Gert Podszun

Kater Frieda


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heute Abend, Schatz!“

      Bettis Bruder Alexander, Alex genannt, liebte Musik und konnte darin aufgehen. Musik bedeutete ihm Alles, war wichtiger als die Schule. Mit Klassenkameraden war er Mitbegründer einer Band, die sich Crowns nannte. Die Crownies trafen sich mindestens einmal in der Woche, um ihre Stücke einzuüben. Dazu hatte ihnen ein Freund der Familie eine großräumige Doppelgarage in der Nähe der Villa Drempel zu Verfügung gestellt. Alex fühlte sich zum Komponisten berufen. Er gab der Band mit neuen Ideen viele Impulse. An diesem Nachmittag kam er zufrieden von der Übungsstunde nach Hause zurück und hing seine Gitarre neben die Ukelele in seinem Zimmer auf, als ihn seine Mutter zu sich rief.

      „Alexander, kommst Du mal bitte!“

      Alexander hatte es schon mit seinen zwölf Lebensjahren gelernt, nicht sofort auf jeden Zuruf oder eine Ansprache seiner Mutter zu reagieren. Er hatte sich angewöhnt, zunächst zuzuhören oder auch gelegentlich einfach zu gehorchen, weil er damit Raum für etwaigen späteren Widerspruch gewinnen konnte. Er reagierte.

      „Ich komme!“

      Er schloss die Tür seines Zimmers, das er entgegen allgemeinem Verdacht gegenüber Kindern in seinem Alter gerne gut aufgeräumt hielt.

      „Was kann ich tun? Was liegt an?“

      „Hattet ihr eine gute Übungsstunde?“

      Alex antwortete selten sofort. Sie fuhr fort:

      „Alex, ich freue mich ja, dass Du so viel Freude an der Musik und eurer Band hast. Gute Noten in der Schule hast Du ja auch noch. Aber ich habe mir überlegt, dass Dein Spiel mit der Gitarre nicht ausreichen wird, um aus Dir einen guten Musiker zu machen. Und das willst Du doch, oder?“

      Ohne eine Antwort von Alex abzuwarten, fuhr sie fort:

      „Also, ich habe mich entschieden, Dir auf dem Weg zu einem guten Musiker zu helfen. Du wirst bald regelmäßig Klavierstunden nehmen, um Deine musische Qualifikation weiter zu entwickeln.“

      Alex wusste, wenn er jetzt eine kleine Weile schweigen würde, würde das von seiner Mutter nicht als Zustimmung ausgelegt. Er war sich sicher, dass es ihm Spaß machte, mit seinen Klassenkameraden in der Band zu spielen. Aber Musiker? Wollte er Musiker werden? Das wusste er doch noch gar nicht. Diplomatie war nötig.

      „Klavier!“

      Dieses Wort von Alex reichte, um seine Mutter zu einer weiteren Erklärung zu bewegen.

      „Nun ja, es gibt auch noch andere klassische Instrumente. Man muss eventuell prüfen, wer zu welchem Instrument die beste Eignung hat. Vielleicht solltest Du zuerst herausfinden, welches der Instrumente Dir zunächst am besten liegt. Ich kenne da jemand, der das für uns organisieren könnte. Das ist, glaube ich, eine gute Lösung für Deine Entwicklung als Musiker.“

      Alex schaute ihr offen ins Gesicht, wiederholte sichtlich pikiert:

      „Musiker!“

      Das Gespräch war beendet. Seine Mutter schwieg.

      Eddi rief den Notar kurze Zeit nach dem Gespräch mit seiner Frau an.

      „Guten Tag, Herr Dr. Breckhader. Mein Name ist Eduard Drempel. Meine Frau hat mich heute darüber informiert, dass Sie einen Termin mit mir vereinbaren wollen. Können Sie mir vorab schon einmal mitteilen, worum es sich handelt?“

      „Ich kenne Sie nicht persönlich, aber Ihr Name ist mir bekannt. Ihr Onkel hat Nachrichten für Sie, die ich Ihnen mitzuteilen habe. Dafür ist ein persönliches Erscheinen nötig. Wann können Sie kommen?“

      „Heute ist Freitag. Da geht es erst am Anfang der kommenden Woche.“

      „Warten Sie, am Dienstag gegen 11 Uhr bei mir? Die Adresse haben Sie ja.“

      „Danke, dann also bis zum Dienstag bei Ihnen.“

      „Einen schönen Tag noch!“

      „Danke.“

      Eddi kam ziemlich spät aus der Klinik nach Hause. Eva hatte eine Gesichtsmaske aufgelegt, lag entspannt auf der Chaiselongue und schaute sich einen Film im Fernsehen an.

