Corinna Bürger

Diese Sehnsucht nach Leichtheit


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die Körper beben. Bunte Lichter streiften über die vielen Leute. Die Luft war erfüllt vom Rhythmus der Musik und einem Gefühl von Karibik. Max' Hand gab ihr einen kleinen Schubs in den Rücken, woraufhin sie die Richtung wechselte. Verführerisch ließ sie ihre Schultern wackeln, als sie an ihm vorbeiglitt. Max trat fest auf und hielt ihr mit seinem strahlendsten Lächeln seine Handfläche entgegen. Mit einem kleinen Zwinkern verabschiedete sie sich in die Drehung hinein. „Ay ay ay amor“ hörte sie ihn leise singen, als ihr Gesicht wieder nahe an seinem Hals war. Lächelnd sah sie zum ihm auf, und auch er warf ihr einen verliebten Blick zu. Dann gab er ihr erneut einen Schubs und schickte sie ihn eine dreifache Drehung von ihm weg.

      Der DJ wechselte die Musik zu einem Merengue. Max und Larissa nahmen das zum Anlass, die Tanzfläche zu verlassen, sich an der Bar des Salsa-Clubs einen Drink zu holen und auf den hohen Barhockern mit den dicken Polstern auszuruhen. Sandra kam offensichtlich bester Laune auf die beiden zu und gab ihnen jeweils Küsschen auf beide Wangen. „Siehst du, ich hab dir doch gesagt, dass es dir hier gefallen wird. Endlich haben wir mal einen gescheiten Salsa-Club in der Stadt.“ Zustimmend lächelte Larissa. Sie war viel zu sehr aus der Puste, um weiter darauf zu antworten. „Der Besitzer schaut übrigens echt heiß aus. Zum Glück bist du schon vergeben und kommst mir nicht in die Quere.“ grinste Sandra. „Und nächstes Wochenende machen sie ganz viele Schnupperworkshops hier. So als Einstimmung sozusagen. Da zahlt man einmal und kann dann das ganze Wochenende tanzen. Sie machen ganz viele verschiedene Tänze. Salsa natürlich und Merengue und Bachata. Und Tango und Cha-Cha-Cha. Und noch irgendso brasilianische Tänze. Foho und Zug heißen sie, glaube ich. Das wird echt total lustig. Kommt ihr auch? Ihr müsst unbedingt kommen!“ Max legte den Kopf etwas schief. „Foho und Zug? Was soll denn das sein? Komische Namen.“ Larissa zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, hab ich auch noch nie gehört.“ „Genau deswegen gibt es ja die Schnupperworkshops,“ fuhr Sandra eifrig fort. „Damit man das alles mal kennenlernen kann.“ Max' Begeisterung hielt sich offensichtlich in Grenzen, und auch Larissa konnte Sandras Enthusiasmus nicht ganz teilen. „Schauen wir mal. Lass uns einfach am Freitag mal telefonieren. Wir müssen jetzt echt heim. Mir tun die Füße allmählich weh und morgen um viertel nach acht ist doch schon die Vorlesung vom Teusch.“ „Echt, gehst du da etwa hin?“ rief Sandra überrascht aus. „Natürlich geh ich dahin. Ist doch eine Pflichtvorlesung.“ „Nun ja, die Prüfung ist vielleicht Pflicht, aber keiner kann mich dazu zwingen, frühs um acht bei dem dicken Teusch im Hörsaal zu sitzen und mir seinen sabbernden Vortrag über lahme Paragraphen reinzuziehen. Da hab ich mehr vom Leben, wenn ich hier noch ein paar Stunden ordentlich weitertanze und dann morgen gesund ausschlafe.“ Larissa kannte diese Sprüche ihrer Freundin nur zu gut. Es war zwecklos, über Sinn und Unsinn der einzelnen Vorlesungen und des Studiums insgesamt mit ihr zu diskutieren. „Na, wie auch immer, wir gehen jetzt, stimmt's Max?“ Max nickte und mit Küsschen verabschiedeten sie sich von Sandra, die daraufhin sofort kehrt machte und wieder auf die Tanzfläche stürmte.

      TSCHICK

      „Die Verpflichtung dazu ergibt sich aus dem Prinzip der Meistbegünstigung,“ ertönte Teusch's nuschelnde Stimme durch das Mikrofon. Larissa hatte große Mühe, die Augen offenzuhalten. Angestrengt versuchte sie, wenigstens die wichtigsten Schlagwörter auf ihrem Schreibblock festzuhalten. Ferdi zischte Larissa von schräg hinten ins Ohr. Gequält langsam drehte sie sich zu ihm um und blickte in sein breit grinsendes Gesicht. „Na, die Sandra hat's heute wohl wieder mal nicht hierher geschafft, hm?“ Larissa nickte nur müde und drehte sich wieder nach vorne. Sie hatte keine Lust, sich von Ferdis leerem Gequassel wieder ablenken zu lassen und die Vorlesung wieder mit diesem drängenden Gefühl von nutzloser Zeitverschwendung zu verlassen. „Oh, die Dame ist wohl mal wieder ganz konzentriert und hat keine Zeit für eine Unterhaltung. Lieber dem Dicken da vorne zuhören und an der Zukunft arbeiten. Ganz richtig, wenn du fleißig mitschreibst und das alles bis tief in die Nacht büffelst, dann wird eines Tages sicher was ganz großes aus dir. Deine Eltern sind bestimmt ganz stolz auf dich.“ „Halt die Klappe!“ schnaubte Larissa ihn an. „Ist ja gut. Bin schon ruhig. Ich will ja nicht schuld sein, wenn's mit deiner Karriere nix wird.“ Ferdi lehnte sich mit seinem selbstgefälligen Grinsen wieder zurück und legte seine Füße auf die Tischplatte zwei Sitze links von ihm. Larissa versuchte, sich wieder auf die Vorlesung zu konzentrieren. Aber so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte Teusch's wirren Ausführungen einfach nicht folgen. Nicht um diese Uhrzeit. Nicht mit dem Bewusstsein, dass Ferdi ihr ihn den Nacken starrte und sie für eine verbissene Streberin hielt. Nicht mit diesem einschläfernden Nuscheln von Teusch. Sie klammerte sich wieder an ihren Schreibblock. Die Wörter und Buchstaben verschwammen zu nichtssagenden Flecken vor ihren Augen. Bereits jetzt konnte sie den Kaffee riechen, den sie sich nach dieser Vorlesung daheim machen würde.

