Helmut H. Schulz

Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I.


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aber es ist, wie gesagt, nichts weiter als a matter of taste, derartiges zu mögen. Heute ist es im Übrigen nicht mal mehr eine Geschmackssache, sondern bloß ein Problem geplagter Denkmalsschützer, da selbst der misslungenste Kasten noch immer herrlich ist gegenüber dem Modearchitekten mit dem Manhattankomplex. In Babelsberg sollten übrigens alle Familienszenen spielen, auch die mittlerweile klassisch gewordene - zitatenklassisch - zwischen abdankungsbereitem Wilhelm I. und seinem Kanzler in spé Bismarck. Es ging um die Behandlung des Landtages, sprich des Parlamentes, oder vielmehr dessen Entmachtung.

      Während der langen, Bauzeit wohnte das Paar entweder im Berliner Schloss, was den Vorteil hatte, dass man zu Fuß die Baustelle erreichen konnte, oder in Potsdam, im Neuen Palais, dort wurde auch das erste Kind des Paares geboren, freilich noch vor Beginn des Abrisses und ewig langen Neubaus.

      Es soll, wie wir lesen, eine schwere Geburt gewesen sein, dreißig Stunden lang hat die Wöchnerin in Wehen gelegen, bis sie am 18. Oktober 1831, mit zwanzig Jahren, einen weiteren Friedrich Wilhelm zur Welt brachte. Letzterer interessiert uns hier vorgreifend aus zwei Gründen; erstens weil es damals schon denkbar war, dass Augusta mit diesem jungen Menschen einen Kron- und Thronfolger geboren hatte, denn der eigentliche Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere vierte, war kinderlos, und würde nach menschlichem Ermessen auch nicht mehr Vater werden. Zweitens aber ist der Sohn der Augusta, dieser Friedrich Wilhelm, der Gatte einer Victoria geworden, die mit ihrer Schwiegermutter Augusta eine permanente Fronde gegen die Preußen bildete.

      Seit zwei Jahren war Augusta nun mit dem Preußen Wilhelm ehelich verbunden, gemeinschaftlich waren sie darangegangen, zwei Häuser zu bauen, für den eventuellen Thronfolger wurde noch ein drittes aufgelegt, weil eben immer alles zu klein geriet. Es zeichnete sich das Problem ihrer Ehe ab: Zu mehr, als zu einem freundschaftlichem Händedruck, zu einem dynastisch-solidarischem Nebeneinander würde man es kaum noch bringen. Augusta war liberal, oder sie galt als Liberale, was vielleicht anders zu bewerten ist, mehr in idealem als realem Sinne, wie Franz Herre meint, der ein kenntnisreiches Buch zwar nicht über Augusta, aber über ihren Gatten und späteren Kaiser geschrieben hat, wobei Augusta hin und wieder vorkommen muss. Seine Bemerkung trifft es indessen ganz gut; liberal sein, galt als modern und aufgeschlossen, wie im Zeitalter davor die religiöse Skepsis, liberal schien dem Stand der aufklärerischen Entwicklung angemessen. Noch immer lag über alle europäischen Monarchien wie ein drohender Schatten die Hand der Revolution, ausgenommen einer, der englischen, deren Königtum paradoxerweise unter dem Schutz einer Revolution stand, welche lange zurücklag und der Dynastie Beschränkung wie Dauer gesichert hatte. Wilhelm hasste die Franzosen, und nicht nur die revolutionären; gab es einen Erbfeind der Deutschen, dann trugen sie französisches Antlitz, aber er stand auch dem englischen System skeptisch gegenüber. Verstanden hat er sicherlich beide nicht, weder die Franzmänner, noch die Briten. Augusta bewunderte alles was englisch war. In den wenigen Jahren ihres Aufenthaltes in Preußen hatte sie sich den Ruf erworben, nicht nur eine Liberale zu sein, sondern eine ausgesprochene Jakobinerin. Es mag die berlinische Eigenart zu gehässiger Abstraktion, mit der allem auf den Grund gegangen wird, auch auf den Hof abgefärbt haben. Hier wurde das Schand- und Schimpfwort Jakobiner hinter vorgehaltener Hand über die Prinzessin weitergegeben. Augusta war zu gescheit, um sich gegen eine dermaßen blödsinnige Verleumdung energisch und öffentlich zur Wehr zu setzen. Allein aus der hinter dem Blödsinn steckenden diffamierenden Absicht ergab sich für das Paar ein dauernder Konfliktstoff. Wilhelm hielt seiner Frau vor, sie selber habe sich mit ihrem Rede- und Austauschbedürfnis den Schaden zuzuschreiben, wollte sie hier leben, müsse sie eben Rückhalt bei der Familie suchen. Zu dieser aber waren die Beziehungen lose und kühl, auf Förmlichkeiten bei den befohlenen Empfängen und Staatsaffären reduziert. In dem offenen Halbkreis mit dem König in der Mitte, bei offizieller Hoftafel, bei Jagden und auf gemeinsamen Reisen entstand kaum Nähe, was auch Schuld dieser Prinzessin war, die sich auf ihre persönlichen Eigenschaften zu viel einbildete, und zu vornehm war, um sich auf den Boden der märkischen Sandbüchse, wie deren erdhafte Ritterschaft, zu stellen. Zudem, ihr konnte nicht entgehen, dass sich Wilhelm einer ihrer Hofdamen - besonders groß war der Prinzenhof zu der Zeit nicht - genähert hatte. Augusta schätzte seine Diskretion, sie war fast modern in ihren Moralauffassungen, da sie wusste, wie viel sie hoffen und von ihrem Gatten erwarten durfte, der sich immerhin über die Vaterschaft gefreut hatte, aber merklich zurückhaltend wurde, wo sie als Frau etwas hätte fordern können. Die Gräfin Oriola, Augustas Hofdame, hatte sicherlich mehr von Wilhelm als seine Gattin, indessen änderte die Prinzessin ihr Verhalten gegenüber der Oriola nicht; sie tat weiter unangefochten Dienst bei Augusta. Man schrieb ihr nach wie vor von den stattlichen Nachkommen ihres Herren Gemahls, sämtlich illegitimer Art, diese sollten schon wegen der Familienähnlichkeit mit Wilhelm auffallen. Er tat wenig für diese Bastarde, und wenn, dann höchst unauffällig, keine erfundenen Titel, keine wirkliche Favoritinnen unter seinen Geliebten. Darin unterschied er sich von seinem Großvater, dem alten Liederjan. Übrigens hätte Augusta auch kaum eine Möglichkeit gehabt, dem Kater Wilhelm die fürstliche Schelle umzuhängen, wollte sie nicht zugleich die schlafenden Hunde, alle ihre zahlreichen Feinde wecken und auf ihre Schande aufmerksam machen.

