Ferdinand Quante

Das Leben ist ein Schokokönig


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gemütsmäßig recht gut verknust.

      Obwohl er zeitweise ganz unten war.

      »Jede Begegnung hat ein Ende, Curtis. Irgendwann kommt der Abpfiff«, bemerkte Matthäus fast schon philosophisch damals nach dem dritten Eheaus, Tränen plumpsten aus seinem Kopf, er murrte über die Tristesse seines angeblich vergeigten Lebens, verfluchte Sepp Herberger und sein Diktum, dass die nächste Ehe immer die schwerste sei. All das ist heute gründlich vergessen.

      »Mit Anastasia wird es ganz anders sein, besser!«, machte ich dem Exweltfußballer gehörig Mut. Matthäus blickte versonnen auf sein Smartphone.

      »Schön, oder?«

      »Sehr schön.«

      Ich lächelte, kniff die Augen zusammen, nickte. Er heiratete kurz darauf. War das richtig, war ich insgesamt zu positiv? Bei Matthäus weiß man’s nie. Frauen haben bei ihm keine Stammplatzgarantie, aber angesichts von nunmehr fünf Hochzeiten mit fünf Frauen aus fünf Ländern gilt Matthäus völlig zu Recht als einer der international erfahrensten Ehemänner, ein gewiefter Stratege, der weiß, wie man sich in einer Beziehung aufstellt, den Gegner unter Druck setzt, die Räume taktisch klug besetzt. Kein Wunder, der Mann ist gelernter Raumausstatter, und so einem kann eine Frau, die von einem gemütlichen Zuhause träumt, unmöglich widerstehen.

      Wie lange Anastasias Vertrag bei Lothar läuft oder ob sie bald schon von irgendeiner Ausstiegsklausel Gebrauch macht? Es gibt keine Sicherheiten, Life and Work Balance hin oder her. Ich hasse Unklarheit und muss mit ihr leben. Eine immer wieder schwierige Erfahrung für mich als Sachverständigen und Lebensberater, der gleichwohl die VIPs und Rätselfakten des Lebens stets genommen hat, wie sie kamen: Merkel, Benedikt, Tierwelt, Fußball, Stromkosten, Geld, Gesundheit, Schuhe, Seehofers Sexabstinenz(!), Schumacher.

      Schumacher

      Vor ein paar Monaten meldete mein Radio, er sei aus der Klinik entlassen worden. Der arme Teufel. Wenn ich an unsere erste Begegnung denke, wie gut es ihm damals ging!

      Als ich erstmals bei ihm zur Tür hereinspazierte, rieb er sich lachend die Hände und rief: »Okay, Curtis, wo fangen wir an?!«

      Direkt am Start, der Mann, das gefiel mir. Er trug die bekannte rote Ferrari-Kappe und wieselte unermüdlich um die Polstergarnitur in seinem Wohnzimmer, aufgestellt in Form der Rennstrecke Imola. Das gefiel mir weniger gut. »Getrieben, gute Kurvenlage, Vollgasbewusstsein« notierte ich im Kopf. Der Formel-1-Champion war soeben vom Rennsport zurückgetreten und hatte mich gebeten, ihn in dieser schwierigen Situation zu unterstützen. Was sollte er mit sich anfangen? Er konnte ja nicht ewig so herumtigern. Sollte man ihn im Eisschrank von Bernie Ecclestone für die Ewigkeit konservieren? Ihn ausstellen im Museum für moderne Geschwindigkeit?

      Sportminister Schäuble plädierte damals dafür, den Vollgasveteran rigoros auszuwil-dern, wobei sofort klar war, wie brutal es wäre, einen Mann, dem die Rennstrecke Biotop geworden ist, Knall auf Fall in den Straßenverkehr zu entlassen. Natürlich waren ihm Verkehrsschilder und Radfahrer fremd, und dass er fortan nur eine Fahrbahnhälfte benutzen durfte, wäre ihm genauso rätselhaft erschienen wie die Forderung, nach dem Volltanken zu zahlen. Das alles galt es zu bedenken. Ich versuchte, mich vollständig in Schumacher hineinzuversetzen, und sah, dass er Wutanfälle bekommen müsste, würde er vor einer roten Ampel nicht in Pole Position stehen. Und dann noch der ungewohnte Gegenverkehr! Der Kerpener würde ihn zwangsläufig für eine Armada verrückt gewordener Mc-Laren-Mercedes-Mechaniker halten, und wie sollte er begreifen, dass er eine komplette Runde durch die Stadt drehen konnte, ohne von Mika Häkkinen angegriffen zu werden?

      Es türmten sich so viele Fragen und Probleme auf, dass einflussreiche Persönlichkeiten dafür plädierten, den emeritierten Bleifußgott auf der Rennstrecke als lebendes Denkmal zu belassen. Dafür sollte er eine kostenlose Sonderausstattung bekommen, konkret einen vergoldeten Einfüllstutzen direkt am Hals plus zwei Regenreifen in Kniehöhe sowie eine Mütze mit Schiebedach.

