Sandra Andrea Huber

Fühl, was du fühlst


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schön?“

      „Kinder und Wasser sind eigentlich immer eine gute Kombi – insbesondere, wenn das Schwimmbad über eine Riesenrutsche verfügt. Ich bin tatsächlich dazu gekommen ein paar Seiten zu lesen, während Hannes sich in die Sauna verzogen hat. Alles in allem ein gelungener Familientag. Allerdings“, sie zieht eine kleine Grimasse, „hatte ich nicht mit dem Tischgespräch am Abend gerechnet.“

      „Was war denn?“

      „Meine drei Männer haben mir vorgehalten, ich würde sie dick machen und ihnen die Badehosenfigur ruinieren.“

      „Ach was.“

      „Doch, wirklich. Ich sei schuld, weil ich ständig so viel koche und backe. Deswegen soll ich mich die nächste Zeit zurückhalten, insbesondere was Süßkram angeht.“

      „Das haben sie tatsächlich gesagt? Und ernst gemeint?“ Ich bin immer wieder aufs Neue von den Berichten meiner Kollegin erstaunt und amüsiert. Ihre Familie ist ein wahrer Fundus abenteuerlicher Geschichten.

      Susanne nickt. „Und ob. Allerdings lässt mein Mann gern unter den Tisch fallen, dass er sein Bäuchlein nicht erst hat, seit wir verheiratet sind, sondern schon früher, als wir uns kennengelernt haben, zu Bauchspeck geneigt hat.“ Sie stößt ein rügendes und zugleich liebevolles Seufzen aus. „Aber natürlich ist es einfacher, jeden Sonntag Schweinebraten mit Kruste zu verlangen und es anschließend der Ehefrau in die Schuhe zu schieben, wenn man Fett ansetzt.“

      „Aber ist es nicht ein bisschen früh für Diätgedanken? Deine Jungs haben doch noch nicht mal Haare auf der Brust.“

      „Ob es zu früh ist, sich um den Sitz der Badehose Gedanken zu machen? Wohl eher nicht. Selbst kleine Männer wollen das weibliche Geschlecht beeindrucken. Du würdest dich wundern, auf was die sonst noch alles achten.“ Sie seufzt; ich wiederrum grinse.

      Im nächsten Moment gähne ich ausgiebig und versinke in einem kurzen, sehnsüchtigen Tagtraum, in dem mein Bett die Hauptrolle spielt.

      „Alles klar? Du siehst etwas zerknautscht aus.“

      „Ich habe nicht sonderlich gut geschlafen“, erwidere ich mit einer wegwischenden Handbewegung, „das ist alles.“

      „Schlafprobleme sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen, das kann chronisch werden.“

      „Das liegt bestimmt nur an der Jahreszeit. Du weißt schon, innere Uhr, Sommerzeit und so.“

      Ich habe die Neuigkeit von Annes Schwangerschaft schon halb auf den Lippen, als ich es mir nochmals anders überlege und sie wieder hinunterschlucke. Wenn ich Susanne davon erzähle, will sie sich darüber unterhalten – allerdings ist mir nicht danach, mich darüber auszutauschen. Zudem fällt mir keine plausible Erklärung ein, warum ich wegen der Schwangerschaft meiner besten Freundin schlecht schlafen sollte.

      „Es ist wirklich alles in bester Ordnung“, versichere ich meiner Kollegin abermals, obwohl ich vage spüre, dass irgendetwas nicht in bester Ordnung ist. Was genau, das ist die eine Million-Euro-Frage. Ich bin mir nicht sicher, ob die Antwort ihren Preis wert. Etwas daran kommt mir faul vor, so als wäre es eine Mogelpackung.

      Allem Anschein nach ist mir meine Uneinigkeit anzuhören – oder anzusehen. Susanne wirkt nicht gänzlich überzeugt. Vielleicht schlägt aber auch nur ihr spezieller Radar an.

      Offiziell ist sie unsere Küchenmamsell, doch könnte sie abseits von Backschürze und Pfannenwender ebenso brillieren. Letztes Jahr hat ihr der Praktikant innerhalb der ersten Woche offenbart, dass er schwul ist, was nur halb so spektakulär gewesen wäre, wäre es nicht sein erstes offizielles Outing gewesen. Wenn es interessante Neuigkeiten oder Geheimnisse gibt, ist Susanne die Erste, die Fährte aufnimmt.

      Einerseits bewundere ich sie für dieses Talent, andererseits ist man genötigt abzuwägen, was man ihr erzählt und was nicht. Immerhin existiert zwischen Arbeit und Privatleben eine kleine Grenze, selbst wenn man befreundet ist. Was mich angeht, gibt es jedoch nicht viel, was mir gewollt oder ungewollt herausrutschen könnte. Einfach deswegen, weil ich keine Leichen im Keller habe.

