Georg Pachernegg

"… und er soll ein Romantiger sein!"


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unbedingt viel schlechter funktionierte oder noch immer funktioniert als alle anderen in unserem Kulturkreis bekannten, teilweise recht seltsamen, Methoden der Partnerschaftsanbahnung, eine entsprechend üppige Mitgift der Braut (wegen ihrer Wertigkeit), ein entsprechend hohes Alter des Bräutigams (wegen der Dringlichkeit), sowie natürlich auf beiden Seiten geschickte Verhandlungsführer (wegen der Gerechtigkeit) vorausgesetzt. Und beim Scheitern einer Beziehung konnte jeder der Beteiligten immer den Göttern oder dem Schicksal die Schuld geben und musste nicht sich als Person oder seine menschlichen oder auch partnerschaftlichen Qualitäten hinterfragen (lassen).

      Wenn Sie also sowieso schon immer eine gewisse Affinität zu alten Bräuchen oder fremden Kulturen gehegt haben, warum nicht einfach mal ein kleines Risiko eingehen? Und wenn Sie neuerdings seltsamerweise immer öfter einmal heimlich fluchen: „Zum Teufel mit der bescheuerten Frauenbewegung, die führt eh zu nichts, seit vierzig Jahren nicht, da lasse ich mir jetzt lieber mal schön den Stuhl zurechtrücken, in den Mantel helfen und die Tür aufhalten!“, dann denken Sie doch ruhig mal etwas ausgiebiger über eine solche Art und Weise der Partnerfindung und Beziehungsführung nach. Es soll, so munkelt man, in verschiedenen abgelegenen Regionen Deutschlands wirklich noch einige sogenannte ritterliche Männer geben, welche solchen weiblichen Vorstellungen gern entsprechen. Solche künstlich hergestellten Partnerschaften (auch gern ‚Vernunftehen‘ genannt) waren und sind übrigens nicht zuletzt deshalb meistens so erfolgreich und langlebig, weil man zu keiner Zeit den ‚Fehler‘ machte, den Faktor Liebe überhaupt dabei mitzuberücksichtigen. Man warnte die infrage kommenden Menschen sogar davor, dies zu tun, mit grauslichen Geschichten darüber, wo die Liebe hinführt, wenn man nicht aufpasst und dass man's doch besser gleich ganz lassen sollte, siehe Romeo und Julia und zahlreiche andere, ähnlich traurige Geschichten über unglücklich liebende junge Leute.

      Die Eheschließung zur Mehrung des Besitzes und zum Fortbestand der Familie waren das Eine, Wichtige, was die Männer zügig regeln mussten. Um sein Vergnügen kümmerte man sich in aller Ruhe und zwar nebenher und gar nicht heimlich, mit eigens dafür ausgebildeten, sehr oft hoch angesehenen Damen, den Mätressen, oder (als Sparvariante für die weniger begüterten Familien) mit den bedauernswerten Haus- und Dienstmädchen. Denn die wagten nicht, sich zu wehren und wurden, sobald sie schwanger waren, schnell in die Fremde (50 km waren in der nicht motorisierten Zeit meistens schon fremd genug) abgeschoben, wo sie dann heimlich und fürs Leben gedemütigt und gebrandmarkt niederkommen konnten. Die Liebe war erst an der Reihe, wenn die Ehe rund lief, also wenn die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der beteiligten Personen sowie besonders die Produktion von ‚standesgemäßem‘, natürlich zuerst männlichem, Nachwuchs in den berühmten trockenen Tüchern war.

      Das Jahr 1695 allerdings brachte den ersten Schritt hin zu einer echten Partnervermittlung für jedermann mit sich. In einer englischen Zeitschrift suchte damals nämlich ein Herr von etwa 30 Jahren mit ansehnlichem Besitz“ „für die Ehe eine junge Dame mit einem Vermögen von ca. 3000 Pfund Sterling.“ Mit der Veröffentlichung dieses eigentlich doch recht banal klingenden kurzen Anzeigentextes direkt rechts neben der Rubrik ‚An- und Verkauf von Kutschen, Heuwagen und Pferdeschlitten‘ läutete das biedere englische Anzeigenblättchen „A Collection For Improvement Of Husbandry And Trade“ ohne es zu ahnen die Neuzeit der Partnersuche ein, auch wenn wir nicht wirklich wissen, ob die Annonce tatsächlich von Erfolg gekrönt war.

      Und als dann vor nicht ganz 200 Jahren, in der Zeit der Romantik, die Verbindung von Partnerschaft und Liebe in der sich halbherzig selbst demokratisierenden bürgerlichen Gesellschaft wiederentdeckt und dazu gar den Frauen erlaubt wurde, Widerworte zu geben und auch noch wählen zu gehen, ja sogar als frauenrechtlerische Souffragetten verkleidet mit Stockschirmen und Handtaschen auf unbescholtene männliche Bürger einzuprügeln, nahm alles Übel seinen Lauf und die Grundlage für den heutigen Status Quo war somit geschaffen.

