Jutta Berg

Online am Abgrund


Скачать книгу

Interesse an verschiedenen Dingen hast. Das ist doch toll! Du reflektierst Dein Verhalten, toll! Du musst nicht ewig Krankenschwester bleiben, wie könntest Du Dich weiter bilden, bzw. welche Richtung würdest Du gern einschlagen? Wichtig ist letztlich, 'JA' zu sich selber zu sagen, momentan, zur Vergangenheit und zu den Möglichkeiten der Zukunft. Wenn Du Lust hast, schreib mir weiter. Ich hoffe, dass Dein Shopping-Schwester-Tag schön war!

      Bis später, Jutta

      2. Kapitel: Zukunft und Veränderung

      Am 05.01.2011 um 20:14

      schrieb: Jule22

      Betreff: Zukunft und Veränderung

      Hallo Jutta, ich bin immer noch auf der Suche nach meinem eigenen Leben, bzw. ich weiß nicht wie ich meine Wünsche in die Realität umsetzen kann. Zur Zeit denke ich eher, ich lebe um zu arbeiten, denn meine Kräfte werden in der Arbeit wirklich ausgeschöpft. Und ich muss ja auch alles auf Arbeit geben, damit mir keine Fehler passieren. Ich versuche für die Anderen, so gut wie ich kann, da zu sein. Und durch den Glauben, werde ich dazu noch mehr angetrieben. Wir sollen uns doch für die anderen einsetzen, ohne an uns zu denken. Wenn ich mal nicht 100% geben kann plagt mich das Gewissen, nicht genug für andere gesorgt zu haben. Überhaupt fällt mir der Umgang mit meinen Bewohnern und Patienten zunehmend schwerer. Vor allem gegenüber den Schrei-Bewohnern und Dementen werde ich immer lauter und fordernder. Durch den Zeitmangel ziehe ich, vielleicht auch mal einen Bettlägerigen etwas lieblos auf die andere Seite oder führe nur eine Ruck-Zuck-Wäsche durch, damit ich fertig werde. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich so gefühlskalt geworden bin, was ich ja nie wollte. Meine Kollegen haben gar kein schlechtes Gewissen, wenn sie mal was nicht geschafft haben. Aber ich werfe mir das ewig vor und überleg noch zu Hause, ob ich auch nichts vergessen habe. Warum schaffe nur ich das nicht, mit meinem Gewissen klar zu kommen? Die Andern kümmern sich doch auch nicht drum, wenn ein Bewohner mal eine Tablette nicht bekommen hat. Darüber habe ich mal mit einer Kollegin gesprochen, als ich beim Tabletten austeilen war.

      Klar würde ich lieber arbeiten um zu leben. Ich hätte kein Problem mich etwas einzuschränken, aber dafür ein glücklicheres Leben zu führen. Ich würde gern einen Handwerksberuf oder Kunsthandwerk erlernen. Aber was soll ich mit einer neuen Ausbildung, wenn ich hinterher keine Chance auf Übernahme habe? Wie kann ich mit weniger Geld eine Wohnung finanzieren? Die Gedanken daran machen mir eine getrübte Stimmung. Ich denke einfach, ich schaff das nicht noch einmal, eine Ausbildung und das dann auch noch meinen Eltern erklären. Nein, da rücken meine Wünsche in den Hintergrund. Da ist es einfacher in diesem Beruf zu bleiben und zu hoffen, dass es doch irgendwann besser wird, oder ich noch einen guten Arbeitgeber finde. Meine Schwester hat den Wunsch geäußert Musik zu studieren. Derzeit arbeitet sie noch in einer Oralchirurgie. Diese Ausbildung hat sie nur gemacht, weil unsere Mutter jemanden in der Praxis kannte. Dabei war meine Schwester schon immer eher im musischen Bereich begeistert. Ich weiß nicht, irgendwie wurden wir in diese medizinische Schiene gestellt ohne gefragt zu werden, ob es noch was anderes gibt.

      Irgendwie strengt mich das Schreiben heute sehr an. Vielleicht will ich auch gar nicht in die Zukunft blicken, bin grad einfach zu negativ darauf gestimmt. Habe auch noch weitere Sorgen heute. Am Mittag habe ich mit einer Forumbekannten gechattet. Sie hat starke Suizidgedanken und möchte das an ihrem Geburtstag vollenden. Das wäre schon im Januar.Ich habe echt Angst um sie und habe mit ihr 3 Stunden gechattet. Aber was kann ich da schon gegen reden? Sie ist in Therapie, ich nicht und das weiß sie. Wie kann ich sie da ermuntern weiter an sich zu arbeiten?! Außerdem habe ich auch schon solche Gedanken gehabt. Nur, dass ich noch nicht so einen Plan hatte, sie hat ihn mir wirklich glaubwürdig gemacht. Sie hat mir sehr geholfen, als ich wieder in mein SvV zurückfiel. Aber jetzt kann ich ihr so wenig helfen, dabei ist sie mir so sehr ans Herz gewachsen. Warum mache ich mir überhaupt so einen Kopf um andere, wenn ich doch selbst manchmal die Nase voll habe vom Leben? Wie kann man, in so einer Situation, die richtigen Worte finden? Mich hat heute sehr viel beschäftigt und ich denke manchmal, ich denk schon zu viel nach. Umso länger ich mich mit meiner Zukunft beschäftige, umso schlechter wird meine Stimmung. Ich muss jetzt Schluss machen für Heute.