      Ich kann Susanne von den aktuellen Kinofilmen vorschwärmen (Anne und ich gehen häufiger ins Kino), ihr von dem Fotokurs erzählen, den ich an der Volkshochschule besucht habe oder davon, dass man um den Chinesen, der kürzlich im Nordviertel eröffnet hat, lieber einen Bogen machen sollte. Aber, abgesehen davon? Die letzte große Neuigkeit, von der ich zu berichten hatte, war, dass Anne heiratet und meine Schwester einen neuen Freund hat.

      Wer nun denkt, Susanne nutze ihr Insiderwissen für die dunkle Seite, der irrt. Neben ihrem guten Gespür für Menschen hat sie eine extrem ausgeprägte soziale Ader, die sie mit Schokoladenkuchen, Makronen oder Petit Fours krönt.

      Wahrscheinlich ist letzteres das Geheimnis, beziehungsweise die Erklärung für ihr Talent Dinge in Erfahrung zu bringen: Gib Frauen etwas Süßes und sie geben dir, was du von ihnen haben oder wissen willst. Was für ein Glück, dass Susanne das Herz am richtigen Fleck trägt und kein Mann ist.

      Eine leichte Gänsehaut angesichts der unheilvollen Vorstellung einer Susanne im Männerpelz verspürend, lasse ich mich auf meinen Bürostuhl fallen und bringe ein anderes Gesprächsthema ins Spiel. „Gibt es heute etwas Leckeres aus der Genussküche?“

      Bei diesen Worten erhellt sich Susannes Gesicht. „Aber hallo! Gerade habe ich eine Apfeltarte mit Lavendel, Honig und Calvados in den Backofen geschoben. Sobald sie fertig ist, bekommst du das erste Stück. Das hebt dein Energielevel ganz bestimmt, egal was oder wer dir den Schlaf geraubt hat.“ Sie zwinkert mir zu.

      Weil ich keine Lust verspüre, ihre Anspielung zu vertiefen, und ohnehin nicht weiß, was ich als Grund für meine Verfassung angeben soll, kommentiere ich ihre Worte lediglich mit einem neutralen Lächeln.

      Ich werde ein letztes Mal mit einem wohlwollenden Blick bedacht, dann macht sich meine Kollegin davon, immerhin hat sie eine essbare Ausgabe der Provence im Ofen.

      3 – Alles Gute kommt von oben

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      Die restliche Arbeitswoche kommt mir extrem lang und anstrengend vor. Ich bin zerstreut, verzettle mich mehrmals und habe nach wie vor Schlafprobleme, was mich am meisten mürbe macht. Entweder brauche ich eine Ewigkeit bis ich eingeschlafen bin oder ich habe einen überaus unruhigen Schlaf, wache mehrmals auf und fühle mich gerädert, wenn ich am Morgen zur Arbeit fahre.

      Ich sage mir, dass es lediglich eine Phase ist, die wieder vorbei geht, kaschiere den Ansatz meiner Augenringe mit etwas getönter Augencreme, während Susanne die ganze Woche über besonders nett zu mir ist. Da ich jedoch immer noch nicht in der Stimmung bin ihr von Annes Schwangerschaft zu erzählen und es sonst nichts zu sagen gibt, beißt sie auf Granit, was sie mit noch mehr Leckereien, Aufmerksamkeit und Fürsorge zu kompensieren versucht.

      Und dabei soll man dann nicht dick werden.

      Als ich das einmal laut angekreidet habe, meinte Susanne nur: Ach was, so schnell legst du schon nicht zu. Und wenn doch, hältst du dich einfach an die Diät, die meine Männer erfunden haben: Nur essen, wenn das Licht aus ist und es keiner sieht, ganz egal, was es ist. Eiscreme, Käse, der Rest Bratensauce vom Mittagessen … damit mutierst du in null Komma nichts zum Heidi Klum-Double, viel fehlt ohnehin nicht.

      Den Vergleich mit Heidi Klum bekomme ich öfter zu hören, ebenso wie den, ich hätte etwas von Sienna Miller. Was mich angeht, tendiere ich eher zu letzterem. Nicht nur, weil ich die britisch-amerikanische Schauspielerin vorziehe, sondern auch, weil ich mich eher in ihr als in dem in Bergisch Gladbach geborenen Model mit Dauergrinsen wiedererkenne. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich Sienna Miller hübscher finde und mich deswegen lieber mit ihr vergleiche – oder vergleichen lasse. Oft genug erkenne ich mich aber auch in keiner von beiden wieder, finde mich unscheinbar und alles andere als hübsch. Aber solche Tage kennt wohl jede Frau.

      Als am Freitag endlich der Feierabend