Corinna Bürger

Diese Sehnsucht nach Leichtheit


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vorher Salsa tanzen gesehen. Du bist toll. Zouk wirst du richtig schnell lernen.“ Unmerklich war Pamela neben die beiden herangetreten und strahlte Larissa an. „Du tanzt mit Leidenschaft, und das ist das wichtigste daran. Zouk muss man fühlen.“ Pamela legte ihre Hand auf Raúls Schulter und ließ sich von ihm auf die Tanzfläche führen. Sie legte ihren Kopf nach hinten, so dass ihre langen braunen Haare in sanften Wellen hinabfielen. Raúl schob ihren Körper mit seinen Unterarmen von links nach rechts und wieder zurück. Weich und geschmeidig folgte Pamela seiner Führung. Wie eine Puppe wirkte sie, ihm absolut hingegeben und doch mit einer Sanftheit und Anmut, die von einer starken Selbstsicherheit zeugte. Gemeinsam schwebten sie durch den Raum, so leicht und schwerelos, um sich dann wieder in kleinen, verführerischen Bewegungen aneinanderzuschmiegen und zu sammeln. Instinktiv verließen die anderen Pärchen die Tanzfläche, um Platz zu bieten für diese Darbietung. Sie war an Zartheit und Harmonie kaum zu übertreffen. Stark und zuverlässig schritt Raúl voran, und Pamela folgte jeder seiner Bewegungen mit einer solchen Sinnlichkeit und Intensität, dass ein andächtiges Staunen die Umherstehenden erfasste. Als das Lied ausklang, hielt Raúl Pamela ganz nah an sich. Seine Hand lag an ihrem Nacken und beinahe sah es so aus, als würden sie sich gleich küssen. Ein Salsalied setzte ein. Schlagartig füllte sich die Tanzfläche wieder. Raúl und Pamela lösten sich voneinander und stiegen in einen kraftvollen Salsa ein.

      Wie weggetreten blickte Larissa weiterhin auf die Tanzfläche. Wenn sie doch nur einmal im Leben so gut tanzen könnte wie Pamela. Diese Ausstrahlung, die Pamela hatte. Selbst wenn Larissa so gut tanzen würde, sie würde nie Pamela das Wasser reichen können. Sie würde sich nie so hingegeben können in dem Tanz, nie dieses lässige Selbstbewusstsein zeigen können, mit dem Pamela ihre Zuschauer in den Bann zog. Sie spürte Max' Wärme in ihrem Rücken. Sanft legte er ihr von hinten seine Hände auf ihre Arme. „Na, wollen wir dann mal wieder? Oder magst du noch ein bisschen der Show hinterherträumen?“ Larissa blickte in seine weichen braunen Augen. „Natürlich mag ich.“ lächelte sie und genoß die Freude und Kraft ihres gemeinsamen Salsa.

      TSCHICK

      „Na, die Dame, haben wir mal ausgeschlafen heute?“ Frech plumpste Sandra in den Sessel neben ihrer Freundin. Mit verquollenen Augen blickte Larissa sie an. Ihr Kopf fühlte sich so schwer an, als ob er gleich auf den niedrigen Holztisch vor ihr fallen würden. „Ich hab dir schon immer gesagt, dass eine gut durchtanzte Nacht so viel wertvoller ist als jede Vorlesung! Endlich tragen meine Bemühungen mal Früchte!“ Theatralisch rollte Sandra mit den Augen. „Du hast ja gestern eine heiße Sohle auf's Parkett gelegt mit dem Meister. Bist du jetzt also zum Zouk übergestiegen?“ Larissa stöhnte gequält auf. „Rede bitte ein bisschen leiser. Bevor ich meinen Kaffee nicht bekomme, kann ich nicht denken.“ Wie auf ein Stichwort kam die Bedienung mit einem Latte Macchiato zu ihr. Was für eine Wohltat, der weiße Milchschaum und der verheißungsvolle Kaffeeduft! „Du musst auch gar nichts denken. Ich wollte nur mal hören, wie es dir so geht.“ „Gut geht es mir natürlich. Warum denn auch nicht? Es hat sich ja nichts geändert.“ „Bis auf dass du heute so ziemlich zum ersten Mal in deinem Leben eine Vorlesung hast sausen lassen.“ Larissa schwieg. Das stimmte allerdings. „Nun ja, ich bin halt einfach total müde, und hab mir mal ein Beispiel an dir genommen. Anscheinend geht das Studieren ja auch so, ohne sich tot zu rackern.“ „Da bin ich froh, dass du endlich mal auf den Trichter gekommen bist.“ Sandra lehnte sich nach vorne und stützte ihre Ellenbogen auf dem Tisch ab. „Wie läuft es denn so mit Max?“ Erstaunt blickte Larissa auf. „Gut läuft es natürlich, wie immer. Warum fragst du denn?“ „Nur so. Er ist ja viel unterwegs zur Zeit.“ Larissa nickte und rührte gedankenverloren mit dem Löffel in ihrem Milchschaum herum. „Ja, das stimmt. Aber bald ist das Projekt vorbei, und dann versucht er etwas, in der Nähe zu bekommen.“ „Na, das hoffen wir mal.“ Larissa sah ihre Freundin etwas verdutzt an. Wie sollte sie das jetzt verstehen? Aber sie war gerade einfach viel zu müde, sich darüber jetzt Gedanken zu machen und widmete sich wieder ihrem Milchschaum. „Wie gefällt dir denn dein Tangokurs?“ fragte sie im Gegenzug. „Ist lustig. Es sind einige Leute vom Salsa mit dabei, und es ist eine gute Stimmung. Und der Tanz an sich ist auch echt schön, so sinnlich und leidenschaftlich.“ „Und wie sind die Männer so?“ In Sandra's Augen blitzte etwas auf. „Ach, du weißt doch ganz genau, dass ich nie im Leben einen Tanzkurs machen würde, nur um Männer kennenzulernen. Als ob ich das nötig hätte.“ „Nein, nie im Leben würdest du das tun.“ antwortete Larissa süffisant grinsend und schlürfte weiter an ihrem Latte Macchiato.

