Klaus Blochwitz

Ömmes auf der krummen Straße


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einem guten Mittagessen lenkte Jürgen den Laster wieder auf die Autobahn, Herbert fing ein Gespräch mit der Bemerkung an: „Ich glaube langsam,dass ich mir doch endlich mal ein neues Auto kaufen muss, mein altes Möhrchen tut es nicht mehr so gut!“

      „Eigentlich warst du doch immer zufrieden mit dem Wagen?“

      „Ja, aber die Reparaturen nehmen langsam überhand, der Wagen ist dadurch einfach zu teuer.“

       „Das kann ich mir gut vorstellen“, meinte Jürgen, „frag doch einfach Franz, der hat bestimmt etwas Passendes für dich. Dein Wagen ist ja wirklichalt genug, obwohl er eigentlich wenig gefahren wurde.“

      Die beiden Männer wurden still und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Der Truck fuhr durch Südfrankreich Richtung spanische Grenze.

      Herbert freute sich auf Barcelona, er kannte die Stadt recht gut und sagte zu Jürgen: „Wenn es zeitlich hinhaut,zeige ich dir in der Altstadt einen Hähnchengrill, so etwas hast du noch nicht gesehen! Der Grill ist in die Ecke eines Hauses gebaut und es brutzelt mindestens zwanzig Hähnchen auf einmal daran!“

      Jürgen hörte aufmerksam zu und erinnerte sich: Herbert übernachtete immer in einer alten, einfachen, aber saugemütlichen Pension. Wenn es abends spät wurde, klatschte man laut in die Hände und schon hörte man die Antwort des Schließers,der mit seinem Stock auf den Boden klopfte. Dann tauchte ein uraltes Männchen, der Schließer, auf und öffnet die Haustür der Pension.

      Herbert schwärmte weiter von der Altstadt von Barca, er kenne eine prima Kneipe am Plaza Major, erwähnte die Ramblas und die Gegend um den Hafen herum.

      Am Morgen luden sie einen Teil der Ladung ab und nahmen neue auf.

      Danach ging es weiter über Saragossa Richtung Madrid, sie fuhren noch Seville und Valencia an.

      „Jetzt geht es nur noch Richtung Heimat.“ Jürgen fuhr den vollbeladenen Laster gut gelaunt Richtung spanisch/französische Grenze.

      Herbert hätte gerne noch mal in Barcelona übernachtet,aber der Zeitplan drängte.

      Sie fuhren schon auf die Schweiz zu, als Herbert kopfschüttelnd zu Jürgen sagte: „Eigentlich hatten wir damals eine tolle Zeit, wir waren eine prima Clique und obwohl es eine beschissene Zeit war, hatten wir doch jede Menge Spaß.“ Jürgen guckte im Moment etwas erstaunt zu Herbert rüber: „Wie kommst du denn jetzt gerade darauf?“

      „Manchmal denke ich schon an damals, wie so alles mit uns begann“, erwiderte Herbert.

       „Du meinst, als wir als Kinder in den Trümmern herumgekrochen sind, die Kohlen geklaut haben oder wie du die Einmachgläser in dem zerbombten Keller gefunden hast?“, fragte Jürgen zurück. Herbert nickte: „Und wie wir gefroren haben, wir hatten ja selbst im dicksten Winter eine kurze Hose an, mit langen, kratzigen Wollstrümpfen. Für mich war eigentlich das ewige Hunger habendas Schlimmste. Ich habe immer gedacht, ich werde nie meinem Leben mal richtig satt.“ Jürgen fuhr fort: „Selbst als wir die Räucherkammer bei dem Mistkerl von Bauer entdeckt und wir für einige Zeit gut zu essen hatten, hatte ich immer Hunger.“

      „Das kenne ich. Am ersten Abend machte meine Mutter für uns Bratkartoffeln, so richtig mit Zwiebeln und viel Speck und ein paar Eier drüber. Wir haben nicht gegessen, wir haben gefressen und hinterher war uns allen übel und wir haben alles wieder ausgekotzt.“

      Jürgen, ebenfalls in den alten Erinnerungen kramend, erwiderte: „Uns ging es mit dem Essen genau so, das viele Fett haben wir nicht vertragen! Aber das wussten wir erst viel später, wir kannten so ein fettes Essen gar nicht und vertrugen das natürlich auch nicht. Klar,wenn man an die Wassersüppchen und an das trockene Brot denkt, das wir zu essen bekamen. Was ich immer Klasse fand,war, wie unsere Straße zusammen gehalten hat, selbst als es uns langsam aber sicher besser ging. Jeder hat jedem geholfen.Wenn du mal an die vielen Arbeiten an und in den Häusern denkst.“ So tauschten die beiden Männer ihre Erinnerungen aus und der große Truck fraß Kilometer um Kilometer.

