Sandra Andrea Huber

Fühl, was du fühlst


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ob meine Freundin mitkommt.

      Er bedenkt mich jedoch nur mit einem erfreuten Blick. „Dann bis nachher.“

      „Ja, bis nachher.“

      *

      *

      *

      Statt unter der Dusche, bin ich in der Küche gestrandet, wo ich auf einem der Stühle sitze und Löcher in die Luft starre, als würde ich darauf warten, dass sich etwas materialisiert. Vielleicht ein weißes Kaninchen oder ein Kobold mit einem Topf voller Gold im Arm.

      Obwohl alles wie immer ist, kommt mir meine Wohnung, das ganze Haus, anders vor als sonst. Alexander ist mit seinem Kumpel weggefahren, die übrigen Bewohner sind noch nicht zu Hause oder bereits wieder ausgeflogen, was heißt, dass ich die einzige unter dem Dach bin. Nicht mal Zeus ist da. Eigentlich angenehm, heute jedoch irgendwie merkwürdig. Zu still und zu … ich weiß auch nicht. Zu irgendwas, eben. Alles ist momentan zu irgendwas, vor allem ich selbst.

      Den Kopf über mich selbst schüttelnd, verpasse ich mir einen mentalen Tritt, mache mich auf ins Badezimmer und lasse mich zwanzig Minuten von lauwarmem Wasser berieseln, ehe ich, immer noch einen leicht feuchten Film auf der Haut, ins Schlafzimmer überwechsle.

      Das Innenleben meines Kleiderschranks musternd, stehe ich recht bald vor einem Problem. Obwohl auf den Bügeln eine beträchtliche Anzahl von Kleidungsstücken hängen und auf den Brettern noch mal so viele liegen, kommt es mir vor, als wäre nichts Brauchbares dabei – wobei ich nicht mal sagen kann, was brauchbar in diesem Zusammenhang bedeutet oder nach was genau ich eigentlich Ausschau halte.

      Nachdem ich eine Vielzahl von Kleidungsstücken an- und ausgezogen habe und sich Dreiviertel des Kleiderschrankinhaltes nicht mehr im Kleiderschrank, sondern auf meinem Bett befinden, erscheint mir der Gedanke ich könne mich ohne weiteres schick machen – sofern man mich lässt – überaus naiv und überheblich. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so lange vor dem Kleiderschrank gestanden bin – oder so angestrengt nach etwas gesucht habe, ohne zu wissen, nach was ich eigentlich suche oder warum ich danach suche.

      Das Problem ist, wie mir schließlich bewusst wird, dass mir das Wissen fehlt oder abhandengekommen ist, was genau ´sich schick machen` bedeutet. Insbesondere, wenn es um jenes Schick geht, dass Mann positiv ins Auge fällt. Üblicherweise mache ich mir nicht groß Gedanken um das, was ich anziehe, greife mir eine Hose und ein Oberteil, mache mir vielleicht noch einen Kopf, ob ich gemessen am Wetter passend angezogen bin, aber das war´s dann auch.

      Jetzt ein Outfit auszuwählen, stellt mich, ich kann es nicht anders sagen, vor eine echte Herausforderung. Ich möchte Alexander Koller gefallen – nein, gefallen ist das falsche Wort. Ich will lediglich normal oder vielmehr so gut aussehen, sodass er mich nicht auf ewig als Bademantel oder Jogginghosen-Nachbarin in Erinnerung behält, das ist alles.

      Ich atme einmal tief durch, beschließe mich nicht weiter verrückt zu machen und etwas anzuziehen, in dem ich mich wohlfühle. Im Zweifelsfall ist das immer die beste Wahl, weil man so sicherstellt, nicht wie ein im Leopardenpelz steckender Pinguin durch die Gegend zu watscheln.

      In Folge dessen greife ich zu meiner Lieblingsjeans, deren leicht abgewetzter Saum erahnen lässt, dass sie häufig getragen wird. Über ein weißes Tank-Top ziehe ich ein türkisfarbenes Shirt mit breitem Ausschnitt (ich liebe Carmen-Shirts!), dazu helle Stoffsneakers und fertig.

      So viel Aufwand für einen Gang die Treppe hinauf.

      Der Blick auf die Uhr lässt mich erstaunt innehalten. Kurz vor halb acht. Wo ist nur die ganze Zeit hingegangen?

      Meinen flauen Magen ignorierend haste ich ins Bad, bin nach dem dritten Anlauf endlich mit meinem Zopf und den feinen Strähnen seitlich meines Ponys zufrieden, sodass ich nach meinem Kosmetikbeutel greife und mein Selbstbildnis perfektioniere.

