Klaus Blochwitz

Ömmes auf der krummen Straße


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hatte.

      ‚Der Holzschlag läuft gut und ist mit Erik als Leiter gut besetzt‘, ihre Eltern nickten dazu, ‚selbst deine Fischzucht ist schon rentabel‘, schaute sie ihren Vater an.

      Der lächelte ein wenig stolz zurück: ‚Jetzt komm aber endlich auf den Punkt‘,sagte er dann zu seiner hübschen Tochter und Seske begann:‚Unser schönes, großes Haus ist für uns drei viel zu groß. Ich habe mich erkundigt, es gibt ein großes Interesse von Touristen an Campingplätzen und wir haben viel Platz für Stellflächen.Wir können die ungenutzten Zimmer zur Übernachtung anbieten; die Küche ist groß genug, um auch Essen für unsere Gäste anbieten zu können.‘

      Ihre Eltern schauten irritiert,erstaunt und dann interessiert. Seskes Mutter stimmte als erste zu und Seskes Vater nickte zustimmend, schaute seineTochter an: ‚Dann mach mal!‘

      Überglücklich fiel Seske ihren Eltern um den Hals und packte dann voller Energie ihr Projekt an.

      Als ich durch Zufall bei Seske den Campingplatz fand, war ihr Campinghotel gerade zwei Jahre alt. Den Rest kennt ihr ja“,endete Rudi, „erst kam viel Post und dann kam endlich Seske.“

      „Ach ist das schön“, seufzte Beate. Franz war da praktischer veranlagt und fragte Rudi direkt, wie es mit ihnen beiden weiter gehen würde.

      „Wir wollen jetzt erstmal eine Weile zusammen leben und uns richtig kennen lernen und dann sehen wir weiter.“

      Der Abend war schon fortgeschritten und die Runde löste sich langsam auf.

      Beate, Hans, Hermann,Wilhelm und Franz blieben auf der Straßenseite, während Jürgen mit Herbert und Rudi die andere Seite wechselten. Ein letzter Gute-Nacht-Gruß, und die Straße war leer.

      Rudi wurde von Seske begrüßt und sie schaute ihn fragend an:„Alles gut gegangen?“

      Rudi nickte zustimmend mit dem Kopfund nahm sie in seine Arme.

      Beate rannte am Heiligabend wieder von Haus zu Haus,wünschte schöne Feiertage, verteilte ihre kleinen Geschenke,für Rudi und Seske war es etwas größer.

      Hans fuhr wieder zu seinen Eltern, um ihn machte sich die ganze krumme Straße immer noch Sorgen. Hans kam einfach nicht auf die Reihe, es war bloß gut, dass er beruflich voll beansprucht wurde, sonst hätte es sicher noch schlimmer ausgesehen.

      Hans erschrak sehr, als er seine Eltern sah, sein Vater erkannte ihn gar nicht mehr und seine Mutter war völlig erschöpft, die Frau war richtig fertig.

      Nach Weihnachten organisierte Hans die längst nötige Pflegehilfe und beschaffte für seine Mutter eine Haushaltshilfe aus der Nachbarschaft.

      Der Hausarzt informierte Hans über den Gesundheits Zustand seines Vaters und Hans war danach endgültig fertig, obwohl er es schon geahnt hatte.

      Er gab dem Arzt seine Telefonnummer, bevor er wieder abreisen musste.

      Das neue Jahr fing ruhig an, mit den großen und kleinen Problemen, die eben jede Familie mehr oder weniger hat. Der erste Treff im neuen Jahr bei Ömmes verlief ebenso ruhig, die Feiertage klangen noch nach.

      Ab diesem Jahr war das junge Volk mit achtzehn Jahren volljährig.

      Die beiden Familien zwischen Beate und Hans lebten weiterhin unauffällig in der Straße,bis die Frau aus dem Haus direkt neben Beate in Tränen aufgelöst durch die Nachbarschaft lief und jammerte, dass ihr Mann im Sterben liege.

      Man wusste, dass der Mann schon ein recht hohes Alter hatte, aber er machte immer einen gesunden und munteren Eindruck.

      Brigitte und Hildegard nahmen die Frau in ihre Mitte und gingen zum Haus der Frau zurück. Der Arzt schüttelte den Kopf und der Pfarrer sprach tröstende Worte.

      Die krumme Straße organisierte die Beerdigung.

      Den Kaffee gab es bei Ömmes im Saal.

      Ömmes hatte ein Händchen dafür, er hatte den Saal sparsam und diskret hergerichtet,die Tische standen in U-Form, mit weißen Tischtüchern und dezentem Blumenschmuck, weißes Porzellan rundete das Bild ab.

