Helmut H. Schulz

Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I.


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Geld von einer Bank zu leihen. Sein verblichener Verwandter, der Prinz Louis Ferdinand, hatte allerdings so unbarmherzig hohe Schulden gemacht, dass die Verwandtschaft schier außer sich geriet, ihn aus Berlin entfernte und ihn finanziell unter Kuratel stellte. Das half wenig. Wäre er nicht gefallen, 1806 bei Saalfeld zum ewigen Ruhm preußischer Waffen und des Klavierspielens, würde man ihn bloß für einen Schuldenmacher und Liederjan halten. An dergleichen war bei Wilhelm aber nicht zu denken. Augusta hatte ebenfalls keinen Zuschuss von zu Hause zu erhoffen, während jeder Student seinen monatlichen Wechsel vom Herrn Papa überwiesen bekam, mit dem er sein Schulden in der Friedrichstraße, im Café Bauer und den Bordells der Jägerstraße vom Vormonat zu decken pflegte. Wilhelm konnte über Einnahmen in Höhe von runden 88 Tsd. Talern verfügen, damit war sowohl das gewöhnliche Leben zu finanzieren, als auch die Kosten für die Repräsentation aus seinen beiden hohen Kommandostellen. Ein Palais konnte davon keinesfalls erübrigt werden. Daher drängte die Prinzessin weiter, sich Geld vom König geben zu lassen. Wilhelm beschrieb seinem Vater ihre schwierige pekuniäre Lage, und bat dringend um Geld für den Umbau. Zunächst lehnte der König den Finanzierungsantrag rundweg ab, nach allerlei Bittgesuchen und aufgeregten Verhandlungen mit Sohn und Schwiegertochter genehmigte er den Bau schließlich doch, strich aber die Baukosten auf 300 Tsd. Thaler zusammen, als ob die übrigen beantragten 40 Tsd. den Bankrott bedeutet hätten. Zwar war es ein Sieg Augustas über die preußische Knauserigkeit, aber es war ein Pyrrhussieg, denn der Kostenvoranschlag hätte auch dann nicht gestimmt, wäre die volle Summe bewilligt worden und nicht zugleich ein Schlossneubau geplant worden. Endlich aber fand die Prinzessin ein ihr gemäßes Betätigungsfeld, und sie warf sich mit Eifer auf die Details.

      An sich fehlte es den Hohenzollern nicht an Behausungen. Vom Berliner Schloss abgesehen, verfügten sie in Potsdam über genügend Häuser. Zwar wurde Sanssouci nie übertroffen, aber nach den Befreiungskriegen wurde weiter gebaut. Die Sparsamkeit Friedrich Wilhelms III. schlägt sich deutlich bei dem Ankauf und Ausbau des Hauses Paretz nieder. Die Innenausstattung des Hauses war reinster Klassizismus, und nach dem Tode seiner Frau Luise, beließ der König in Paretz alles wie es war. Nur gewohnt hat dort niemand mehr. Augusta, die ziemlich genau wusste, was sie bauen wollte, hätte Paretz im Übrigen als zu klein empfunden. Das Schlösschen auf der Pfaueninsel ist überhaupt nur als Sommerhaus zu bezeichnen, dort lebte man sich zur Lust und anderen zur Last. Mit den Jahren 1824 und 1825 genehmigte Friedrich Wilhelm III. seinen Herren Söhnen eigene Lustbauten, das Schloss in Alt-Glienicke mit der Pergola wurde für den Prinzen Karl etwa dort gebaut, wo heutzutage rund 800 Berliner jeweils am Sonntagnachmittag ihre Autos abzustellen gedenken, um durch den Park zu wandeln. Für den ältesten Sohn des Königs und Schwager Augustas war ein kleines Landhaus oder eben Schloss im Park von Sanssouci gebaut worden, Charlottenhof, nämlich 1826 begonnen. Und dem Staat war mit Karl Friedrich Schinkel ein besonders talentierter und stilsicherer Baumeister erwachsen, der den verschrobenen Vorstellungen seiner Auftraggeber ein wenig Form zu geben wusste. Ach, leider war auch die junge Preußenprinzessin Augusta von dem neuen Geist angesteckt, wie wir noch sehen werden. In Europa war man nicht nur europäischer geworden, sondern auch orientalischer, das schlug sich in den Einrichtungen der Häuser nieder, etwa im so genanten Zelt Schloss Charlottenhofs. Inzwischen freilich verfügten die Prinzen von Preußen über ansehnliche Stadtpalais; wiederum Schinkel musste das Haus in der späteren Prinz-Albrecht-Straße für eben jenen Prinzen 1830 umbauen, nach welchem das Palais seinen Namen bekam, ein ziemlich repräsentatives Stadtschloss immerhin. Augusta kannte die Behausungen ihren sparsamen Verwandten recht gut, und sie bestand also mit einigem Recht darauf, in der Haushaltführung mit den übrigen Prinzen zumindest gleichgestellt zu werden. Das Kavaliershaus in Potsdam war schließlich nichts anderes als eine Kate, verglichen mit den Häusern ihrer Schwäger.