      BOOM

      Max lehnte sich im Stuhl zurück und legte demonstrativ die Hände auf seinen Bauch. „Nein, danke, Ingrid. Ich kann wirklich nicht mehr. Ich bin so satt.“ Ingrid blickte ihn an mit der Fleischgabel in der Hand. „Ach komm, so ein kleines Stück. Das schaffst du doch noch.“ Max schnaufte aus. „Na gut, weil du's bist.“ Triumphierend legte ihm Ingrid das letzte Stück Pute auf den Teller und noch eine Kartoffel hinterher, bevor Max protestieren konnte. „Du kriegst ja die ganze Woche nichts richtiges zu Essen. Hast du überhaupt noch Zeit für so etwas Profanes?“ „Essen? Ja doch. Ich geh meistens abends mit meinem Kollegen etwas essen, und ungefähr einmal die Woche auch mit dem Kunden.“ „Wie läuft es denn so? Larissa hat schon erzählt, dass alles sehr anstrengend ist.“ „Ja, das stimmt. Der Kunde ist eigentlich in Ordnung. Nur mein Chef macht immer so extrem viel Druck. Dabei würde der Kunde bei einigen Sachen sicher auch mit sich reden lassen, und bräuchte nicht immer alles so schnell, wie mein Chef es ihm zusichert. Aber zum Glück ist das Projekt ja bald um. Und dann hab ich wieder mehr Zeit für alles.“ Max legte seine Hand auf die von Larissa und lächelte ihr zu. Sie mochte diesen warmen Blick in seinen Augen. In Momenten wie diesen schien die Anspannung wie verflogen und alles war wieder gut. Bald würde er wieder hier bei ihr sein. Es gäbe keine traurigen einsamen Sonntagabende mehr voller Abschiedsschmerz, sondern sie könnten das ganze Wochenende zusammen genießen, jeden Abend zusammen einschlafen, so viele schöne Dinge zusammen unternehmen. Verträumt strich Larissa mit den Fingern über seine Hand, die so zuversichtlich in ihrer lag. „Und, Larissa, hast du eigentlich schon was von deinen Prüfungsergebnissen gehört?“ fragte Gerhard. „Nein, Papa, die lassen sich da wieder mal ziemlich Zeit. Aber eigentlich hatte ich bei allen ein gutes Gefühl.“ Gerhard nickte wissend. „Ich bin mir sicher, dass du gut abgeschnitten hast. Du hattest ja so viel gelernt. Hoffentlich wird es dieses Semester auch etwas lockerer bei dir.“ „Ja, das hoffe ich auch. Wenn alles gut geht, bin ich zum Ende dieses Semesters scheinfrei. Dann nur noch die Masterarbeit, und dann mach ich so dicke Kohle wie Max.“ Schelmisch grinste Larissa Max an. Max knuffte sie spielerisch in den Arm. „Unsere Managerin der Zukunft. Wenn du so weitermachst, ist dein Gesicht in ein paar Jahren auf der Titelseite der Times.“ Ingrid und Gerhard lachten auf. Aus ihren Augen blitzte ein gewisser Stolz auf ihre Tochter. „Wer mag noch alles einen Kaffee?“ rief Gerhard und war schon auf dem Sprung in die Küche. Alle stimmten zu und zogen gemeinsam Richtung Sofa. Es gab noch so viel zu erzählen. Larissa hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie schon mehrere Wochenenden nicht mehr hier gewesen war. Dabei wohnten ihre Eltern gar nicht so weit außerhalb. Aber sie war einfach froh, wenn sie die Wochenenden in Ruhe mit Max alleine genießen konnte. Doch jetzt genoss sie die Gesellschaft ihrer Eltern und das gemeinsame Plaudern, von Weltpolitik bis hin zum Liebesleben der Nachbarin. Das Gespräch perlte so dahin, der Kaffee duftete und Gerhard sorgte dafür, dass die Kanne und die Tassen stets gut gefüllt blieben. Ingrid reichte selbstgebackene Kekse herum. Wie offensichtlich ihre Eltern sich über ihren Besuch freuten, und sich so um sie bemühten. Schuldbewusst biss Larissa in den Keks hinein. Max nahm seine Hand aus der von Larissa, klopfte sich auf die Schenkel und stand auf. „Es tut mir wirklich leid, aber ich muss los. Ingrid, Gerhard, vielen Dank für die Gastfreundschaft. Es ist immer wieder schön bei euch.“ Auch Larissas Eltern standen auf und umarmten Max, um sich zu verabschieden. „Gute Reise, Max. Halt die Ohren steif. Es sind ja nur fünf Arbeitstage diese Woche.“ klopfte Gerhard ihm kumpelhaft auf die Schulter. Max lachte und ging in den Flur, um sein Jackett anzuziehen. Larissa begleitete ihn. Leise zog sie die Tür zum Wohnzimmer hinter sich zu und ging auf Max zu. Mit traurigen Augen blickte sie ihn an. Wie sehr sie Sonntag Abende hasste. „Hey.“ Max zog sie sanft an sich und küsste sie auf den Kopf. Larissa spürte,