      Nach einem Gebet wurden Kaffee und Kuchen serviert,die Gäste griffen zu und die frische Witwe erzählte mit ihrer unmittelbaren Tischnachbarin. Langsam wurden die Gespräche an den Tischen leiser und verstummten schließlich ganz,alle hörten gespannt der Frau zu.

      Sie erzählte von Ostpreußen, von ihrer harten, aber trotzdem fröhlichen Kinderzeit, wie sie schon als kleines Mädchen beim Bauern hart arbeiten musste. Schule war für sie schon nach dem vierten Schuljahr vorbei, von da ab ging sie jeden Tag,sieben Tage die Woche, zusammen mit ihrer Mutter in der Küche des Bauern arbeiten.

      Meistens musste sie putzen, abwaschen und waschen, aber auch Kartoffeln schälen, Bergevon Kartoffeln. Die Tiere musste sie füttern, Schweine, Gänse,Enten und Hühner, und obwohl sie immer eine höllische Angst vor den großen Tieren hatte, musste sie die Kühe melken

      .Im Laufe der Zeit wurde sie aber eine gute Küchenhilfe und als sie ungefähr vierzehn Jahre alt war, wurde sie als Hilfsköchin beschäftigt, dafür bekam sie sogar ein paar Münzen im Monat.

      Jahre später übernahm sie als Köchin das Regiment in der großen Küche und damit ging es ihr für die damaligen Verhältnisse recht gut. Auf dem Bauernhof lernte sie auch ihren späteren Mann kennen, er war als Großknecht beschäftigt.

      Auf dem letzten Erntedankfest vor dem Krieg kamen sie zusammen. Ihr Mann war ein großer, stattlicher Kerl, vor dem alle Respekt hatten. Zwei Jahre später heirateten sie und konnten ein kleines Haus beziehen.

      „Es war alles gut und dann kam der Krieg auch zu uns. Wir bekamen unerwartet den Hass der polnischen Bevölkerung zu spüren, plötzlich ware nwir nicht mehr die jahrelangen Nachbarn, sondern nur noch die fürchterlichen Nazis.“

      Die Frau holte tief Luft und fuhr fort: „Die Front kam immer näher und die Polen zwangen uns, das Land zu verlassen. Wir durften ein Pferdegespann mitnehmen, packten ein paar Sachen auf den Wagen und unter wütenden Blicken und wüsten Beschimpfungen der Polen fuhren wir los.

      Es zog ein endloser Treck in Richtung Westen und es wurden immer mehr. Aus allen Städten und Dörfern stießen die Menschen zu uns, viele, viel zu viele nur zu Fuß, Frauen mit ihren Kleinkindern, alte Leute, die kaum noch laufen konnten, und wir marschierten in den Winter!“

      Die Frau schluchzte auf: „Die Menschen erfroren einfach, sie fielen am Straßengraben um und blieben einfach liegen, der Schnee deckte sie in kurzer Zeit zu. Ein riesiges weißes Leichentuch…“

      Nach dem Todesfall wurde der Kontakt mit den beiden Familien in der Nachbarschaft doch enger, die Frau war völlig hilflos,sie hatte von nichts eine Ahnung und war heilfroh, dass sie so selbstverständlich Hilfe bekam. Ihre beiden Kinder waren schon lange aus dem Haus und kamen nur noch selten zu Besuch.

      Ein paar Tage nach der Beerdigung saßen Hermann, Jürgen und Herbert bei Ömmes an der Theke und erzählten dies und das und irgendwann erzählte Jürgen von früher, aus ihrer gemeinsamen Kinder- und Jugendzeit.

      Es war Anfang der fünfziger Jahre, als sich eine Gruppe Jungs mit zum Teil abenteuerlichen Fahrrädern bei Jürgen traf. Einige hatten blaue Hemden mit blau-gelb-gestreiften Halstüchern angezogen, der größte Teil der Gruppe war jedoch kunterbunt angezogen.

      Alle hatten ein Päckchen, mal größer, mal weniger groß, auf dem Gepäckträger. Herbert war dabei, Hermann und Wilhelm, und Franz kam mit einem schicken, funkelnden Fahrrad dazu.

      Ein älterer und größerer Junge traf hinzu, zählte nach der Begrüßung die Gruppe durch und zeigte dann an:„Los geht’s.“ Die Jungen bildeten eine Zweierreihe und fuhren mit Hallo und lautem Klingeln dem großen Jungen nach.

      Sie waren auf dem Weg zu einer Jugendherberge im Münsterland,einem kleinen Ort, ein paar Kilometer westlich von Münster. In der Jugendherberge angekommen, wurden die Jungs auf die Schlafräume verteilt und der Herbergsvater sammelte die Lebensmittelmarken von allen ein. Für den Nachmittag