Helmut H. Schulz

Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I.


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aber war sie Erlebende, Erleidende. Und ihr künftiger Gemahl fuhr fort, seinen Mangel an Gefühl für seine Braut öffentlich auszubreiten, als wollte er sich an ihr für seinen Verzicht auf eine andere rächen, damit nahm er ihr die Hoffnung auf eine Gemeinsamkeit. Einerseits preist er Gott wegen der Gnade und Fülle seines Glückes, und er fleht darum, ihn würdig zu erhalten, das Glück zu genießen; sein Streben gehe dahin, die Prinzessin glücklich zu machen. Andererseits erklärt er schriftlich, seine Werbung sei einzig vom Verstande diktiert gewesen. Lieben könne man eben nur einmal im Leben. Dies schreibt kein heuriger Hase von 18 Jahren nach einem ersten missglücktem Liebesversuch, sondern ein Mann von 32, der seinem ersten schon einige andere Liebesglücke angefügt hat, der überdies seine gescheiterte Liebe zur schönen Radziwill wie eine andauernde Passion, wie einen ewigen Mummenschanz feiern sollte. Wenn es nur eine wirkliche Liebe gab, was war das andere? Noch sonderbarer: Maria Pawlowna, die Schwiegermutter, musste 1829 im Hochzeitsjahr den Schwiegersohn dringend ersuchen, die Affäre mit der Radziwill endlich in aller Form zu Ende zu bringen. Das tat Wilhelm, da es sich nicht umgehen ließ, und reiste im Juni 1829 nach Antonin, dem Sommersitz der Radziwills, um auch dort wieder eine reife Szene aufzuführen. Selbst Tante Luise war unangenehm überrascht vom Auftreten ihres Neffen, der sich in Tränen auflöste und sich nach Herzenslust gehen ließ. Dann allerdings, als er es hinter sich hatte, erfüllt Beruhigung sein Herz, selbst die schönen Augenblicke verschwinden, meldet er vor sich selber und vor allem vor anderen. Als die schönen Augenblicke geschwunden waren, stand der Hochzeit nichts mehr im Wege.

      Die Affäre ihres Bräutigams mit Elisa, die alle Beteiligten fast ein Jahrzehnt lang in Atem gehalten hatte, war also bis in die Einzelheiten Augusta bekannt. Sie ahnte wohl, dass sie diese Geschichte nicht negieren durfte, die so offen lag und vor allem öffentlich gemacht worden war, wenn sie mit ihrem künftigem Gatten eine innigere Beziehung herstellen wollte. Äußerlich bot der Prinz von Preußen, militärisch und in den eigentümlichen Pflichtvorstellungen Preußens erzogen, die wenig Raum für echtes Gefühl und für Frauen ließen, ein ganz nettes Bild. Und es wäre verwunderlich gewesen, wenn eine Prinzessin von 18 Jahren ganz unempfänglich für ein so banales, wie blendendes Auftreten gewesen wäre. Ein starker Charakter schien ihr Wilhelm trotz seiner klirrenden Rüstung allerdings nicht, und er würde wohl auch immer zögerlich bleiben. Da griff die junge Augusta zu den Werkzeugen der Seelenanatomie, und ließ sich die Liebesgeschichte ihre Bräutigams haarklein von ihm selber repetieren. Sie wollte genau wissen, wie es angefangen, und wie es geendet. Ferner versicherte sie ihrem Wilhelm, alles ihr menschenmöglich zu unternehmen, die zu ersetzen, die er vergebens begehrt habe. Ob Heuchelei und weise Voraussicht Augusta zu diesem Gelöbnis anhielt, ob Teilnahme und Unkenntnis, fast hätten wir geschrieben: Unkenntnis des Herzens, ihr Verhalten diktierte, ist schwer zu sagen. Es war Unkenntnis, es fragt sich nur, was für eine. Jedenfalls erlebte sie den Roman Wilhelms empfindsam nach; er indessen brachte es nur zu einer seiner schwülstigen Ergießungen, als er erklärte, ihre Teilnahme an seinem Liebesunglück mache sie ihm so teuer. Nichts davon ist wahr gewesen, das eine wie das andere. Diese ihre Teilnahme war ihm so gleichgültig, wie seine Braut selbst. Und Augusta, worüber sollte sie mit ihm sprechen, wenn ihn nichts anderes interessierte als seine Klagen über das ihn vernachlässigende Schicksal? Sonderbare Szene; eine 18jährige Braut lässt sich von ihrem 32jährigem Bräutigam erzählen, was er für eine andere empfindet oder zu empfinden meint und wird sein Seelenarzt. So ging die Brautzeit dahin, mit kurzen Gesprächen unter vier Augen, mit Verwandtenbesuchen, mit Gerüchten über sie beide.

      Von einer unter solchen Voraussetzungen geschlossenen Ehe war nichts Gutes zu erwarten, es sei denn, man einigte sich darauf, eine bloße Standesehe in getrennten Schlössern und mit eigenen Kreisen und Beziehungen zu führen, sich einmal im Jahr offiziell zu besuchen und den Verkehr auf den Austausch von Geschäftsbriefen, und der leider notwendigen gelegentlichen Zeugung eines Thronerben zu beschränken. Dass der Prinz von Preußen nicht ganz unglücklich war, ist freilich auch zu konstatieren. Es lag in seinem Wesen, laufen zu lassen, was er nicht beherrschen konnte, und sich den Entscheidungen oder den Befehlen anderer zu fügen. Da nun aber wirklich alle Hindernisse beseitigt waren, konnte auch ein wenig geheiratet werden.

