Fahrrädern zum Bauernhof.
Franz, Herbert, Jupp und Karl guckten etwas erstaunt hinterher, denn das war ungewöhnlich, dass die drei etwas ohne sie unternahmen und dann auch noch mit zwei Vätern.
Vor dem Mittagessen waren sie zurück und die Jungs wurden losgeschickt, um allen Bescheid zu geben, dass alle nach dem Mittagessen zum Haus von Hermanns Vater kommen sollten. Gegen vierzehn Uhr waren alle da und Hermanns Vater erklärte, was los war.
Da war natürlich das wundern riesengroß und alle schrieen und redeten wild durcheinander. Dann ging es ans verteilen der Würste und Speckseiten.
Hermanns Vater sagte: „Solange es gut geht und machbar ist,werden wir die Sachen so weiter verteilen.“ Alle nickten dankbar und waren natürlich einverstanden. Das war jetzt schon das zweite Mal, dass die krumme Straße durch die Kinder ordentlich was zu futtern bekam.
Nach dem vierten oder fünften Besuch der Räucherkammer meinten die beiden Väter,man müsste sich mal bei dem alten Knecht bedanken, der wisse genau Bescheid und gucke immer grinsend weg.
Beim nächsten Mal fragte Hermanns Vater den Alten und der sagte etwas verlegen, er würde gerne mal wieder einen Sonntag in einer Familie verbringen.
„Das kriegen wir hin!“ Gesagt, getan,vierzehn Tage später saß der alte Knecht mächtig aufgekratzt bei Hermanns Familie am Mittagstisch und hatte Spaß satt. Der Mann war wirklich alt und er war immer Knecht gewesen. Von der Sprache her konnte man erkennen, dass er aus dem Osten stammen musste.
Seine Geschichte erinnerte stark an die Geschichte der Nachbarin, die sie während des Kaffees nach der Beerdigung erzählt hatte.Trotz seines echt sau harten Lebens war der Alte erstaunlich fidel, keine Spur von Verbitterung, im Gegenteil, er war eine richtige Ulknudel. Das einzige, was er bedauerte, war, dass er durch den Krieg alles verloren hatte, sein Zuhause, seine Familie,seine Arbeit, eben alles. Aber vorbei sei vorbei, meinte er und trank mit Freude den Selbstgebrannten, den ein Nachbar herein gereicht hatte. Als zum Kaffee, na ja, was man eben so Kaffee nannte, auch noch ein selbstgebackener Kuchen auf den Tisch kam, war der Alte selig.
Die Männer brachten den Alten nach dem Abendessen zurück. Die Leute auf dem Bauernhof guckten etwas erstaunt, sagten aber nichts.
Alle paar Wochen wurde der alte Knecht sonntags in eine Familie geholt und alle hatten eine Menge Spaß dabei.
Ömmes fragte nach, ob noch jemand ein Bier haben wolle,aber alle drei schüttelten den Kopf, bezahlten ihre Deckel und verließen die Kneipe. Sie blieben noch einen Moment an der Ecke stehen und schauten die krumme Straße hoch.„Mensch“, staunte Wilhelm immer wieder, „es hat sich eine Menge in den Jahren getan.“
Die Bäume an den Straßenrändern waren mächtig gewachsen, die Straßenlaternen hatten Mühe, ihr Licht durch die dichten Blätter zu bringen, die Häuser mit ihren gepflegten Vorgärten sahen prima aus und das schönste war, dass sich hier alle wohl fühlten.
Wilhelm schaute nach Ömmes, auch dort ging jetzt das Licht aus. Zuhause merkte sich Wilhelm vor, dass er beim nächsten Mal den Stammtisch über die versprochene Feier für Herbert und Jürgen informieren musste.Diese Feier wurde mit einem riesen Elan und großer Begeisterungin Angriff genommen.
Als Franz dann noch bekannt gab, dass er und seine Selma ihren bereits vergangenen, nichtgefeierten Hochzeitstag mit feiern möchten, kannte die Begeisterung keine Grenzen mehr.
Auch Hermann und Brigitte fragten vorsichtig an, ob sie ihren Hochzeitstag mitfeiern dürften,weil sie wegen der Arbeiten am Haus keine extra Feier machen können – die krumme Straße schnappte fast über.
Vier Wochen später war es dann so weit, die ganze Straße war geschmückt, die vier Hochzeitspaare trafen sich vor Herberts Haus und gingen dann geschlossen mit allen Nachbarn in einem schönen Zug zu Ömmes.
Sogar ein Lokalreporter war gekommen.
