Jutta Berg

Online am Abgrund


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wo ich dachte, das könnt mal klappen. Aber die Nähe tut mir nicht gut, ich fühle mich eingeengt mit einem Partner. Ich kann nicht geben, was jemand anders von mir wünscht, ich wirke dann schnell abweisend und desinteressiert. Jetzt muss ich zum Ende kommen, muss in 10 Minuten los. Aber eins noch "kennst Du `Unsere kleine Stadt`? Da ist so ein schöner Absatz drin, als das Mädchen wieder ins Grab zurück muss. Sie vermisst den Geruch frischer Bettwäsche, duftenden Kaffee, liebende Menschen und einiges mehr." An manchen Tagen freue ich mich auch über die Spatzen, die auf meinem Balkon gelandet sind. Sie sind so frei. Ich weiß nicht ob ich was vermissen würde, jetzt jedenfalls nicht. Ich weiß nur, dass ich durch mein Pflichtgefühl jetzt nicht die Arbeit schwänzen darf, obwohl ich es so gern würde. Der Tag hat auch ein Ende. Alles hat irgendwann ein Ende. Das ist das Einzige, was mir momentan vor Augen steht.

      Gruß Jule

      Am 11.01.2011 um 19:57

      schrieb: Jutta

      Betreff: Re: ohne Gefühl

      Liebe Jule, ich glaube schon, dass Du lieben kannst. Du brauchst halt die richtigen Bedingungen dafür. Im Moment scheinen Deine Kräfte verbraucht zu sein und es gibt auch nur wenige Chancen, dass von außen etwas zu Dir durchdringt. Wenn man sich so sehr ein Ende des Zustands wünscht, ist man eben auf 'Ende' fixiert und denkt beschränkt. Was soll denn anfangen? Der Zustand, den Du im Dom beschreibst, ist irgendwie mit sich, mit der Welt, mit Gott eins sein. Sich zugehörig und geborgen fühlen. Das passiert durch Liebe. Und wenn Du nur erstmal diese Liebe in Dir leben lässt, wie ein kleines Pflänzchen...

      Fünf Grundbedürfnisse des Menschen (nach Pesso) sind

      1. Platz 2. Nahrung 3. Schutz 4. Unterstützung 5. Grenzen.

      Was meinst Du, hast Du genug gehabt, zuwenig gehabt und was fehlt Dir im Moment? Ich wünsche Dir Frieden bei all Deinen unruhigen Gedanken.

      Sie kommen und sie gehen.

      Liebe Grüße Jutta

      Am 12.01.2011 um 11:45

      schrieb: Jule22

      Re: Re: ohne Gefühl

      Hallo Jutta, du schreibst mir echt immer so schwere Fragen, dass ich eigentlich erstmal gar nicht antworten kann. Mit dem Anfang deiner letzten Mail hast du echt recht. Ich lasse einfach keinen an mich ran, doch auch nur, damit ich ihn nicht verletze oder erschrecke und damit ich meine Ruhe habe. Arbeit lenkt mich zur Zeit eigentlich ganz gut ab und ich kann mich mit ihr abfinden.

      Nun zu den Grundbedürfnissen, die mich wirklich nachdenklich machen.

      1. Platz: Ich habe schon das Glück eine eigene Wohnung zu haben. Seit ich 19 Jahre bin, konnte ich mich in meine eigenen 4 Wände zurückziehen. Aber ich finde dennoch keinen Platz, wo ich mich richtig wohl fühle. Ich fühle mich immer am falschen Ort. Ich weiß nicht wo ich hingehöre. Ich würde, glaub ich, gern wieder nach Bayern ziehen, weiter weg von meiner Familie, da habe ich mich etwas freier gefühlt. Es ist mittlerweile schon das 3.Mal, wo ich von einem Ort umziehe, weil ich es dort einfach nicht mehr ertragen kann (egal jetzt ob Job oder Umgebung).

      2. Nahrung: Na ja, das ist so eine Sache, die ich stark beeinflusse. Seit mein Vater arbeitslos wurde (da war ich so 15 Jahre) und immer ums Geld gejammert hat, dass er uns nicht mehr richtig was bieten könne usw., habe ich angefangen weniger zu essen. Es gibt Tage, da esse ich gar nichts. Aber im Grunde fehlt es mir nicht an Lebensmitteln. Das Nicht-Essen ersetzt derzeit mein Ritzen, aber in dieser Nacht habe ich wieder angefangen mit dem Essen. Ich denke, wenn ich halt auf das Ende warte, brauche ich nicht essen. Das hat jetzt nichts mit Schönheitsideal zu tun oder so, manchmal kann ich einfach nichts essen.

      3. Schutz: Ja, was für Schutz? Ich habe ein Dach über dem Kopf, eine Menge Versicherungen, was schützt noch? Und Wovor? Was ist zu schützen? Mit diesem Wort weiß ich jetzt nicht viel anzufangen.

