Gert Podszun

Kater Frieda


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      „Du bist ja ganz schön gewieft. Hast Du da an die möglichen Konsequenzen gedacht? Das ist doch ein möglicher Irrgarten. Was kann da nicht alles schiefgehen. Ich bin unbekannten und unberechen-baren Umständen ausgeliefert. Einfach ausgeliefert, verstehst Du? Du würdest mich einfach opfern. Ich finde das – gelinde gesagt – mehr als bemerkens-wert. Aber Du hast das für Dich ja irgendwie schon entschieden, oder?“

      „Ja, wenn Du etwas in Ruhe darüber nachdenken wirst, dann wirst Du finden, dass ich recht habe. Deine Frau eben.“

      „Angenommen, ich stimme dem zu, wie würde das praktisch ablaufen?“

      „Ziemlich einfach. Du nimmst einen Job im Ausland an, zum Beispiel über Ärzte ohne Grenzen, und dann geschieht etwas.“

      „Du meinst, ich bin dann irgendwann offiziell tot?“

      „Ja, und dann kommst Du wieder und fertig.“

      „Fertig.“

      „Ja, bitte denke doch darüber nach, sonst kommen wir nie zu unserer Klinik.“

      „Vor kurzer Zeit hattest Du die Finanzierung doch schon fast fertig vorbereitet.“

      „Ja, aber so würde es viel besser gehen und wir würden weniger Fremdkapital benötigen.“

      „Und was sagen wir den Kindern?“

      „Wir machen einen zukunftsorientierten Ver-trag mit ihnen. Der wird hinterlegt. Sie wissen ja jetzt doch noch gar nichts von dem Vermächtnis.“

      „Clever. Ich bin ja gar nicht gegen die Klinik, die eigene. Wäre schon schön.“

      „Na also.“

      „Aber dann muss ich ja….!“

      „Ins Ausland. Du bist doch da auch abge-sichert. Und es dauert doch nur eine überschaubare Zeit.“

      „Liebling, das muss ich überschlafen, es ist auf jeden Fall verrückt!“

      Sie küsste ihn auf die Stirn.

       5

      Eddis Schlaf wurde von Chimären beherrscht. Sie nahmen überall in seinem Hause Platz, saßen auf den Tischen, wickelten sich in seinen Bademantel und schwenkten seine Gläser, aus denen sie irgendetwas Gelbes tranken. Manche kamen ihm so nah, dass er meinte, einen kühlen Hauch zu spüren.

      Irgendwann in der Nacht stand Eddi auf, um diesen Traum abzuschütteln. Er trank ein Glas Wasser in der Küche und setzte sich für eine kleine Weile an den Küchentisch. Ich tot und erben? Er sah noch das fordernde Leuchten in den Augen Evas, als sie diesen Vorschlag machte. Aber es würde ihm nichts übrig bleiben. Er musste eine Entscheidung treffen. Obwohl Eva schon lange von der eigenen Klinik sprach, war er sich noch nicht im Klaren darüber, was er selbst wollte. Seine jetzige Situation als angestellter Arzt in der Klinik war ziemlich sicher. Er würde eventuell noch Oberarzt werden können. Das könnte zwar auch noch lange dauern.

      Auf der anderen Seite wäre zu hoffen, dass er in der eigenen Klinik selbst mehr für seine eigene Entwicklung würde leisten können. Die Kombination der anzubietenden Leistungen würde Eva und ihm obliegen. Für Klienten sei auch gesorgt. Und die Ver-dienstmöglichkeiten würden sich in Zweifel deutlich verbessern. Schließlich hatte er ja auch noch die Verantwortung für die Ausbildung der Kinder. Das würde so viel kosten, wie ein Einfamilienhaus. Pro Kind. Bald legte er sich wieder in sein Bett und döste bis zum Morgen. Als er aufstehen wollte, nahmen ihn die ersten Worte von Eva gefangen.

      „Was hältst Du von Ärzte ohne Grenzen?“

      Eddi schüttelte sich, als wenn er die Frage loswerden wollte. In diesem Moment war ihm klar, dass er sich schneller entscheiden müssen würde, als er dachte.

      „Ich bin mir über die rechtlichen Fragen noch nicht im Klaren.“, bereitete er eine ersehnte Verzögerung einer Entscheidung vor.