       „Das einzige, was bei mir nicht geklappt hat, ist meine Ehe. Wenn ich an den ständigen Knatsch mit Inge denke.“ „Mit euch geht es jetzt doch einigermaßen“, meinte Herbert, „was soll ich denn sagen? Der Elli kannst du überhaupt nichts recht machen. Wir sind doch bloß noch wegen der Kinder zusammen und im übrigen bin ich mir ziemlich sicher, dass Elli was am Laufen hat, aber das juckt mich schon lange nicht mehr.Die Frau macht mit ihrer Sturheit und ihrer Rechthaberei aber auch alles kaputt.“

       „Erstaunen tut mich das nicht“, reagierteJürgen auf diese Eröffnung von Herbert, „und wie soll es bei euch weitergehen?“ Herbert zuckte mit den Schultern: „Ich hoffe nur, dass sie so viel Anstand besitzt und bleibt, bis dieKinder aus der Schule sind.“

      Zum späten Nachmittag fuhren sie auf einen Parkplatz in einem kleinen französischen Dorf.Zum Abendessen gingen sie in eine Gaststätte, nach dem Essen tranken sie noch einen Schoppen Rotwein und Jürgen grinste Herbert plötzlich an: „Die Kleine gefällt dir wohl?“

      „Ach, Quatsch“, winkte der ab.

      „Ich glaube aber schon“,machte Jürgen weiter, „und die Kleine hat auch ein Auge auf dich.“ Herbert lächelte etwas gequält: „Ja, ist ja auch ein nettes Mädchen.“

      „Nett? Eine Superbraut!“, hakte Jürgen nach.

      Als sie Schluss machten, kam die junge Frau auf sie zu und fragte sie, wann sie frühstücken wollten.

       „Sechs Uhr!“, antwortete Jürgen, bevor Herbert überhaupt etwas sagen konnte.

      Die junge Frau bedankte sich bei Jürgen und guckte Herbert etwas erwartungsvoll an.

      Jürgen machte es sich in der Schlafkoje gemütlich und knurrte Herbert an: „Hau schon ab.“

      Das Frühstück verlief etwas eintönig, bis die junge Frau für einen kurzen Moment an den Tisch kam und Jürgen ansprach, aber der winkte sofort ab: „Alles in Ordnung. Ihr seid beide alt genug, ihr müsst wissen, was ihr tut.“ „Stimmt“, sagte die Frau, lächelte Jürgen freundlich an, beugte sich für einen Kuss zu Herbert runter und sagte dann: „Vielleicht bis zum nächsten Mal.“

       Herbert nickte der Frau zu und Jürgen winkte nochmal.

      In der Firma erfuhren sie, dass sie übermorgen eine Tour nach Österreich hatten.

      Hermann zog den grauen Kittel über und ging in die Halle,rechts neben dem Eingang hatte er sein kleines Büro. Er schaute in den Auftragskorb, nahm die Aufträge und stellte die Leute zusammen. Er sah sich zufrieden in der Halle um.Er hatte gute Kollegen, die gute Arbeit machten, darauf konnte er sich verlassen. Gegen neun Uhr wurde er wie jeden Tagvon seinem Chef ins Büro gerufen und dann wurden die laufenden Aufträge und die Disposition dazu durch gesprochen.

      Hermann hatte im Laufe der Zeit vier feste Montageteams ausgebildet und ein fünftes als Reserve für Notfälle. Heute gab es nichts besonderes, es lief alles in geordneten Bahnen; die Termine wurden eingehalten, die Lkws waren für die Abfahrtstermine fixiert.

      Hermanns Chef war zufrieden. Hermann wollte schon los marschieren, als sein Chef ihn stoppte, eine Mappe in die Hand nahm, darin blätterte und Hermann anschaute:„Sie übernehmen ab dem Ersten die Halle als Produktionsleiter.Hier haben Sie eine Stellenbeschreibung und eine Vertragsänderung. Durchlesen. Wenn Sie einverstanden sind, unterschreiben. Original für Sie, Kopie bekomme ich zurück.“

      Etwas verdattert verließ Hermann das Büro, er hatte zwar schon im Stillen mit der Position gerechnet oder besser gesagt, darauf gehofft, aber jetzt war er doch überrascht, angenehm überrascht.

      Was wird sich Brigitte freuen, jetzt ist sicher für sie der sehnlichste Wunsch, eine neue Küche, drin.

      Äußerst beschwingt ging Hermann an seine Arbeit,was für ein schöner Tag.

      Als Hermann am späten Nachmittag nach Hause kam, schaute Brigitte ihn erstaunt an. Ihr Hermann war eigentlich selten krumm gelaunt, aber heute fiel es doch auf,

      ihr Mann strahlte