Corinna Bürger

Diese Sehnsucht nach Leichtheit


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aus Brasilien. Es gibt vier Tage lang Workshops von früh bis spät und abends sind tolle Parties, die bis in den frühen Morgen gehen. Das ist eine andere Welt, in die ihr da eintaucht. Ihr werdet dort so viel und intensiv tanzen, mit so vielen guten Tänzern. Das wird euer Zouk auf ein ganz neues Niveau bringen. Und außerdem macht es einfach einen riesen Spaß. Die Leute sind supernett, sie kommen auch aus ganz Europa extra angereist. Das ist wie eine große Klassenfahrt. Und ihr müsst euch um nichts kümmern. Raúl und ich organisieren alles für unsere Gruppe hier. Anreise, Unterkunft, sogar eine Fahrradtour durch Amsterdam wollen wir organisieren.“ Larissa blickte Max fragend an. Das klang für ihre Ohren sehr verlockend. Max zuckte mit den Schultern. „Vier Tage, da müsste ich ja Urlaub dafür nehmen. Ich werd's mir mal überlegen.“ Pamela nickte. „Ja genau, überlegt es euch mal. Raúl will in etwa zwei Wochen die Flüge buchen. Bis dahin könnt ihr euch es ja noch durch den Kopf gehen lassen. Aber lohnen wird sich es auf jeden Fall, das kann ich euch sagen. Ihr werdet es nicht bereuen!“ „Alles klar. Danke, Pamela.“ sagte Max und hob seine Schorle hoch. Pamela verabschiedete sich und ging zu einem anderen Pärchen aus dem Zoukkurs weiter. „Ja, du würdest mitgehen?“ fragte Larissa Max. „Nein, ich wollte sie nur nicht vor den Kopf stoßen. Ich kann doch gar kein Zouk. Da werde ich nicht auf so ein Festival gehen, mich dort ordentlich blamieren und auch noch Urlaub dafür nehmen.“ „Naja, so viel kann ich doch auch nicht. Das, was wir bisher im Kurs gelernt haben, kannst du locker nachholen. Außerdem hat Pamela ja gesagt, dass es auch Workshops gibt, also wird man es dort ja wohl auch lernen können.“ „Nein, dieses Zouk ist einfach nicht mein Ding. Und außerdem müsste ich Urlaub dafür nehmen. Ich bin beim Kunden fest eingeplant. Da kann ich nicht einfach sagen, Tschüss ich geh jetzt mal weg auf so ein Tanzdings.“ Traurig blickte Larissa auf den Parkettboden und studierte die Maserung des dunklen Holzes, die an den Kanten der Parkettfliesen in regelmäßigem Abstand scharf unterbrochen wurde. „Jetzt schau doch nicht so traurig. Reden wir einandermal. Jetzt tanzen wir erstmal einen schönen Salsa, ok?“ Max zog Larissa an der Hand auf die Tanzfläche. Ihre Beine fühlten sich schwer an, als sie ihm folgte. Doch als sie sich auf der Tanzfläche in seinen Armen in Position brachte, war wieder das vertraute Gefühl zwischen ihnen da. Wie gut sie seine Bewegungen kannte. Wie selbstverständlich sich seine Hand auf ihrem Rücken anfühlte, die ihr hin und wieder mit leichtem Druck die Richtung wies. Wie sicher seine andere Hand sie in die verschiedensten Drehungen hineinführte. „Yo no se manana“ klang es aus den Lautsprechern. Wie wahr. Wer weiß schon, was morgen ist, dachte Larissa und ließ ihren ausgestreckten Arm wieder elegant auf Max' Schulter gleiten.

      TSCHICK

      „Larissa! Hey, warte doch mal!“ Larissa drückte ihren Ordner fester an sich, um die losen Blätter am Herausfallen zu hindern, und drehte sich um. Olli klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter. Um sie herum strömten ihre Mitstudenten aus dem Hörsaal heraus. „Schon was vor heute abend? Wir wollen nachher grillen gehen. Die Saison ist eröffnet!“ Breit lachte Olli sie an. Sie mochte ihn, mit seinem breiten Gesicht und dem schlechten Haarschnitt, bei dem die kurzen Haare einfach zu allen Seiten hin abstanden. „Klingt gut. Wer ist denn alles dabei?“ „Na, die üblichen Verdächtigen. Nina, Claus, Thorsten, Simone, äh... ich, ach ja und Sandra natürlich. Und du hoffentlich!“ „Ja gerne. Ich nehme mal an, um sieben am Weiher?“ „Ja genau. Kohle bring ich mit. Und Simone geht eh noch in den Supermarkt. Wenn du sie anrufst, bringt sie dir bestimmt was mit.“ „Super. Na dann bis nachher!“ „Ciao, Larissa!“ Als sie sich von Olli wegdrehte und über den großen Platz lief, konnte sie seinen Blick im Rücken spüren. Ob er wohl immer noch auf sie stand? Im ersten Semester hatte er sich bis über beide Ohren in sie verliebt, was ihr richtig peinlich gewesen war. Er war ein netter Kerl. Aber Max konnte er einfach nicht das Wasser reichen. Als Kumpel aber war Olli einfach super. Larissa würde ihm wünschen, eine nette Freundin zu finden, die seine liebevolle Art zu schätzen wusste. Wenn er nur mal zu einem ordentlichen Friseur gehen würde.