      „Das ist doch ganz einfach. Du gehst zu einem Einsatz, einem augenscheinlich nicht ungefährlichen, in ein fernes Land unter dem Schirm von Ärzte ohne Grenzen. Da tust Du etwas Ehrenhaftes und das erscheint sogar noch in der Zeitung, damit man von Dir weiß. Dort in der Ferne arbeitest Du natürlich nicht ohne Risiko. Eines Tages geschieht ein Unglück, ein geplantes. Du wirst als schwer verunglückt gemeldet. Ein dortiger Notar, mit dem Du Dich bekannt gemacht hast, bestätigt Deinen Tod. Er sorgt dafür, dass die Urne mit – angeblich - Deiner Asche hierher geschickt wird und Dein Tod amtlich bestätigt wird. Dann ist das Erbe fällig.“

      „Leicht gesagt, liebe Eva. Und wie komme ich dann zurück, wenn ich tot bin?“

      Eva war in einem hohen Maße gelassen und strahlte Minustemperaturen aus.

      „Eddi, Du bist doch clever. Du musst Dir natürlich einen Freund schaffen, dem Du hilfst, damit er Dir hilft. Also musst Du in ein Land gehen, in dem mindestens so viel Korruption herrscht wie hier in Deutschland. Als Arzt stehen Dir doch viele Wege offen. Du kannst Dir ja in Ruhe überlegen, wie Du es anstellen wirst. Eigentlich brauchst Du nur einen neuen Namen. Das ist doch eine Investition wert, oder?“

      Eddi saß nun auf der Bettkante. Ihm war jetzt klar, dass bereits eine Entscheidung gefallen war. Eva hatte ihm die Entscheidung einfach abgenommen.

      „Ich werde darüber nachdenken.“

      Diesen Satz hörte Eva schon gar nicht mehr. Sie war mit ihren letzten Worten aus dem Schlafzimmer gegangen.

      „Ich muss noch einmal die Unterlagen vom Architekten anschauen. Bis gleich.“

      Eddi wusste, dass er keine Alternative zu der Entscheidung von Eva hatte.

       6

      Eddi begann den neuen Tag mit Evas Entscheidung. Er fühlte sich nicht in der Lage, das zu ändern. Das entsprach seiner Natur. Er hatte nicht gelernt, sich zu streiten. Er wusste zwar, dass Auseinandersetzungen für die Entwicklung der Persönlichkeit wichtig sind. Aber er selbst hatte Streiten nicht gelernt. Vielleicht lag es auch nur daran, dass er Einzelkind war. Die Streitigkeiten damals in der Schule hatten ihn nicht nachhaltig belastet. Er entschloss sich also, Informationen über die Organisation Ärzte ohne Grenzen einzuholen, um zu erfahren, wie die Bedingungen eines möglichen Engagements aussahen. Er las im Internet: Wenn Sie sich in den Beschreibungen unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wieder erkennen und darüber hinaus die richtigen Voraussetzungen mitbringen, dann bewerben Sie sich! Erfahrene Mitarbeiter entscheiden dann auf der Grundlage Ihrer schriftlichen Unterlagen, ob Sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wer den. Das Bewerbungsgespräch dient dem gegenseitigen Kennenlernen. Fällt dieses Gespräch für beide Seiten positiv aus, werden die von Ihnen im Bewerbungsbogen angegebenen Referenzen eingeholt. Sobald das Gesamtergebnis Ihrer Bewerbung positiv ist, besprechen wir die Teilnahme in einem Vorbereitungskurs und versuchen je nach Ihrer zeitlichen Verfügbarkeit, eine für Ihr Profil passende Projektstelle zu finden. Nach dem Studium der Konditionen rief er im Berliner Büro an und erfuhr, dass eine Zweigstelle in Bonn existiert. Man empfahl ihm, dort persönlich vorzusprechen.

      Nachdem die Entscheidung für sein Engage-ment bei Ärzte ohne Grenzen gefallen war, musste Eddi bei seinem Chef vorsprechen, um seinen Plan für eine ehrenamtliche Tätigkeit bei Ärzte ohne Grenzen zu erläutern.

      Das Gespräch mit dem Chefarzt dauerte lange. Eddi wusste, dass er bei seinem Chef sehr beliebt war.

      „Sie sind einer der wenigen Kollegen, die mit Bedacht und besonderer Sorgfalt arbeiten, lieber Kollege. Ich habe auch Verständnis dafür, dass Sie Ihren Urlaub für einen Einsatz, einen humanitären Einsatz, opfern wollen. Auch bewundere ich Ihre Frau, die ohne weiteres für den angedachten Zeitraum auf Sie verzichten wird. Dennoch...“

      Diese Pause war für Eddi die eigentliche Entscheidung. Er schluckte die Bemerkung über seine Frau ohne Kommentar.

      „Zu