Ömmes hatte selbst von außen sein Haus festlich geschmückt, die Fahnen wehten im leichten Wind, der große Saal war von Ömmes wie immer mit viel Phantasie und Geschicktoll geschmückt worden und wurde mit vielen Ah’s undOh’s bewundert.
Als alle Platz genommen hatten, stand Rudi auf und bat mit erhobener Hand um Ruhe, erstaunt sahen alle auf Rudi, der lächelte leicht und sagte, wenn es recht wäre,möchte er ein paar Worte zu diesem Tag an die Hochzeitspaare richten und überhaupt mal so was sagen.
Die ganze Hochzeitsgesellschaft klatschte begeistert Beifall.
Rudi sprach vonden Anfängen der krummen Straße nach dem Krieg, wie sich alle irgendwie durch gewurschtelt haben; wie sich die Nachbarschaft einander geholfen hat; wie selbst die Kinder mit ihrem Steine-Picken, mit ihrem Geschick, Essen aufzutreiben, ihrer Arbeit beim Bauern mitgeholfen haben, über die Runden zukommen; wie sich bei den jungen Leuten die neue Zeit zeigte mit Schule, Lehre, Bundeswehr, Beruf und dann von den Mädchen, den Hochzeiten und dem Nachwuchs. Rudi schloss mit dem Hinweis, dass das Kriegsende jetzt schon über dreißigJahre hinter ihnen liege, dass die Zukunft viel schöner sei und er allen alles Gute wünsche und die Hochzeitspaare hoch leben lasse. Heimlich wurde ob der Rede hier und da manche Träne getrocknet und manches Paar schaute sich lange an.
Dann kam der Beifall und Rudi wurde fast verlegen.
Es wareine schöne, keine so laute Feier wie die vergangener Tage. Es war das erste Mal, dass Ömmes und seine Mitarbeiterinnen Erschöpfung zeigten, aber tapfer hielten sie bis zum letzten Gast durch.
Wilhelm sagte beim hinaus gehen, er komme morgen zum Abrechnen.
Ömmes winkte nur ab: „Keine Eile damit.“
Spät wurde Wilhelm am Sonntagmorgen wach, nicht ganz fit,hörte er auf dem Weg ins Badezimmer seine Frau unten in der Küche schon herumhantieren.
Bloß kein Frühstück, dachte er mit Schaudern. Nach der Dusche ging es ihm dann schon etwas besser und er ging die Treppe runter in die Küche und wünschte seiner Frau einen guten Morgen.
Hildegard schauteihren Mann prüfend an und goss ihm ein Glas gut gewürztenTomatensaft ein, eiskalt.
Wilhelm trank, schüttelte sich undd ann ging es ihm viel besser.
Er bedankte sich bei seiner Frau,holte Papier, Schreiber und Unterlagen von seinem Schreibtisch,setzte sich an den Küchentisch und begann die Kosten für die gestrige Feier auf zu schlüsseln.
Hildegard guckte ihren Wilhelm etwas irritiert an und fragte ihn, ob etwas mit seinemSchreibtisch nicht in Ordnung sei. „Doch, doch, alles bestens in Ordnung.“
Nachdem er die Kosten auf alle Nachbarn verteilthatte, reduzierte er die einzelnen Beträge der Familien um den Anteil aus der Nachbarschaftskasse, nahm das Telefon und rief Ömmes an, um zu fragen, wie viel er für die Feier bekam.
Ömmes nannte den Betrag und Wilhelm meinte zu Hildegard: „Über den Betrag kann man nicht meckern.“ Wilhelm machte sich auf den Weg zu Ömmes, winkte im VorbeigehenS elma zu, die auch in der Küche herum hantierte.
Selma öffnete das Fenster und rief Wilhelm zu, er möchte doch bitte für einen Moment auf Franz warten, Wilhelm blieb stehen und Franz kam schon an die Tür und deutete Wilhelman, er möchte ins Haus kommen.
Etwas fragend schaute Wilhelm Franz an und dieser sagte: „Selma und ich hatten so eine schöne Feier mit euch allen, deswegen möchten wir uns etwas mehr an den Kosten beteiligen.“
Wilhelm schüttelte den Kopf: „Das geht nicht.“
„Doch“, sagte Franz, „der Betrag geht einfach als Spende in die Nachbarschaftskasse!“
„Das könnte man so machen“, antwortete Wilhelm dann und Selmag ab Wilhelm einen verschlossenen Briefumschlag.
„Und vielen Dank noch mal“, sagten Franz und Selma.
Bei Ömmes bezahlte Wilhelm die Rechnung, trank noch einen starken Kaffee und machte sich auf den Heimweg, es war schon Zeit für das Mittagessen geworden. Wilhelm wollte sich nach dem Mittagessen noch etwas aufs