Anna Sydney

Verfluchte Freiheit


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Sie mir lieber, was erlaubt ist, das wäre einfacher und würde uns nicht so viel Zeit kosten.“

      Der Polizist war verärgert. „Junger Mann, das kostet Sie 25 Euro.“

      Valentin stöhnte auf. Gereizt nahm er seine Geldbörse zur Hand und reichte ihm lässig einen Fünfziger.

      Der Polizist stellte eine Quittung aus, sah ihn aus tiefliegenden Augen an und seufzte. „Haben Sie es nicht passend? Ich habe kein Wechselgeld zur Hand“.

      Valentin hupte erneut, lachte und sagte ironisch: „Dann sind wir jetzt quitt. Zweimal Hupen kostet nach Adam Riese einen Fünfziger!“

      Der Polizeibeamte rief erregt: „Das gibt eine Anzeige wegen Amtsanmaßung, darauf können Sie sich gefasst machen! Sie werden von mir hören!“ In diesem Moment fuhr der Laster an. Valentin ließ den Polizisten stehen und fuhr weiter.

      Freddy begrüßte ihn überschwänglich. Die Stimmung auf der Party war bombastisch. Genügend Studentinnen waren präsent, und das Publikum versprach einen feuchtfröhlichen Abend. Doch Valentin fühlte ein Unbehagen in der Magengegend, und die schwüle, verbrauchte Luft in der Kneipe trug nicht zu einer Besserung seines Befindens bei. Seine Stimme bebte, als er Freddy um einen Joint bat. Die Musik war laut und dröhnte in seinen Ohren. Er saugte die Lippen nach innen und zog tief und fest an dem Joint. Da gaben seine Knie nach und er fiel ohne Vorwarnung mit einem dumpfen Schlag zu Boden. Sein Whiskeyglas zerbrach in tausend Scherben, die sich auf dem schwarz-weiß karierten Boden verteilten.

      Valentin erwachte. Seltsam wirres, unreales Zeug hatte er geträumt. Von Samureikämpfern mit viel Blut. Und er war der Hauptdarsteller gewesen. Gerade in dem Moment, als er aufwachte, wurde er geköpft, und sein Blut spritzte nach allen Seiten. Er war froh und erleichtert aufgewacht zu sein und rieb sich den Hals. Sein Kopf war noch da, wo er hingehörte, aber er spürte einen grollenden, durchdringenden Kopfschmerz. Oft hatte er solche wilden, stupiden Träume, wenn er zu stark ins Glas schaute und dazu noch einen Joint rauchte. Alkohol und Drogen vertrugen sich nicht besonders gut. In letzter Zeit hatte er fast jede Nacht solche Träume. Am liebsten waren ihm erotische Träume mit schönen Frauen. Da übernahm er gern die Hauptrolle. Aber die hatte er lange nicht mehr geträumt. Als er erwachte, wusste er nicht, ob es ein Traum war und wo er sich überhaupt befand. Er wollte gerade aufstehen, als eine hübsche brünette Krankenschwester ihn am Aufstehen hinderte.

      „Bleiben Sie bitte liegen, ich hole den Arzt“, sagte sie in freundlichem Ton.

      „Einen Arzt? Wo bin ich überhaupt?“, fragte Valentin verwundert, während er sich mit beiden Händen den dröhnenden Kopf hielt.

      „Im Krankenhaus. Bleiben Sie ruhig, ich hole einen Arzt“, wiederholte sie.

      Valentin versuchte sich zu erinnern, doch es gelang ihn nicht. Er konnte sich nicht an den letzten Abend erinnern, auch nicht, wie er ins Krankenhaus gekommen war. Im Krankenhaus? Hatte er einen Autounfall gehabt? Wieder fuhr ihm ein stechender Schmerz durch den Kopf.

      Als der Arzt ins Zimmer kam, erklärte er ihm, dass er einen Kreislaufzusammenbruch gehabt hätte. Sein Körper war von zu viel Alkohol ausgetrocknet worden. Valentin war zu Boden gestürzt und hatte sich dabei am Kopf verletzt; zudem hatte er sich Prellungen und Schürfwunden an Knien und Händen zugezogen. Jemand hatte den Krankenwagen gerufen.

      Valentin konnte sich an nichts erinnern und fühlte sich wie am Rande der Gesellschaft, wie ein Alkohol oder Drogensüchtiger. Asozial! Ständig spürte er die mitleidigen Blicke um sich herum. Er fühlte sich keineswegs gut in dieser Rolle.

      Valentin musste zwei Tage zur Überwachung im Krankenhaus bleiben. Im Zimmer kam er sich eingeengt vor. Der Raum wirkte kalt, nur ein Sonnenblumenbild hing an der kahlen Wand. Ratlos ging er in den Garten. Im Zimmer herrschte striktes Rauch- und Alkoholverbot.