      lg Jule

      Am 07.01.2011 um 11:09

      schrieb: Jule22

      Betreff: Alles ist gut

      Hallo Jutta, du sagtest ja ich kann ruhig weiter schreiben. Auch wenn du nicht gleich antworten kannst, möchte ich dir mitteilen, wie es mir grad geht. Seit Gestern geht es mir überraschend gut. Heute auch und ich denke schon, wie kann es mir eigentlich so gut gehen? Gedanken um die Zukunft mache ich mir zwar immer noch, aber die sind mir eigentlich nicht mehr so wichtig. Seit ich mit meiner Schwester, über die Situation zu Hause geredet habe, geht’s mir irgendwie besser. Meine Schwester kann ganz gut mit unserer Mutter über ihre Probleme reden, sagt sie. Ich kann das aber halt nicht mehr. Jetzt versuchen wir uns gegenseitig Mut zu machen, unsere Zukunft mehr selbstbestimmend zu gestalten. Ich habe auch schon nach neuen Ausbildungsangeboten geschaut - leider war noch nicht was Passendes dabei, aber ich werde jetzt öfter mal suchen. Wie ich meiner Familie, das mit meinem SvV, erklären soll weiß ich auch noch nicht. Meiner Schwester konnte ich das auch noch nicht sagen. An solchen Tagen wie Gestern und Heute bin ich mir sicher, dass ich da auch ohne Therapie wieder raus komme. Wären jetzt nur nicht die Narben am Arm, dann wäre schon alles vergessen. Das ist so das Einzige, was mich noch ein bisschen depri stimmt. Wie kann ich das annehmen, was ich mir da zugefügt habe? Und wie lange wird es mir noch so gut gehen?

      Jule

      Am 07.01.2011 um 12:42

      schrieb: Jutta

      Betreff: Re: Alles ist gut

      Liebe Jule, Deine Mails habe ich gerade gelesen - danke - da ich aber auf einer Konferenz bin und volles Programm habe, antworte ich Dir erst Sonntagabend ausführlicher. Schön, dass es Dir zuletzt so gut ging. Das Thema meiner Konferenz lautet: Scham! Da kann ich sicher mit Dir etwas teilen, bezüglich der Narben usw.

      Also, erst mal liebe Grüße Jutta

      Am 07.01.2011 um 23:32

      schrieb: Jule22

      Betreff: Re: Re: Alles ist gut

      Danke für diese Zwischenmail, wahrscheinlich auch noch während der Mittagspause ;) Hoffe die Schulung macht Spaß und es ist eine unterhaltsame Gruppe. Heute habe ich wieder einen Tag ohne SvV hinter mir. Allerdings fällt es mir noch schwer, nicht an den vorhandenen Narben und Wunden rumzukratzen und zu pulen. Aber es kommen immerhin keine neuen dazu, das ist ja schon mal ein Fortschritt. Ich habe das Wochenende komplett frei und habe mir einiges vorgenommen. Bin in der Hoffnung, dass es jetzt erstmal so bleibt. Obwohl mich dieses Gefühl auch irgendwie anstrengt, so ohne Selbstzweifel und ohne Sv. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass auch was fehlt, was sonst erstmal zu einem normalen Tag von mir gehörte. Ist schwer zu beschreiben.

      Dann bis Sonntag - Jule

      Am 09.01.2011 um 19:58

      schrieb: Jutta

      Betreff: Re: Zukunft und Veränderung

      Liebe Jule!

      "Ich versuche für die Anderen, so gut wie ich kann, da zu sein. Und durch den Glauben, werde ich dazu noch mehr angetrieben. Wir sollen uns doch für die anderen einsetzen, ohne an uns zu denken. Wenn ich mal nicht 100% geben kann plagt mich das Gewissen, nicht genug für andere gesorgt zu haben. " Dazu kann ich nur sagen: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst! Jule! Du machst Deine Arbeit, um Geld zu verdienen. Das ist okay. Du musst nicht perfekt sein. Aber Du musst lernen, Dich selbst zu lieben. Wie? Wenn man in jemanden verliebt ist, erscheint der einem in einem besonderen Licht, irgendwie bezaubernd. Gott liebt seine Geschöpfe auch und ist begeistert von uns. Das glaube ich! Und deswegen können wir uns auch in einem besonderen Licht anschauen und sagen: Okay, so bin ich und so bin ich gut. Alles, was mir schwer fällt, was mich traurig und wütend macht, hat einen Grund und ich akzeptiere mich so wie ich geworden bin. Und ab heute versuche ich, einfach ich selbst zu sein, ganz egal welche Normen gelten. Ich lebe mein Leben - Gott hilft mir -