Georg Pachernegg

"… und er soll ein Romantiger sein!"


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man zu Beginn des ersten Kapitels von Karl Mays Band I der Winnetou‘ - Reihe, Erstausgabe 1893. Was vor weit über hundert Jahren im Wil­den Westen galt, ist auch in unserer heutigen, leider nur unwe­sentlich zivilisierteren Zeit nicht grundlegend anders. Um Ihnen bei der Partnersuche per Computer zumindest eine blutige Nase oder ähnliche auch recht schmerzhafte Erfahrungen zu ersparen, habe ich dieses Buch geschrieben.

       Im Kino, im Theater, im Bücherregal ist, wie Sie ja wissen, für den fantasiebegabten Betrachter oder Leser der Lauf der Dinge zumeist ziemlich vorhersehbar. Hier spielt sich ‚das Leben‘ nicht so ab wie in der Realität. Auf Seite 66 eines sogenannten Groschenromans zum Beispiel, also auf der letzten Seite, ‚kriegt‘ die arme, schüchterne, viel zu früh tragisch verwaiste und nach einem leichtsinni­gen, aber umso folgenschwereren Urlaubsflirt zudem noch alleiner­ziehende, blondgelockte Krankenschwester (die mit den süßen Lachgrübchen um den Mund, genau!) immer den jungen, gutaussehenden und adeligen Chef­arzt dieser noblen schönheitschirurgischen Privatklinik ganz in der Nähe jenes so idyllischen kleinen Schwarzwalddorfes bei St. Georgen.

       Zu dem romantischen, weil in einen Traum von Weiß gekleideten, Jawort vorm alten Traualtar der noch etwas älteren Dorfkirche (aber Achtung: niemals auf dem Standes­amt) und zu der rauschenden Märchenhochzeit, zu welcher garantiert nicht nur das gesamte Klinikpersonal nebst Patientinnen, sondern auch der ganze Ort eingeladen wird, kann es jedoch erst kommen, nachdem klar ist, dass sie wohl doch nicht seine außereheliche Halbschwester ist. Die­se üble Geschichte war seinerzeit dem alten Grafen, seinem Vater, einem in seinen besten Jahren landauf, landab wohlbekannten und gefürchteten Lüstling und Schwerenöter, von den Bewohnern des kleinen und beschaulichen Marktfleckens lediglich angedichtet worden, um sich auf diese Weise an ihm zu rächen ...

      Natürlich hat vorher unser junger Herr Dr. von Graf weit über fünfzig Romanseiten lang mehr oder weniger verbissen, erfolglos und verzweifelt mindestens 27 natürlich ebenfalls ‚blutjunge‘ Krankenschwestern und MTAs (Labor und Röntgen!) der besagten Privatklinik durchprobiert. Er sitzt nun eines späten Abends sturzbetrunken und ob der Irrungen und Wirrungen ziemlich verzweifelt (sein schrottreifes, altes, englisches Cabrio hängt entweder noch in der Serpentine über dem Abgrund oder schon am Haken des gelben Abschleppwagens) im Schankraum des ebenfalls kleinen und so beschaulichen Dorfgasthofs und braucht dringend ein warmes Bett für die Nacht.

      Dieser Gasthof wird, wie wir uns denken können, von der Wirtsfami­lie schon mindestens in der siebten Generation geführt und sie hat neben ihrem Hauptjob in der Klinik hier eine äußerst dürftig bezahlte und sozialversicherungstechnisch nicht angemeldete Stelle als Zimmermädchen-für-alles, Putz- und Küchenhilfe. Und sie weiß eigentlich vor lauter Liebeskummer, Schlafmangel, Geldnot und diesen furchtbaren Kreuzschmerzen nicht mehr ein noch aus. Zudem muss sie sich der ständigen Nachstellungen und Zudringlichkeiten des missratenen ältesten Sohnes der Wirtsfamilie erwehren, immer mit der so bohrenden Angst im Nacken, dieser würde sie womöglich bei seinem Vater wegen irgendetwas anschwärzen und sie wäre quasi über Nacht ihren Zweitjob los.

      Und jetzt muss sie, die Einzige, die er noch nie ausprobiert hat, ihm, dem Doktor, ihrer heimlichen, bis dato unerfüllten Liebe, noch einen letzten Krug Bier ins Zimmer bringen. Wodurch zum guten Schluss natürlich alles so kommt, wie es kommen musste und wie wir es schon anfangs irgendwie geahnt hatten, uns aber doch nicht ganz sicher waren. Denn sonst hätten wir das Heft ja sicherlich nicht gekauft und erst recht nicht gelesen.

      Im wirklichen Leben hingegen hat Herr Zufall die harte Regiearbeit zu leisten und er interessiert sich absolut nicht für Klischees. Da wäre dann eventuell schon die fünfte vom Herrn Doktor auf Herz, Nieren und bestimmt auch noch in anderer Hinsicht mehrfach und ausgiebig getestete junge Aspirantin zumindest für die nächsten paar Jahre, nämlich bis dass bei ihr der Putz abbröckelt, seine ‚Frau fürs Leben‘. Unsere arme, kleine Krankenschwester hätte darob das Nachsehen und ginge mit ihrem Kind und dem zweiten vom besagten Gastwirtssohn ‚unter dem Herzen‘ freiwillig in den … na ja, wollen's mal nicht übertreiben: in den Nachbarort. Das weiß natürlich jeder, verdrängt oder vergisst es aber auch gern mal zugunsten einer billigen Flucht in die zwar eher stumpfsinnige, jedoch im Endeffekt immer relativ heile Welt eines Arztromans.

