geh einfach hin und reagiere auf seine Fragen. Ganz viel läuft ja auch ohne Worte ab. Der Therapeut ist gut ausgebildet und wird Dir nicht zu nahe treten. Langzeittherapie ist schon eine sehr gute Sache. Wenn die Krankenkasse das zahlt, solltest Du das unbedingt mitnehmen, als Schatz für Deine Lebensreise. Vor allen Dingen hört dann der Krampf auf, unbedingt mit Pflichtgefühl zur Arbeit zu müssen. Du kämest raus aus der gewohnten Umgebung, würdest neue Leute kennen lernen und eine andere Art zu denken. Ich an Deiner Stelle würde sofort zugreifen. Im Pflegebereich findest Du überall sofort wieder Arbeit (wenn Du in dem Beruf bleiben willst). Also, halt mich auf dem Laufenden, wie das Gespräch am Montag verläuft.

      Ich habe diese Woche übrigens den Hammer erlebt: am Dienstag zweimal, auf dem Hin- und auf dem Rückweg zu meiner Arbeit, Autobahn-Überholspur, pffffft - Luft aus dem Reifen, Panne bei ca. 110km/h Tempo. Erst rechter Vorderreifen, dann linker. Nix passiert! Bin ich froh!

      Liebe Grüße, Jutta

      Am 24.01.2011 um 19:32

      schrieb: Jule22

      Betreff: Re: Re: der Termin

      Hallo Jutta, war sicher ein schreckreicher Tag für dich, der Dienstag. Hoffe es ist nichts Schlimmeres passiert. Mein Tag Heute war sehr aufregend. Ich habe mich am Vormittag versucht zu beschäftigen und abzulenken, durch putzen, einkaufen, waschen, um die Zeit zur Therapie rum zu kriegen. Dann bin ich halt einfach los ohne groß nachzudenken. Dann war ich da und stand vor der Tür mit riesigem Herzklopfen. Als er dann öffnete, dachte ich erstmal - oh. Er ist doch noch etwas älter, als ich schon dachte, aber voll nett. Erstmal musste ich