       HOCHZEIT UND FACKELTANZ, RITTER UND SONSTIGES.

       Weimar, Mai 1829

       Mama will, dass der Hochzeitstermin aufgeschoben wird; aber ich denke, dass sie die Lage nicht so übersieht, wie ich, und schließlich ist es auch meine Ehe und nicht die ihre. W. gilt ihr als kalt, da sie ihn näher kennengelernt hat. Jedenfalls wird nie anders sein, als er heute ist. Nichts als ob seine Handlungen für uns alle klarer werden könnten, er zögerte, solange er noch auf etwas Besseres als ich es bin, gehofft hat. Aber er benimmt sich höflich und achtungsvoll, nur, Mama vermißt etwas wie Liebeswerben von Seiten W. Es verletzt sie plötzlich tiefer, als mich, wenn er herumschwadroniert und die Ehe, die er mit mir doch eingehen will, beinahe als Fehlschlag bezeichnet. So wenig er sich bisher geöffnet hat, so viel habe ich schon gegen seinen Willen über ihn erfahren. Geredet hat er wohl, über sich, über seine Gefühle zur E., doch mußte (und sollte) ich selber spüren, was er empfindet. Ist er ist lenkbar? Das genügte. Nur, von wem läßt er sich lenken? Schlimm wäre, was ich beinahe voraussehe, dass W. sich bald von diesem, bald von anderen bevormunden läßt. Könnte es denn sein, dass Mama den Plan, uns zu verheiraten, fallen läßt? Das wohl nicht, sie müßte einen Skandal befürchten, der Zar könnte Einspruch erheben. Und Mama fürchtet dieses unbegreifliche Rußland, ihr Geburts- und Heimatland. Damals, als russische Soldaten hier waren, redete sie mit mir zum ersten Mal über ihre Erlebnisse und Vorstellungen. Ich bin, das aber steht fest, eine wichtige, eine bedeutende Person geworden, vielmehr soll meine Bedeutung erst mit dieser Ehe wachsen.

       Gestern bin ich beim Geheimrat gewesen, wir sprachen über seine Sammlungen, über meine Bilder. Am liebsten würde ich diesen bewundernswürdigen Greis mit mir nehmen, als ein Stück meines Weimar. Er lachte. >Wissen Sie denn nicht, dass ich mit diesem Berliner Hundezeug einmal meine liebe Not hatte? Der Name Nicolai sagt Ihnen wohl nichts mehr? Er schrieb einmal einen so genanten Anti-Werther gegen mich, ein elendes Machwerk; wir, das heißt, Schiller und ich, haben es ihm freilich auch besorgt. Ich höre, dass er noch lebt? Oder nicht? Gleichviel; er und seinesgleichen gelten dort oben an der Spree als das Non plus Ultra dessen, was sie Aufklärung nennen, und was nichts anderes ist, als die dumme Umkehrung ihres Aberglaubens ins Reale. Damit werden Sie es also zu tun kriegen. Mit ihrem Friedrich, dem Großen hatten die Leute da oben einmal einen Herostraten auf dem Thron, einen wahrhaft weisen Monarchen. Nun, ich schmeichle mir, dies früh erkannt zu haben. Der hatte sie, die wirkliche Aufklärung, dem galt das Religiöse als Angelegenheit der Person. Erinnern Sie sich, Prinzessin, an den Fall des Professor Fichte, hiesig in Jena? Nein, warten Sie, da sind Sie noch auf der Welt gewesen, der Fichte hatte auch so etwas wie die echte Religion, was auch immer das sein mag. Ich fürchte allerdings, Sie und ich, wir passen beide nicht recht in das Schema der Herrschaften von Rom bis Halle. Sie werden es nicht leicht haben, an diesem Hof. Halten Sie sich Humboldt, Prinzessin, der hat auch Religion, und vor allem hat er Naturgeschichte intus, soll denen da oben einst ein bißchen bessere Pädagogik beizubringen versucht haben, vergeblich. In diesem trockenen Sand faßt kein besseres Kraut. Na, aber es sollen, wie ich höre, eine paar tüchtige Leute jetzt dort lehren. Ich könnte Sie ein wenig begleiten, mein Kind, vielleicht würden wir gemeinsam...<, er lachte wieder, wischte alles aus und nickte mir zu.

       Gewiß ist daran nicht zu denken. Mir ist aber doch, als täte ich besser, ihm von meinen Sympathien für die Jungen, die meine Generation sind (und die ich versteh)e, zu schweigen. Aber vor dem Alten ist nichts ganz zu verbergen; er warf einen Blick auf meine Skizzen mittelalterlicher Schloßruinen und bemerkte trocken, man schule sich besser an der Natur der Dinge, als sich selbst zum Gegenstand des Alls zu machen. >Sehen Sie, was auf der Heide, die ich eben als trockenen Sand bezeichnet habe, noch wuchert, diese Unnatur, dieses aus zweiter Hand leben. Was soll das mit dem Kult des Mittelalters? Habt ihr Jungen denn dieses Zeitalter verstanden und nicht bloß auf ein paar Kostüme heruntergebracht, ein wenig Blech und eine Menge Weihrauch? Nutzt uns das, die wir in allem aufholen müssen, nach rückwärts zu starren und Heil zu erwarten? Nun, ich weiß schon, ihr haltet uns für veraltet, für verkalkt. Hüten Sie sich, Prinzessin, vor dem Spiel mit der Form! < Habe mich beeilt,