      4. Unterstützung: Mhm. Ja, bräuchte ich vielleicht mal etwas mehr. Meine Eltern haben mich schon unterstützt, wenn es um die Umzüge ging oder so. Gedankliche und seelische Unterstützung tausche ich eher mal mit meiner Schwester aus. Was in den letzten Wochen stark zugenommen hat, weil wir beide sehr verzweifelt am Leben sind. Sonst, wie du merkst, fühle ich mich so allein, dass ich Hilfe im Internet suche. Manchmal denke ich, wie tief kann man gefallen sein, um auf so eine Idee zu kommen.

      5. Grenzen: Wieder so ein Wort, was ich schlecht in mein Leben fügen kann. Meine Eltern haben mich schon nicht überall hingelassen, oder haben mir auch Dinge verboten - aber im normalen Rahmen. Sonst - was sind schon Grenzen? Mir brauchte man auch nicht enge Grenzen setzen, ich wusste schon zeitig was zu tun ist und was man lassen sollte. Ich war kein schwieriger Teenager, da war meine Schwester schneller einmal bockig oder diskutierte mit meinen Eltern. Ich war immer ruhig und ging Diskussionen aus dem Weg. Ich hasse laute Streitsituationen und ordne mich schnell mal unter.

      "Ich wünsche Dir Frieden bei all Deinen unruhigen Gedanken. Sie kommen und sie gehen." Danke Jutta, wenn ich so abgelenkt bin, wie hier beim Schreiben, komme ich jedenfalls nicht auf dumme Gedanken. Ich habe mal nachgesehen, wann die nächste Taizé Andacht ist. Diesen Donnerstag - leider habe ich Spätschicht, das hätte mir echt wieder mal gut getan. Ich danke dir für deine Unterstützung, die du mir über das Internet anbietest.

      Gruß Jule

      Am 12.01.2011 um 19:43

      schrieb: Jutta

      Betreff: MitGefühl

      Liebe Jule, Du hast mein Mitgefühl! Es muss schlimm sein, wie Du Dich fühlst. Tapfer, dass Du Deine Arbeit immer noch machst. Heute werde ich Dir keine Fragen stellen, ich denke noch über Deine Antworten nach. Bin nur stutzig geworden bei diesem Satz: "Seit mein Vater arbeitslos wurde (da war ich so 15 Jahre) und immer ums Geld gejammert hat, dass er uns nicht mehr richtig was bieten könne usw., habe ich angefangen weniger zu essen." Stell Dir vor, Du hättest einen supertollen Vater, reich und gütig, liebevoll, heiter und persönlich, dessen Liebe Du spüren würdest - würde das irgendwas ändern?

      Deine Jutta

      Am 12.01.2011 um 23:20

      schrieb: Jule22

      Betreff: Re: MitGefühl

      Hallo Jutta, du hast mich echt zum Heulen gebracht mit diesen Satz "Stell Dir vor, Du hättest einen supertollen Vater, reich und gütig, liebevoll, heiter und persönlich, dessen Liebe Du spüren würdest - würde das irgendwas ändern?" Ich hätte sehr gern so einen Vater. Es gibt Momente, wenn ich mit ihm in den Pilzen war, oder ich immer an seiner Werkbank arbeiten durfte (habe schon als kleines Kind immer gern an Holz geschnitzt oder rumgewerkelt), da habe ich die Nähe zu meinem Vater gespürt. DA war ich noch mit ihm verbunden. Aber jetzt bin ich meinen Eltern so fern. Der Reichtum ist mir nicht wichtig!

      Aber ein bisschen mehr Liebe und Einsicht wären sehr wünschenswert. Wer wünscht sich das nicht von seinen Eltern, was du da schreibst? Leider finde ich keines von alle dem bei meinen Eltern - ich glaube sehr wohl, dass dann einiges anders gelaufen wäre und auch ändern würde. Wir wären wieder eine Familie und keine Streitgemeinschaft. Wir könnten über Probleme reden, die es vielleicht bei einer liebevollen Familie erst gar nicht gäbe. Heiterkeit kenne ich bloß, wenn die Verwandtschaft wieder gut betrunken beieinander sitzt. Sonst kommt eher wenig Freude auf. Du hast mich ganz schön gekränkt, mit dem einen Satz. War das wirklich ernst gemeint mit - würde das irgendwas ändern? Ich weiß nur, dass mein Tod was ändern würde, meine Familie wachrütteln könnte, sie vielleicht einander wieder näher kommen. Ich brauche erst gar nicht mit Wunschträumen anzufangen, unsere Familie wird nie persönlich und heiter zueinander sein. Nicht in diesem Leben. Ich mache jetzt besser Schluss. Ich bin ganz schön aufgewühlt und will auch nicht weiter über meine Eltern nachdenken.

      Jule

      Am 13.01.2011 um 22:00

      schrieb: Jutta

      Betreff: Re: Re: MitGefühl

      Liebe Jule - Du irrst Dich. Deine Selbsttötung würde Deine Eltern noch mehr auseinander bringen, verwirren, belasten, kurz: sie