      „Siehst Du, Du bist schon wieder spät. Wenn Du Deine eigene Klinik haben wirst, dann wird das Leben für Dich leichter und besser werden.“

      „Erst einmal Guten Abend, Eva, so viel Zeit muss sein. Meinst Du mein Leben oder auch Dein Leben? Ob eine eigene Klinik weniger Zeit in Anspruch nehmen würde, wage ich zu bezweifeln. Aber so weit ist es ja noch nicht, oder?“

      „Du weißt doch, dass ich mit Dir zusam-menarbeiten will. Du, der Arzt, der Chirurg für alle Fälle und ich die Psychologin an Deiner Seite. In unserer Klinik! Du machst die Körper der Frauen und Männer schöner und ich kümmere mich um die Schönheit der Seelen. Das ist doch eine perfekte Kombination, findest Du nicht auch?“

      „Wir haben schon viel darüber gesprochen, aber Du weißt, es muss auch finanziert werden.“

      „Du wiederholst Dich. Erinnerst Du Dich nicht an unser Gespräch von heute Vormittag?“

      „Gut, gut, wenn es denn alles stimmt.“

      „Es wird schon gehen. Hast Du mit dem Notar telefoniert? Was hast Du mit ihm besprochen? Hier ist das Schreiben.“

      „Wir sehen uns am Dienstag.“

      „Da bin ich mal gespannt.“

      Eddi bot Eva ein Glas Rotwein an. Sie tranken schweigend.

       3

      Eddi war pünktlich zum vereinbarten Termin bei dem Notar. Frau Kleinwasser, die Vorzimmerdame des Notars, trug eine gut ondulierte dunkelbraune Frisur und blickte Eddi über den Rand ihrer schmalen 3,0-Dioptrien-Brille kritisch an.

      „Der Herr Notar ist sogleich für Sie da.“

      Rechtsanwalt und Notar Dr. Breckhader trug einen strengen Scheitel auf der linken Seite. Er pflegte diesen wie eine wichtige Tradition und unterstützte das durch gelegentliches Glätten seiner Haartracht mit der linken Hand. Sein graues Haar glänzte matt. Im Nacken kräuselten sich ein paar weiße Locken.

      Eddi musste nicht lange warten. Frau Kleinwasser begleitete ihn durch die hohe alte Eichentür in das Büro des Notars. Die schweren Eichenmöbel gaben dem Büroraum etwas von erhoffter Ewigkeit. Der Raum war nur wenig beleuchtet. Nur auf dem breiten Eichentisch des Dr. Breckhader stand eine eingeschaltete Leseleuchte. Er kam Eddi entgegen und reichte ihm einladend seine rechte Hand.

      „Herr Drempel, schön, dass Sie da sind. Trinken Sie einen Kaffee mit mir?“

      Frau Kleinwasser nahm sein Nicken war und verließ den Raum.

      „Bitte nehmen Sie doch Platz!“

      Eddi saß dem Notar an dem breiten Schreibtisch gegenüber.

      „Herr Notar, Sie haben mir eine Nachricht zukommen lassen. Sie erwähnten darin meinen Onkel in Amerika. Ist er gestorben?“

      „Lieber Herr Drempel, um Gottes Willen, das nicht. Ich muss Ihnen eine seiner Entscheidungen mitteilen. Ich bin damit beauftragt, sozusagen insofern um Amtshilfe gebeten worden. So einfach ist das. Sonst müssten Sie ja nach Amerika fliegen.“

      Begleitet von dem Duft frisch gebrühten Kaffees kehrte Frau Kleinwasser in das Büro zurück und ließ die beiden Herren nach dem Einschenken allein. Dr. Breckhader glättete langsam und besonnen sein Haupthaar und griff langsam zu der vor ihm liegenden Akte.

      „Ihr Onkel, Ferdinand Drempel, hat mich beauftragt, Ihnen seine Entscheidung mitzuteilen. Es handelt sich um ein Vermächtnis. Nebenbei bitte ich Sie, mir Ihren Ausweis zu zeigen. Ich benötige eine Kopie für die Akte.“

      Eddi nippte an dem Kaffee. Der Notar strich erneut über