Bernhard Dönhoff

Auf den Flügeln meiner Träume


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zu verändern. Immer und immer wieder ging sie durch den Park zu der alten Eiche. Wind, Regen, Hagel, Schnee, ja selbst die schrecklichen Stürme des Herbstes und die klirrende Kälte von Frost und Eis hielten sie nicht davon ab, oft viele Stunden des Tages bei der Quelle zu verharren.

      Oftmals, wenn sie von den langen Gängen zur Quelle zurückkehrte, die Großmutter sie fragend an. Doch Gwendollyn schüttelte jedes Mal mit einem traurigen Lächeln den Kopf.

      Als sich die Zeit der Sommersonnenwende näherte, überfiel das Mädchen eine seltsame Unruhe. Es gelang ihr kaum ruhig zu sitzen. Auch schien sie sich für nichts und niemanden mehr zu interessieren. Allmählich fiel auch den Eltern das seltsame Verhalten ihrer Tochter auf, aber jedes Mal, wenn sie Gwendollyn zur Rede stellen wollten, beruhigte sie die Großmutter: „ Lasst das Kind! Sie erinnert mich an meine Kindheit. Ich war damals ebenso wie sie. Das gibt sich mit der Zeit.“ Und rätselhaft fügte sie leiser werdend und mehr mit sich selbst flüsternd hinzu: „ Bald ist es vorbei! Da bin ich mir ganz sicher. Gwendollyn weiß, was sie tut. Sie ist es, die die Zeit in Händen hält. Geduldet euch noch ein paar Tage und ihr werdet alles erfahren und verstehen.“ Dem Vater genügte die Antwort nicht, aber die alte Frau hatte ihn so eindringlich und keinen Widerspruch duldend dabei angesehen, dass er sich umwandte und nichts mehr zu entgegnen wagte.

      Als der Tag der Sommersonnenwende gekommen war, machte sich Gwendollyn, kaum dass die ersten Sonnenstrahlen sie geweckt hatten, auf den Weg zur alten Eiche. Sie verharrte den ganzen Tag dort in einem Zustand der angespannten Erwartung. Schon brach die Dämmerung herein und die letzten Sonnenstrahlen übergossen den ganzen Schauplatz wie mit flüssigem Gold.

      Gwendollyn spürte die maßlose Enttäuschung, die langsam in ihr hochkroch.

      „Was hatte die Großmutter ihr denn da erzählt? Waren das alles nur die unerfüllten Wünsche, Träume und Hoffnungen einer alten Frau, geboren aus einem langen Leben? Oder war es einfach nur eine Geschichte, die ihr die Großmama erzählt hatte, um ihr den langen, trostlosen Winterabend, der wie eine Ewigkeit hinter ihr lag, zu verkürzen.?“ Diese und andere Fragen gingen ihr noch durch den Kopf, als sie langsam aufstand und sich entmutigt auf den Heimweg machen wollte.

      Da hörte sie ein Geräusch in den Büschen. Sie wandte sich um und sah in der untergehenden Sonne einen Jungen auf sich zu kommen. Sie blickte ihm ins Gesicht, und wusste, dass die Geschichte der Großmutter Wahrheit zu werden begann.

      „ Hallo, Mordekai“, sagte sie, „du kommst spät. Du weißt, es bleibt uns nicht mehr viel Zeit.“

      Der Junge sah sie an. Er war keineswegs darüber erstaunt, dass Gwendollyn ihn beim Namen nannte.

      Mordekai sagte zu ihr: „ Für das, was zu tun ist, bleibt noch ausreichend Zeit, Gwendollyn! Sag uns, was wir tun sollen!“

      Und ohne großartig nachdenken zu müssen, fuhr das Mädchen fort: „ Rufe deinen Vater und deine Brüder! „Kaum hatte Gwendollyn ausgesprochen, hörte man schon im Dickicht um die Quelle herum knackende und knarrende Zweige und Äste und mit einem Mal waren der Vater und die Brüder um die Quelle versammelt.

      Gwendollyn sah ihnen allen einzeln tief in die Augen und ihre Stimme nahm einen leicht zitternden Tonfall an, als sie sagte: „ Heute ist der Tag gekommen, an dem euer langer Weg sein Ziel findet. Fasst euch bei den Händen, schließt die Augen und folgt mir.“

      Sie taten es. Das Mädchen führte sie alle hinab zur Quelle und als das Wasser sie berührte, fühlte Gwendollyn, wie sie immer tiefer und tiefer versanken. Seltsamerweise spürte sie weder Angst nach Furcht. Unvermutet spürte sie, wie sich die Hände des Vaters und der Söhne von ihren Händen lösten. Sie hörte eine außergewöhnliche, kaum zu beschreibende Musik, die Trauer und Freude, Leid und Glück gleichermaßen in sich zu vereinen schien.

      Das Mädchen wusste nicht, wie lange es so dagelegen hatte, sie spürte nur eine unaussprechliche Dankbarkeit.

      Plötzlich wurde ihr kleiner Körper sanft aber bestimmt hin und her gerüttelt. Als es ihr mühevoll gelang die Augen zu öffnen, sah sie in das gleißende Licht einer Laterne. Als sie sich daran gewöhnt hatte, erkannte sie hinter dem Licht der Lampe das sorgenvolle und ängstliche Gesicht der Großmutter. Die hob das frierende Kind auf und trug es nach Hause.

      „ Großmama, es ist vorbei“, waren Gwendollyns letzte Worte, bevor sie in einen tiefen und erfrischenden Schlaf fiel.

      Am anderen Morgen erwachte sie erst, als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Sie entdeckte auf dem Nachttisch, neben ihrem Bett eine kleine Spieldose. Die Melodie, die erklang, als sie das zierliche Wunderwerk öffnete, erinnerte sie sehr an die Musik, die sie in der Quelle gehört hatte. Sie sprang aus dem Bett und eilte sofort durch den Wald, um nachzusehen, was aus der Quelle geworden war. Atemlos erreichte sie die alte Eiche und wälzte mühevoll den schweren Stein bei Seite, der die Quelle vor den Augen der Menschen verborgen hatte. Ein Gefühl der Befreiung und des Glücks durchströmte sie, als sie feststellte, dass die Quelle nun versiegt und ausgetrocknet dalag.

      Lachend, tanzend, singend und springend kehrte sie zur Großmutter zurück, warf sich ihr in die Arme und rief:

      „ Alles hat ein glückliches Ende gefunden, Großmama! Den Ort des Unheils gibt es nicht mehr. Die Quelle, die so viel Leid über Mordekai und seine Familie gebracht hat, ist endlich von ihrem Fluch befreit und kann nun keinen Schaden mehr anrichten!“

      Die alte Frau drückte das Mädchen fest an ihr Herz und auch ihr liefen Tränen der Freude und des Glücks über die zerfurchten Wangen.

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