      Was sie nicht nur beibehielt, sondern nach ihren Wünschen ausbaute, waren die lockeren Gesellschaften. Selbstredend lud sie nicht, sie wählte die besondere Art Einladung halber Liebenswürdigkeit und ganzen Anspruchs. In der Bonbonniere, einem Zimmer des Hauses, pflegte sie bis in ihr hohes Alter hinein, auf immer die gleiche Art und Weise ihre Teegesellschaften zu geben. Es kamen natürlich der Professor Curtius und Hoffmann, ein Chemiker, also immerhin Bürgerliche, nicht Hoffähige. Gereicht wurde Tee, Früchte, Eis. Die Prinzessin führte das Wort, ganz im Bewusstsein ihrer geistigen Gaben, einer bestimmten Überlegenheit, die auch vor Fachfragen nicht anhielt. Manchmal zeigte ihr Gesicht schon die gespannte Aufmerksamkeit der späteren Kaiserin, die zuhörte, auf dem Sprung, ihren Spruch loszuwerden, einzugreifen, sich Geltung zu verschaffen. Und die anderen, die Herrschaften ihres Hofes, der Graf Perponcher, Albedyll, Herr von der Goltz, die Flügeladjutanten, zu deren ureigensten Aufgaben stets gesellschaftliche Verpflichtungen gehört hatten. Aber die Situation ihrer Ehe war verändert; trat Wilhelm jetzt herein, dann empfand ihn Augusta als einen Feind oder Fremdkörper. Sie war verletzt, und konnte sich nicht von dem inneren Druck befreien, der anwuchs, wie sie wohl fühlte. Noch zwang sie sich zur Liebenswürdigkeit, der sie fähig war, wenn sie es wollte. Sie ließ ihren Geist glänzen, spielte sich auf den bewunderten Mittelpunkt herauf, sich der Schwäche ihrer Rolle genau bewusst. Was sie kaum geahnt hat, ist die Wirkung, die ihre Glanzrolle auf ihn inzwischen hatte.

      Schon im ersten Ehejahr hatte Wilhelm, dem es nicht etwa an Verständnis für die Geistesgaben und den scharfen Verstand seiner Frau fehlte, Augusta ersucht, sich nicht zu tief in Diskussionen einzulassen, die seiner Ansicht über ihre Sachkenntnisse hinausgingen. Er pflegte vor allem den Altersunterschied herauszustellen. Was er selber aus Standesbewusstsein für sein Recht gehalten hätte, einem älteren Professor einfach ins Wort zu fallen, das wollte er bei seiner Frau nicht dulden. Man hat sich hierzu eine Runde hoch gelehrter Geister und tief talentierter Künstler vorzustellen, alles, was die eigentlich neue Gesellschaft Berlins oder Preußens ausmachte, um über Politik, Philosophie, Technik und Kunst zu debattieren. Die Lebhaftigkeit seiner jungen Frau ärgerte ihn, sie griff ihm zu oft als Gleiche unter Gleichen ein, stritt sich mit Fachleuten, wie Wilhelm die Sache ansah. Eine Fürstin sollte an ihrem Stand genug haben, und anderen die Kärrnerarbeit des Geistes überlassen; eine Prinzessin musste nicht auch nur annähernd Bescheid über irgendetwas wissen, zumindest aber ihre Vorstellungen nicht mit all und jedem auf eine Ebene auszutauschen suchen. Diese Haltung ging nicht allein auf eine seiner Schrullen zurück; sie gehörte zum Standesdenken; es hatte sich die Fürstin dem Fürsten unterzuordnen, nicht aber mit ihm zu messen, und er spürte genau, welche Nachricht sie ihm mit der Feststellung ihrer geistigen Überlegenheit zukommen lassen wollte. Wilhelm räumte vor anderen auch ein, dass sich seine Frau mit scharfer Urteilskraft und gereiftem Verstand wohl in die anstehenden Streitereien mischen konnte. Was ihm daran nicht gefiel, liegt nicht einmal bloß auf dem Gebiet seiner schwer zu ergründenden Eitelkeiten. Sein erzener Standesbegriff hinderte ihn daran, den Gesprächen einfach aufgeschlossen zu folgen, Argumente gegeneinander abzuwägen, und für sich selbst Gewinn aus einem tieferen Gespräch zu ziehen. Wäre die Befehlsebene ganz praktisch zu Gunsten einer menschlich freien Gesellschaft aufgehoben worden, und eine Meinung, auch eine völlig richtige und zutreffende,