      Nun gut, wie auch immer. Sie, gnädige Frau, wollen sich also tatsächlich einen neuen männlichen Begleiter in und aus einer dieser Internet-Partnerbörsen suchen? Sie sind so fest dazu entschlossen, dass Sie sich sogar schweren Herzens mein Buch zugelegt haben, um auch alles richtig zu machen? Da sind Sie aber in ausgezeichneter Gesellschaft. Denn dann gehören Sie zu den bestimmt mindestens 80 % aller Frauen, die, wenn auch viel-leicht heimlich, schon auf diese Weise auf der Suche sind.

      Oder zu denen, die, absolut frustriert von den wenigen bescheidenen Highlights oder besser Höhepunkten, die ihnen das Leben in den letzten Jahren bescherte, zumindest am liebsten auf der Stelle damit beginnen würden. Ach so, man hat es Ihnen geschenkt, sagen Sie. Das ist doch auch eine schöne Vorstellung. Hoffentlich haben diese wirklich gute Idee noch viele andere Leute und geben das Buch an ihre Lieben weiter.

      Dass ein Vorhaben wie die Online - Partnersuche aber nicht gerade einfach in die Tat umzusetzen und bestimmt noch weit schwieriger zum erfolgreichen Ende zu führen ist, darüber sind Sie sich im Klaren, denn Sie wissen es ja schon aus vielen anderen Lebensbereichen: Die Konkurrenz ist gar riesig und der Feind schläft bekanntlich nie!

      Um trotzdem aus der anonymen Masse Ihrer Mitbewerberinnen positiv und strahlend hervorzutreten, ist große Sorgsamkeit angesagt und dazu eine extrem ausgefeilte, analytische und strategische (also eher unweibliche) Denk- und Vorgehensweise. Und Sie müssen sehr viel Mut mitbringen. Hauptsächlich zur Selbsterkennung (aber nur heimlich, keine Angst), zuweilen leider auch die Courage zur totalen Selbstentblößung, sei es im streng wörtlichen oder auch im übertragenen Sinn, und zum Einstecken und Verkraften von teilweise sehr heftigen und auch dementsprechend schmerzhaften Niederlagen. Überlassen Sie daher lieber nichts von all dem, was Sie vielleicht doch beeinflussen können, dem puren Zufall und vertrauen Sie sich bei diesem sensiblen und sehr persönlichen Thema voller Zuversicht einem Fachmann und profunden Kenner der Szene an: mir.

      Denn wie kaum ein Zweiter habe ich während der letzten zehn Jahre ungezählte Singlebörsen nach interessanten und aussagekräftigen weiblichen Profilen durchforstet und durchkämmt, Unmengen von Daten und Fakten zusammengetragen und sie sortiert und analysiert. Ich habe darüber hinaus, beflügelt von meinen theoretischen Untersuchungsergebnissen, mit diversen Damen aus der virtuellen Welt des www zahlreiche heldenhafte und auch hin und wieder geradezu selbstlose Selbstversuche im realen Leben unternommen, immer wieder angetrieben von dem einzigen Wunsch, genügend belastbares Anschauungsmaterial sammeln zu können, um für Sie und Ihre Leidensgenossinnen dieses zwar äußerlich eher etwas unauffällige, aber nichts desto trotz höchst essentielle und vor allem hoffentlich ein wenig unterhaltsame Nachschlagewerk verfassen zu können.

      Arbeiten Sie also diesen kleinen, obschon durchaus mit viel Herzblut und mindestens einem freundlichen und auch wohlmeinenden Augenzwinkern geschriebenen Leitfaden sorgfältig und aufmerksam durch. Denn er ist trotzdem in seinen Kernaussagen und vor allem mit dem vielen Unausgesprochenen, was das geübte weibliche Auge zwischen den Zeilen lesen kann und, wie ich es kenne, sicherlich auch wird, doch wohl irgendwie nicht immer so total unernst gemeint, wie es hinten drauf steht.

       Gönnen Sie mir dabei die kleine Freude, mir bildlich vorzustellen, wie Sie so dasitzen und lesen, plötzlich innehalten, den letzten Satz noch einmal überfliegen, Ihren hübschen Kopf unwillig schütteln und sich dann vielleicht fragen: „Meint er das jetzt echt ernst oder will er mich schon wieder nur auf den Arm nehmen?“ Nein, wie schon gesagt, so richtig bierernst meine ich nicht viel in diesem Buch, oder etwas besser ausgedrückt: Zugegeben, ich habe gelegentlich schon leicht überzeichnet und übertrieben. Aber ich würde mich freuen, wenn Ihnen sein Inhalt trotzdem einige ernsthafte Denkanstöße geben könnte. Denn das Thema an und für sich ist nämlich gar nicht, oder zumindest nicht nur, so lustig wie es auf den ersten Blick erscheint. Insbesondere natürlich dann, wenn der Erfolg Ihrer Suche noch immer, vielleicht schon ziemlich lange, auf sich warten lässt.

      Ich bitte Sie, sehen Sie mir nach, dass meine schier ellenlangen Schachtelsätze vielleicht zuweilen