      Schumacher widerstand dem verlockenden Angebot, bzw. ich konnte ihm klarmachen, dass er Besseres verdient hätte, als den PS-Clown auf Lebenszeit zu geben. In zwei harten Arbeitswochen versah ich meinen Schützling mit dem nötigen Rüstzeug, um in der »komischen« (Schumacher) Welt da draußen bestehen zu können: Erst Stadtbilderbücher (ab 3 Jahren) durchblättern, dann zwei, drei Taxifahrten und immer wieder endlose Gespräche über Autotouren, die einen (für ihn) lachhaften Zweck hatten (»Echt einfach nur ankommen, Curtis?«).

      Ja, Schumacher war durchaus willens, einer von uns zu werden. Jedenfalls lernte er fleißig und schnell und schien die Alltagsrealität einschließlich einer Vielzahl unangenehmer Schilder (»Vorfahrt achten«) vollständig zu akzeptieren.

      Natürlich war das ein Irrtum, der Rennsport hatte ihn zu tief geprägt. Als ich eines Morgens ein bisschen zu früh dran war, sah ich die Bescherung. Schumacher war gerade aus dem Bett gehüpft und ins Bad gebraust.

      »Langsam, Michael, und guten Morgen erst mal!«

      Er ließ sich nicht bremsen. Boxenstopp in der Küche, kurzer Check des Luftwider-stands von Frau und Kindern, und ab zum Einkaufen (per Schnellbus). Seine Frau sagte, es sei jeden Morgen dasselbe. Nach dreißig Runden um die Käsetheke, komme er nassgeschwitzt nach Hause, um dann bei einem inneren Durchschnittstempo von 320 km/h im Hobbyraum zu entspannen.

      Wie ich heute weiß, vergeblich. Schumachers Unruhe wurde ständig größer (»Diese ganze Lahmarschigkeit hier macht mich verrückt!«), immer häufiger tauchte er bei Formel-1-Rennen auf, um schließlich wieder in einem Boliden zu landen und ordentlich auf den Pinn zu treten. Wenig kam dabei heraus. Zu alt der Mann, hieß es, aber dass er hinterherfuhr, hatte einen anderen Grund: Schumacher war nicht mehr »rein«, die Einflüsse der Normalwelt hatten ihn gelähmt, in Silverstone rechnete er ständig damit, auf einen Zebrastreifen zu treffen (vielleicht auch auf den rotbraunen Teppich unter seiner Wohnzimmergarnitur).

      Ich würde nicht sagen, dass ich an Schumacher gescheitert bin. Das Wesen eines Menschen lässt sich nicht beliebig biegen. Wir sind Gewohnheitstiere.

      O Belgien!

      »Chwouuhnhaitsdiiere?«, fragte der Moderator eines belgischen Rundfunksenders, der mich seinerzeit zur leidigen Schuhfrage interviewte. Er und seine Hörer wollten wissen, warum wir Sandalen etc. immer unten tragen. Behutsam erklärte ich, dass es psycholgisch, auch interkulturell betrachtet, bis heute durchaus fraglich sei.

      »Mützen oben, Schuhe unten. Wir sind Gewohnheitstiere. Es steht aber zu vermuten, dass Schuhe oben bloß lächerlich aussähen und Heinrich Harrer so niemals die Eiger-Nordwand gepackt hätte.«

      Warum, fasste der Moderator nach, haben Tiere keine Schuhe? Ich war erstaunt über die Unwissenheit der Belgier.

      »Fragen Sie doch mal den Blauwal oder das südbelgische Hauswiesel«, sagte ich und schob einen kleinen Lacher nach, um einer nationalen Verstimmung vorzubeugen. Nein, fuhr ich fort, die Tiere wollten’s einfach nicht, und diese ganzen Geschichten von Salamanderschuhen und Elefanten-T3-Lauflernlatschen seien doch Hirngespinste. Restlos erstunken und erlogen.

      »Was, Curtis Müller, verraten uns denn Schuhe über einen Menschen?« Interessante Frage. Ich legte eine gekonnte Kunstpause ein, währenddessen die Augenbrauen meines Gegenübers höher und höher stiegen. »Wenig – eigentlich nichts.« Abstürzende Brauen.

      »Sportsandalen wurden in Rimini ’73 von der Mafia in die Mangel genommen und sollen dies und das über katalanische Konten eines gewissen Paolo ausgeplaudert haben, aber sonst? Schweigen, wohin man hört.«

      Belgien habe ich seither nicht mehr betreten. Nach Berlin aber kehre ich immer wieder gerne zurück.

      Kanzlerin, Kohl und Steinbrück

      Speziell zur Kanzlerin. Ich war ihr Berater. »Wie ist sie denn wirklich?« »Hat sie nicht …?« »Kann sie auch …« »Und macht sie nicht manchmal …?« Sich als Kanzlerinnenberater outen heißt, mit Fragen bestürmt