      BOOM

      Leise klickte der Schlüssel im Schlüsselloch und holte Larissa aus ihrer Vertiefung. Sie klappte das Buch zu, schob ihren Ordner zur Seite und ging auf die Wohnungstür zu. Max kam gerade herein und stellte seine Tasche auf dem Boden ab. Der Geruch von Kälte haftete an seinem Mantel. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und gab ihm einen Kuss auf die kühlen Lippen. „Na, wie war dein Tag?“ Max antwortete mit einem genervten Hochziehen der Augenbraue. „Lass mich erst mal reinkommen. Heute war ein harter Tag.“ Larissa lief zur Kaffeemaschine und setzte einen Kaffee für Max auf. Nach einem Kaffee war er immer gleich etwas umgänglicher. Dankbar ließ Max sich auf den Stuhl fallen und nahm die heiße Tasse von ihr entgegen. „Das Projekt hat es echt in sich. Der Kunde hat die verrücktesten Vorstellungen, wie es alles laufen soll. Und die Ergebnisse sollen natürlich am besten gestern schon vorliegen. Als könnten wir einfach mal so innerhalb von zwei Tagen alles umstrukturieren. Aber der Kunde ist König, und wir müssen schuften. Ich muss heute abend noch was machen.“ Max sah Larissa direkt ins Gesicht. Diese Enttäuschung in ihren Augen kannte er nur zu gut. „Ich dachte, wir wollten heute abend diesen neuen Film mit Hugh Jackmann anschauen.“ Max sog tief Luft durch die Nase ein. „Ich weiß. Glaub mir, darauf hätte ich auch viel mehr Lust. Aber was soll ich machen. Die Deadline für die neue Ausarbeitung ist heute Nacht um drei. Ich bin ja auch sauer auf meinen Chef, dass er dem Kunden das zugesichert hat. Aber daran kann ich leider nichts ändern.“ Larissa zog ihre Füße auf die Sitzfläche ihres Stuhls und starrte schweigend auf ihre Zehen. „Tut mir echt leid, Schatz.“ Fast unmerklich nickte Larissa traurig. „Du kannst heute abend doch trotzdem ins Kino. Frag doch Sandra, ob sie mit dir mitgeht.“ Larissa hob den Kopf und sah Max in die Augen. „Darum geht es nicht.“ Max blickte zurück, dann stand er auf und lief um ihren Stuhl herum. Von hinten legte er seine Arme um sie und küsste sie auf den Kopf. „Ich weiß. Ich weiß. Und es tut mir auch wirklich leid. Aber heute muss es einfach sein. Wenn das Projekt rum ist, versuch ich etwas Entspannteres zu bekommen.“ Larissa legte ihre Hände auf Max' Arme und spürte seine Wärme an ihrem Rücken. Für eine Weile verharrten sie in dieser Position. Dann ging Max zu seinem Schreibtisch und klappte den Laptop auf. Larissa folgte ihm ins Arbeitszimmer und zog ihren Ordner wieder heran.

      TSCHICK

      „Boom-Tschick-Tschick“ zählte der Tanzlehrer laut mit, während er mit seiner Tanzpartnerin vor und zurück tanzte und den Kopf verdrehte, um einen Blick auf seine potentiellen Schüler zu werfen, die zu dem Schnupperkurs erschienen waren. „Aha, auf so einen Typ Mann steht Sandra also,“ raune Max Larissa zu. Larissa musste grinsen. So umwerfend sah er nun wirklich nicht aus. Etwas klein geraten, mit einer etwas krummen Nase. Aber seine Bewegungen wirkten weich und geschmeidig. Seine Tanzpartnerin war fast genauso groß wie er. Sie hatte ein freundlich wirkendes Gesicht, einen feingliedrigen Körper und glänzende dunkelbraune Haare, die ihr bis tief in den Rücken reichten. Larissa ließ ihren Blick durch den Raum wandern, bis sie Sandra fand. Diese war offensichtlich unfreiwillig an einen großen, ungelenkigen Tanzpartner geraten. Verkrampft versuchten die beiden Schritt zu halten mit dem Tanzlehrerpaar und vermieden jeglichen Blickkontakt miteinander. „Boom-Tschick-Tschick“ ertönte die Stimme des Tanzlehrers unnachlässig durch den Raum. Im Gleichklang bewegten sich Larissa und Max vor und zurück. Wie froh Larissa war, in Max nicht nur einen wunderbaren Mann, sondern auch talentierten Tänzer gefunden