      Es war kühl, und er sah albern aus in dem weißen Krankenhauskittel, der am Rücken mit Schnürchen zusammengebunden war. Dazu trug er seine schwarzen Converse Sneakers. Er war nicht auf einen Krankenhausaufenthalt vorbereitet, hatte keine Wäsche zum Wechseln dabei. Ihm graute schon jetzt vor dem Besuch seiner Eltern. Es war einfach nur peinlich.

      Draußen stand ein merkwürdiger hagerer Mann mit einem langen grauen Bart. Seine Augen lagen tief im Gesicht, umrahmt von Krähenfüßen, und sein linkes Auge zuckte in gleichmäßigen Abständen. Valentin musterte den hageren Typ. Sein Anzug war eher im klassischen, britischen Stil gehalten. Die hohen Schultern, die schrägen Taschen, die enge Taille und die spitz zulaufende Hose zeigten eine formale Strenge, die sich höchstens mit britischem Humor aufbrechen ließ, jedoch konnte Valentin einen solchen im Moment nicht aufbringen. Er fühlte sich müde und erschöpft.

      Der ältere Herr, der sich gerade eine Zigarette anzündete, erzählte ihm, er besuche einen ehemaligen Studenten. Geschickt verwickelte er Valentin in ein Gespräch. Valentin war eigentlich gar nicht zum Reden aufgelegt. Nach einer Weile hatte er dem ungewöhnlichen Mann seine komplette Lebensgeschichte erzählt. Und Herr Krumschnabel, so hieß der Mann, erzählte ihm aus seinem Leben: Er war Professor an der Universität und wollte Valentin unterstützen, um seine Wissenslücken aufzuarbeiten. Valentin wollte darüber nachdenken, aber nicht sofort. Im Moment hatte er Kopfschmerzen und wollte an gar nichts denken, am wenigsten über sich. Zum Grübeln war später immer noch Zeit.

      Ein paar Tage nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus suchte er den Friseur auf. Die hübsche Friseuse kam auf ihn zu. Ihr Name war Hazel, und so sah sie auch aus: haselnussbraune Augen und braunes, langes Haar, das ihr weich über die Schultern fiel. Von Natur aus war sie mit einer traumhaft schönen Figur ausgestattet. Mit ihren ebenmäßigen Gesichtszüge und ihrem herzlichen Lächeln, das von innen heraus strahlte, war sie anders als alle Mädchen, denen Valentin je zuvor begegnet war. Ihre Bewegungen waren anmutig; die Arbeit ging ihr leicht von der Hand. Eine elegante Erscheinung. Valentin hätte ihr den ganzen Tag zusehen können.

      Abwägend sah sie seine Frisur an, musterte ihn von allen Seiten.

      „Den üblichen Schnitt? Oder soll es mal was anderes sein?“

      Valentin klagte über seine Haarfarbe. Sie fasste in sein Haar und hob es prüfend an. Dann zögerte sie einen Augenblick, sah ihn von der Seite an und seufzte. „Wir könnten die Haare natürlich färben. Ein warmes Dunkelbraun, wenn du diesen leichten Rotstich nicht magst. Obwohl mir deine Haarfarbe eigentlich gut gefällt. Es ist deine Entscheidung.“

      Valentin wollte sich verändern. Eigentlich seinen Charakter, aber er begann mit seinem Äußeren. Das war die einfachere Lösung, so schien es. Er entschied sich für die Farbe. So konnte er die Gesellschaft der hübschen Friseurin noch etwas länger auskosten. Bei jeder ihrer Bewegungen sog er ihren Duft in sich ein.

      Beim Auswaschen der Farbe massierte sie seinen Kopf. Dann schnitt sie ihm einen Kurzhaarschnitt, der perfekt zu seinem markanten Gesicht passte und seine grünen Augen zur Wirkung brachte. Seine langen Studentenhaare lagen zerstreut auf dem Boden. Eine Auszubildende kehrte sie schweigend zusammen. Der kurze Schnitt und die dunklere Haarfarbe veränderte sein Aussehen gänzlich.

      An der Kasse bezahlte er und gab reichlich Trinkgeld. Danach lud er Hazel zum Essen ein. Er war freudig überrascht, dass sie sein Angebot annahm. Valentin freute sich, und sie entschieden sich, zu seinem Lieblingsitaliener Marcello zu gehen.

      Als dieser sie erblickte, begrüßte er sie mit einer herzlichen Umarmung. „Buon giorno, Hazel! Du schaust heute wieder bezaubernd aus!“

      „Buon giorno, Marcello“, sagte sie freundlich.

      „Heute bekommst du die beste Pizza von die ganze Welt!“

      Marcello hatte recht: Er machte die beste Pizza in der ganzen Stadt. Valentin bestellte noch eine Karaffe von Marcellos beliebtem Hauswein, dann widmete er sich Hazel.

      Sie erzählte von Ihrer Arbeit im Friseursalon, die ihr viel Spaß machte, von den netten Kunden, aber auch von den chaotischen Jugendlichen, die ihre Haare zum Teil total ausgeflippt färbten und die verrücktesten Muster und Namen in ihren Schopf rasieren ließen.

      „Der Style hat sich in den letzten Jahren