Helmut H. Schulz

Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I.


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irgendwie stößt die Bemerkung Wilhelms zum Verhalten seiner Frau auf ein weiter gehendes Problem. Widerspruch war bereits Majestätsbeleidigung, und da es Gebiete gab, in denen das Machtverhältnis wirkungslos blieb, hielt sich der Inhaber der Befehlsgewalt aus der bürgerlichen Debatte besser heraus, in der er nicht bestehen konnte. Augusta hingegen liebte den belebenden Dialog auch im Streit; in ihren Vorstellungen büßte sie nichts an dem ihr zukommenden Respekt ein, wenn sie im Gespräch korrigiert wurde. Eigenartig, diese Frau, deren persönlicher Hochmut tief verletzen konnte, bewegte sich mit anderen, unter anderen mühelos in diesem Streitelement.

      Oft wird Preußentum eo ipso als bildungsfeindlich bezeichnet; das stimmt keineswegs generell. Viel eher zeigt sich der Machtbegriff unverhüllt in der Standesgrenze. Bezeichnenderweise sollte Wilhelm Jahre später dem Präsidenten der verfassunggebenden Nationalversammlung daran erinnern, dass er, Wilhelm, vor allem ein deutscher Fürst sei, dem an der Krone aus den Händen des Volkes, also gewählter Deputierter nicht das mindeste läge. Selbst die Kaiserproklamation hätte an diesem Denken scheitern können, weil Wilhelm nicht als Kaiser von Deutschland gekrönt werden wollte. Dazwischen lag noch eine Handlung, die seiner Selbstkrönung; ein Akt, der alle auf das höchste befremdete. Wir werden den Fall noch zu sehen bekommen.

      War Augusta allen Themen und Personen offen, so kam es ihm bei einem Gespräch vor allem auf die gesellschaftliche Kompetenz an, die durch Stand oder Geburt festgelegt wurde. Er maß den Gesprächspartner immer an seinem Rang, auch wenn er einen notorischen Blödian vor sich hatte; sie hingegen maß jedermann an seinen natürlichen Gaben. Deshalb liest man, er sei ein männlicher Charakter gewesen; das war er, ein schreiender Gegensatz zu seiner lebhaften, beweglicheren Gattin, aber eine femme d’esprit , die Frau vom Geist eines bürgerlichen Salons, durfte eine verheiratete, zumal mit einem Preußen verheiratete Fürstin seiner Ansicht nach nicht sein oder bloß sein wollen, ohne sich was zu vergeben. Sie suchte gesellschaftliche Nähe, er duldete sie; sie ordnete nach Verdienst ein, er nach Geburt, und er mag sie oft genug in diesem Sinne gerügt haben, ritterlich zwar, denn das war er ebenfalls, aber an dieser Art Ritterlichkeit lag ihr bedeutend weniger, als er auch nur ahnte.

      Mancherlei Gerücht kursierte auch über Augusta, und jeder Nachrede hat Wilhelm zeitlebens eine große Bedeutung beigelegt. Überdies stritt sich die junge Augusta auch öffentlich mit ihrem General, wenn sie anderer Meinung war als er, was Wilhelm für vollkommen unzulässig hielt. Eine Jakobinerin, als welche die junge Fürstin in Berliner Hofkreisen galt, war sie natürlich nicht. Jakobinertum dachte sich Wilhelm immer nahe beim Königsmord liegend, aber die Zeit der Herrschaft eines Robespierre und des Revolutionstribunals, die Zeit, in der ein Theoretiker der befreiten Welt bei den Abendsitzungen des Jakobinerklubs seine Reden und vorgeschlagenen Maßnahmen zu testen pflegte, so dass der Klub eines der wichtigsten Machtorgane der Republik geworden war, diese Zeit lag noch keine vierzig Jahre zurück und war in frischer Erinnerung. Der Liberalismus Augustas war nicht Mode und Erziehung. Es erwies sich, dass ihre Grundsätze für die Bildung junger Fürsten noch durchaus auf den in Weimar eingesogenen Vorstellungen beruhten. Bei der Geburt ihres ersten Kindes hatte Goethe, inzwischen hochbetagt, die freundlichste Gratulation geschickt, mitempfindend und im frohen Behagen, wie er schrieb. Sie war also nicht vergessen; auf dieser deutschen Erde lebte noch einer, der sie verstand und mit ihr zu fühlen wusste. Bismarck hat diesen Sachverhalt später scharfsinnig genug erkannt; er führte alle Schwierigkeiten mit der Königin und Kaiserin auf ihre Weimarische Bildung zurück. Von der er selbst wenig hielt, versteht sich. Das Billett des Geheimrates konnte für Augusta in der Tat nur Mahnung sein, sich der Erziehung des Sohnes, der Erfüllung von auferlegten oder selbst gestellten Pflichten nicht billig zu entschlagen, nur weil man hier in Preußen anders über den Wert des Menschentum dachte. Wilhelm verursachte allein schon das Gerücht, seine Frau neige zum Jakobinertum eine Gänsehaut; nicht zu übersehen ist, dass ihr Einfluss auf den langsam denkenden Wilhelm, mit seinem starren Bild von Pflichtauffassung und Standesdenken, in den ersten Jahren ihrer Ehe schwankend war. Die Ehekrisis sollte schneller eintreten, als sie erwartete. Dazu trugen die schwieriger werdenden äußeren Umstände nicht wenig bei, auch die kleinen und kleinlichen, da Augusta mehr Geld für ihre eigene Hofhaltung zu fordern begann, als vordem. Noch war Wilhelm bloß General, noch war er abhängig von seinem obersten Dienstherren und Vater, der seine Wünsche nach wie vor schriftlich in Befehlsform an den Sohn weitergab. Augusta aber hat in diesen Jahren nicht nur begonnen, nach einem eigenen Lebensstil zu suchen, sie tat auch ohne Zweifel einen Blick in das Leben ihres Herren Gemahls. Noch hatte sie nicht aufgegeben. Man reiste, um sich zu ergötzen. Und nicht ganz ohne bestimmtere Absichten. Der Vorfall liegt zurück, vor dem Hausbau und der Geburt des jungen Friedrich Wilhelm.

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