      Zu Hause angekommen, ließ sie ächzend ihren Ordner auf den Schreibtisch fallen und schob die losen Blätter wieder hinein. Puh, bis zum Ende des Semesters musste sie das alles auswendig gelernt haben. Ein flaues Gefühl kroch in ihren Magen. Schnell griff sie zu ihrem Handy um sich abzulenken und rief Simone an. So viel Zeit war eigentlich gar nicht mehr bis zum Grillen. Sie öffnete ihren Schrank und zog die große Strandtasche und die Liegedecke heraus. Ihre weiße Bluse tauschte sie gegen ein bequemeres Top. Die schönen Perlenohrringe legte sie beiseite. Und statt den hochhackigen Pumps würde sie wohl besser ihre Sportschuhe anziehen. Im Kühlschrank fand sie noch ein Bier, das sie zu der Decke in die große Strandtasche steckte. Aus dem Grillkoffer, den Max' Eltern ihnen einmal geschenkt hatten, nahm sie einen Aluteller und Besteck hinaus und stopfte es ebenfalls in die Tasche. So, das müsste alles sein. Prüfend blickte Larissa sich kurz um, lief aus dem Haus zu ihrem Fahrrad und befestigte die große Tasche am Gepäckträger. Etwas wackelig radelte sie Richtung Weiher, der zum Glück nicht allzuweit weg lag. Aus der Ferne konnte sie schon Olli und Thorsten erkennen, die gemeinsam den Grill anschürten. Sandra und Simone saßen im Gras und winkten ihr zu. „Hey, Larissa, ich hab deinen Grillkäse dabei und Putenspieße. Hühnchen war aus.“ „Super, vielen Dank, Simone. Das ist echt nett von dir.“ Larissa drückte Simone zur Begrüßung, und danach auch Sandra. Dann ging sie zu den Jungs am Grill hinüber. „Na, die Grillmeister, ist die Glut schon gut?“ fragte sie spöttisch zwinkernd. Thorsten richtete sich auf, den Pappkarton in beiden Händen haltend. Er schwitzte sichtlich vom Anfächern des Feuers. „Du bist lustig. Setz dich doch bitte darüber zu den Damen. Wir werden euch dann das gebratene Essen liefern.“ erwiderte er im gleichen Tonfall. Larissa warf den beiden ein breites Lächeln entgegen und kehrte zu den Mädels zurück. „Stimmt's, Larissa, du glaubst auch, dass der Assistent vom Dörfel schwul ist!“ rief Sandra. „Ach Quatsch,“ warf Simone dazwischen, bevor Larissa antworten konnte. „Der ist doch nicht schwul, nur metrosexuell. So wie David Beckham.“ „Na, wie Beckham sieht der aber nicht aus. Und es ist schon komisch, dass immer nur die hübschen Jungs gute Bewertungen auf ihre Übungsaufgaben bekommen.“ „Vielleicht solltest du halt auch mal mehr lernen.“ „Ich lern eigentlich voll viel, aber nicht wenn das Wetter schön ist!“ „Oder wenn Wohnheimsparty ist. Wie war es eigentlich neulich?“ „Oh mann, da hast du echt was verpasst! Der Hausmeister hat die Tanja angebaggert!“ „Nein, wirklich? Wie genau?“ Larissa beobachtete ihre Freundinnen bei ihrem regen Austausch. Viel konnte sich nicht beitragen zum neusten Klatsch und Tratsch. Da war Sandra zum Glück wesentlich besser. Hauptsächlich über Sandra war Larissa über die kleinen und großen Dramen in ihrem Studienjahrgang stets bestens informiert. Ein Schwaden von Grillduft zog an ihnen vorbei und ließ die Mädels aufblicken. „Seid ihr etwa schon fertig?“ „Da guckt ihr, was? Das habt ihr vor lauter Quatschen gar nicht mitgekriegt, was? Holt mal eure Teller!“ Brav standen die drei auf und kamen mit ihren Tellern an den Grill. Simone drückte Thorsten einen dicken Kuss auf die Wange. „Danke, Schatz, das schaut perfekt aus.“ „Wo sind eigentlich Nina und Claus?“ „Ich glaube, Claus hatte noch Fussballtraining.“ „Na, dann fangen wir einfach mal an.“ sagte Olli und schaufelte Larissa den Käse und einen Spieß auf den Teller. Gemeinsam setzten sie sich im Kreis und genussvoll nahmen sie ihr Bier entgegen, das Olli bereitwillig für alle öffnete. In dem Moment kamen auch Claus und Nina dazu, die sich mit wildem Fahrradklingeln ankündigten. Als auch die beiden ihr Fleisch durchgegrillt hatten, die ersten Biere geleert waren und alle gemütlich ihre vollen Bäuche streichelten, holte Olli seine Gitarre hervor. „Oh ja! Spiel uns was, Olli!“ kam es von allen Seiten. Zart griff Olli mit seinen breiten Fingern in die Saiten und zauberte einen weichen Akkord hervor. Larissa liebte es, wenn Olli Gitarre spielte. Er spielte gut, und er kannte die Lieblingslieder von ihnen allen auswendig. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Inzwischen dämmerte es und nur die Glut im Grill bot ihnen noch ein wenig Licht. Simone rutschte vor Thorsten und kuschelte sich in seine Arme. Claus und Nina lehnten ihre Köpfe aneinander. Sandra beobachtete gefesselt Olli, wie er ganz in die Musik eintauchte und fließend von einem Lied zum nächsten überwechselte. Eigentlich wäre Sandra gar nicht so schlecht für Olli. Wenn sie nur nicht auf solche oberflächlichen Typen stehen würde. Larissa umfasste ihre Beine und legte ihr Kinn auf ihre Knie. Was Max jetzt wohl gerade machte? Sie hatten noch gar nicht telefoniert heute. Sie hatte in der Eile ganz vergessen, ihm bescheid zu sagen, dass sie heute abend nicht daheim