      Als ich mich im Schlafzimmer nochmals vor dem Ganzkörperspiegel betrachte, den Gedanken, ich hätte mir doch die Haare waschen und sie offen tragen sollen, beiseite wischend, kommt mir plötzlich ein Gedanke. Bringt man auf eine Einzugsparty normalerweise nicht ein Gastgeschenk mit?

      Wenn ich mich nicht täusche, müsste ich noch irgendwo eine Flasche Asti rumstehen haben. Nicht sehr einfallsreich, aber immerhin. Auf jeden Fall besser als mit leeren Händen aufzutauchen.

      Letzter Uhrencheck: Zehn nach acht. Das nennt sich dann wohl just in time. Ich bin startklar, zugleich jedoch alles andere als bereit, Alexander Kollers Party und Wohnung zu stürmen. Die abermalige Erinnerung, dass es kein Staatsempfang oder Vorstellungsgespräch ist, hilft mir auch nicht weiter. Das Gefühl etwas beweisen zu müssen – mich beweisen und in einem guten Licht zurücklassen zu müssen bleibt, hartnäckig wie Nagellack, der nicht abgehen will, egal wie sehr man rubbelt.

      Ich beschließe, noch ein paar Minuten zu warten, ehe ich nach oben gehe. Man taucht ja bekanntlich immer etwas später auf, als das offizielle Opening vorgibt. Das ist zumindest mein letzter Wissensstand was Partys angeht.

      Damals

      „Bist du bald fertig?“ Sebastian stand im Flur, die Schuhe bereits an den Füßen, die Jacke über den Arm geworfen und ließ den Schlüsselbund um seinen Zeigefinger kreisen.

      „Ja, gleich.“

       Er stieß ein leises Seufzen aus. Das hatte sie bereits vor fünf Minuten gesagt und davor ebenfalls. „Es sind ja deine Freunde, die warten müssen, nicht meine.“

       Hannah streckte den Kopf aus dem Badezimmer und bedachte ihren Freund mit einem rügenden Blick. „Es sind unsere Freunde dachte ich zumindest. Immerhin gehen wir nicht zum ersten Mal gemeinsam weg.“

      „Nein, eigentlich nicht“, widersprach er ihr.

       Sie musterte ihn einen Augenblick lang. „Du bist doch nicht immer noch eingeschnappt, oder?“

      „Weil der Herr Anwalt mich wie einen Schuljungen behandelt und mir einen altklugen Vortrag gehalten hat? Ach was, wieso das denn?“

       Hannah musste unwillkürlich schmunzeln, lief auf ihn zu, schlang die Arme um seinen Nacken und küsste ihn. Er roch gut, sie liebte das Aftershave, das er benutzte. „Manchmal hat Thomas derartige Anflüge, das meint er aber nicht böse. Er kann wohl einfach nicht aus seiner Haut, gerade, wenn es um sein Fachgebiet geht. Du reagierst auch genervt, wenn dir jemand sagt, wie du einen neuen Server am besten ins System integrierst oder das Script für ein Programm schreibst.“

       Sebastian verdrehte die Augen, seine Stimme klang jedoch nur noch halb so schnippisch wie zuvor. „Mag sein, trotzdem kann ich es nicht leiden, wenn jemand den Neunmalklugen mimt. Wie deine Freundin das aushält, ist mir ein Rätsel.“

      „Anne weiß sich schon zu helfen, keine Angst. Manchmal ist sie ebenso nervig, nur auf andere Gebiete verlagert.“

       Nun war er es, der sie küsste. „Wie gut, dass du keine derartigen Anflüge hast.“

      „Das überlasse ich dir.“ Sie grinste. „Allerdings bin ich mehr als froh, wenn mein PC rumzickt und du den Neumalklugen gibst, der alles wieder in Ordnung bringt.“

      „Darüber kannst du auch froh sein. Du weißt ja, was ein technischer Service verlangt.“

      „Was für ein Glück, dass ich einen IT-Profi als Freund habe. Und wenn einer von uns mal in Schwierigkeiten steckt, sind wir beide froh, dass wir einen Anwalt im Freundeskreis haben.“

      „Da ist was dran.“ Er gab ihr einen Klaps auf den Hintern. „Können wir dann jetzt?“

       Hannah huschte zurück ins Bad. „Sofort, ich muss nur noch meinen Pony föhnen. Du könntest mir ja schon mal die silbernen Kreolen aus dem Schlafzimmer holen.“

      „Wieso machst du eigentlich einen