      Schon unsere Urgroßeltern hatten mit diesem neuen Trend zur Liebesheirat zu kämpfen. Die hohe Zeit der Handwerksburschen auf der Walz, die auf ihrem Weg reihenweise die Herzen der Bauernmägde, herrschaftlichen Dienstmädchen, Biergarten - Kellnerinnen und anderer Dorfschönheiten brachen, ehe sie ein passendes Handwerksmeisters - Töchterlein zum Heiraten und Schwiegervater Beerben fanden, war vorbei und lebte nur noch in den alten sehnsuchts- und wehmutsvollen Wander- und Saufliedern der verschiedenen Zünfte weiter. Sich wie früher verkuppeln zu lassen war inzwischen verpönt, man wollte selbst (aus-) suchen und vor allem finden. Aber die Anzahl der heiratsfähigen Männer war dank zweier Kriege dermaßen dezimiert, dass die Frauen, speziell nach dem Zweiten Weltkrieg, zwar keine Frösche küssen, dafür aber jede Menge Kröten schlucken mussten, ehe sie ihrer sie aufmerksam beobachtenden Umgebung ein halbwegs vorzeigbares Exemplar ‚Mann‘ präsentieren konnten.

      Es waren ja fast nur die ‚kriegsuntauglichen‘ Männer übrig geblieben (alle anderen waren tot), welche zu alledem vielleicht auch für den Kriegsschauplatz Ehe nicht sonderlich geeignet waren, oder nachher dann die seelisch oder körperlich halbzerschossenen Heimkehrer. Probleme wie Gewaltexzesse, Alkoholismus, Depressionen oder Traumatisierungen jeglicher Art wurden jedoch von den Ehefrauen und den betroffenen Familien, aber auch von Nachbarn und Bekannten einfach totgeschwiegen oder ignoriert, genau wie man fehlende Arme und Beine und große Altersunterschiede nur hinter vorgehaltener Hand leise betuschelte.

      Die Hauptsache war, dass man jemanden mit einem regelmäßigem Einkommen hatte für den Neuanfang. Oft sickerten nach ein paar Jahren ganz üble und traurige Geschichten von geborstenen Partnerschaftsfassaden aus der Verwandt- oder Nachbarschaft ans Tageslicht, Begebenheiten, die man als Kind oder Halbwüchsiger allerdings womöglich hochinteressant und spannend fand oder vielleicht sogar lustig, weil man die eigentlichen Zusammenhänge natürlich nicht begriff.

      Gern denke ich übrigens auch an meine eigenen frühen Erfahrungen bei und mit der Partnersuche zurück. Die Rahmenbedingungen waren, dank der miefigen Moralvorstellungen in jener Zeit, nicht wirklich unkompliziert, doch man stand nicht so unter Erfolgsdruck wie in späteren Jahren als älterer Mensch. Zwar gab es im Normalfall separate Unterrichtsstätten für Mädchen und Jungen, aber man wusste, wo die Schulen der Gegenseite waren und wo der der/die Angehimmelte immer herging. Zwar traute man sich nicht, einfach mal jemanden auf der Straße anzusprechen, aber man rekrutierte mit etwas Glück den passenden Menschen aus dem Freundeskreis seiner Geschwister, wenn man welche hatte, seiner Jugendgruppe oder später am Arbeitsplatz oder aus dem Sportverein. Drohten dennoch alle Stricke zu reißen, gab es da immer noch das seinerzeit beliebte Gegenstück zur heutigen Singlebörse: die Partnersuche per Zeitungsanzeige.

      Damals … wissen Sie noch? In der Zeit, als wir alle noch schaudernd dachten, Internet hätte irgendwas mit Internat zu tun? Und niemand wollte anfangs damit in Kontakt kommen? Da schrieb man lieber einen mehr oder weniger gelungenen Vierzeiler, etwa mit der sinngemäßen Aussage: „Junger Alkoholgegner möchte sich mit Dir auf ein Glas Wein und ein tiefgehendes Gespräch treffen!“ und fertig war die Kleinanzeige in der dicken Wochenendausgabe des lokalen Käseblättchens.

      Einige Zeit später dann bekam man, mit etwas Glück, vom Zeitungsverlag einen dicken oder, wie ich meistens, einen eher dünnen braunen Briefumschlag zugeschickt, mit einem Päckchen von Zuschriften an einem Treffen interessierter Wein - Liebhaberinnen, militanter Temperenzlerinnen (oder waren es Tempeltänzerinnen? ich hab's vergessen) oder notorischer Quasselstrippen.

      Allein das Lesen dieser Briefe, ganz zu schweigen von den oft beigefügten, auch damals schon zuweilen recht seltsam anmutenden ‚Bewerbungsfotos‘ der jungen Damen und den schönen Briefmarken auf den Umschlägen (die ich immer meinem Vater für seine Sammlung gab), darüber hinaus noch irgendwelchen nächtlichen Träumereien von den aus einigen der Zuschriften möglicherweise resultierenden Begebenheiten für das persönliche (Er-)Leben in der näheren Zukunft, hatte ja einen hohen Unterhaltungswert. Der Zwanziger für die Annonce war immer gut investiertes Geld und garantierte, auch wenn die seinerzeit ausgewählte Lambrusco - Sorte vielleicht eher preiswert und von zweifelhafter Qualität war, einen interessanten und kurzweiligen Abend, zumindest ab der zweiten Gallone und im Beisein eines oder mehrerer Leidensgefährten.

      An dieser Stelle auf dem Zeitstrahl ist, statistisch betrachtet, zum ersten Mal, je nach Verbreitungsgebiet der betreffenden Zeitung, eine deutliche