      Schinkel wurde für den Umbau des Schwedter Palais gewonnen, aber das Interieur, die Möbel, die Parkettfußböden wollte Augusta selber entwerfen, kurz, es sollte ein Bauwerk entstehen, das ihre Hand, ihren Geschmack und ihre Bedürfnisse verriet, ein schönes kleines Stadtpalais. Mit dem Bau verband Augusta Pläne für ein eigenes gesellschaftliches Leben. Hier sollten nach Weimarer Vorbild Theaterstücke aufgeführt und Konzerte gegeben, eine ganz neue Periode preußisch-deutscher Kultur in Berlin eröffnet werden, eine Brücke nach Weimar. Ganz so schnell, wie sie es sich gewünscht hat, gingen Abriss und Neubau indessen nicht voran. Karl Ferdinand Langhans, ein Sohn des Langhans, dem wir das Brandenburger Tor verdanken, übernahm die Oberbauleitung, aber erst 1834 konnte überhaupt mit dem Abriss, ein Jahr später mit dem Neubau begonnen werden. Weshalb, das ist heute nur noch schwer ersichtlich. Inzwischen war viel Wasser die Spree, Dahme und Havel hinunter geflossen, Reisen wurden gemacht, ein Sohn geboren. Endlich aber, 1837, stand das Haus Unter dem Linden Numero 9. Das Paar sollte es ein Leben lang bewohnen, eines seiner Eckfenster zum Schaufenster Preußens und zur Legende werden. Augustas Räume lagen im Obergeschoss, Wilhelm residierte unten. War dieses Unternehmen dank Augustas Energie, die sie auf ihren Gatten und General zu übertragen gewusst hatte, glücklich zu Ende gebracht worden, so steht man im Falle eines anderen Bauwerkes eher ratlos da. Parallel zu dem Prinzenpalais Unter den Linden , das nebenbei gesagt, nicht in einem Zuge schlüsselfertig übergeben werden konnte, wurde nämlich zu Babelsberg bei Potsdam ein so genannter Landsitz gebaut. An diesem Schloss bastelten Augusta und Wilhelm zwischen 1834 und 1835 gemeinschaftlich und mit besonderer Liebe herum. Landschaftlich liegt das Haus allerdings trefflich, wie alles, was damals im Weichbild Berlins entstanden ist. Wir Heutigen müssten eigentlich erstaunt fragen, weshalb dieses sichere Gefühl der alten Meister für die Bebauung landschaftlicher Räume ganz verloren gegangen ist. Immer verstanden sie es, Landschaft und Bauwerk miteinander harmonisch zu verschmelzen. Es entdeckt, wer sich Zeit dazu nimmt, überraschende Aussichten, herrliche Blickschneisen auf Seen und Flüsse, auf entfernter liegende höhere Punkte, Türme, Kirchen, Brücken. Für dieses Schloss hatte sich Augusta als Vorbild ein englisches Landhaus gewählt, in der Art der Tudorzeit. Es gelang dem Baumeister Schinkel nicht, ihr diese Schrulle auszureden, die seinem Stilgefühl auf das höchste widersprach. So ist das Beste daran heute der Park. Und es war auch aufgeboten worden, was die Landschaftsgestalter zu bieten hatten. Lenné, auf den man in dieser Gegend auf Schritt und Tritt stößt, machte anscheinend nichts anderes, als dem märkischem Adel Bäume und Gebüsch anzupflanzen. Sanft geschwungene grüne Rasenflächen, nicht zu verwechseln mit dem heutigen Moderasen nach dem Vorbild des Rasens englischer Golfplätze, werden durch Baumgruppen belebt, jedermann kann sich stundenlang in diesen unauffällig geordneten Räumen aufhalten und Ruhe finden. Übrigens hat sich auch Pückler an diesem Park erfolgreich versucht. Was vom Park, das kann von Schloss Babelsberg nicht ebenso gesagt werden kann. Wer nun allerdings ein Liebhaber solch merkwürdiger Gotik ist, der mag auf seine Kosten kommen.

      Dieses Gebäude steht oder stand auf 270 Morgen Erbpacht, Erbpacht von wem? Jedenfalls besaß die Krone offenbar kein Eigentum an Grund und Boden. Lenné machte den Prinzen beizeiten auf die Lage aufmerksam; die Havelseen, Moorlake, oder Glienicker Lake und Tiefer See umgrenzen den späteren Park. Jedenfalls durften beide, Augusta und Wilhelm, sich als Architekten versuchen, und das taten sie auch, da sie auf den stilzuverlässigen Schinkel nicht hören wollte. Besonders Augusta ließ sich die Entwürfe englischer und neogotischer Schlossumbauten kommen, um zu studieren, was man alles unsinnig falsch machen kann. Wilhelm nannte das Ding zunächst sein Cottage, also Landhaus, indessen hatte der Oberbaumeister Preußens ein ziemlich geläufiges Schloss unter der Reißfeder, das sich alsbald für die Bedürfnisse Augustas als zu klein erweisen sollte. Da mal wieder Geldmangel herrschte, konnte fürs erste der Bau nur bis zum fertigen Oktogonturm ausgeführt werden. Und dieser hat es in sich; in den achteckigen Turm- und Arbeitszimmer zog sich Wilhelm zurück, um seinen Herrschaftsbereich optisch zu genießen. Hier las er die Berliner Gazetten, bloß um zu erfahren, dass jeden Tag Revolution ist oder sein konnte, falls nicht die Armee bereit stand, die Jakobiner zu Paaren zu treiben. Jedenfalls aber hatte der General von Schloss Babelsberg aus vor Augen, oder wenigstens in unmittelbarer Nähe was preußisch-brandenburgisch ist, Potsdam mit dem Marmorpalais, die Front des Hauses auf der Pfaueninsel an Havel und Moorlake, die Sacrower Kirche. Übrigens hatten beide Gatten, die sich in dieser Zeit des gemeinsamen Bauens offenbar ganz gut verstanden, das ihnen angebotenen Marmorpalais glatt abgelehnt; Wilhelm meinte, das Schloss sei zu groß, zu repräsentativ, aber eher steckte die Vorstellung Augustas hinter dem Verzicht, sich eine eigene Bleibe zu schaffen. Ganz frei von der Vorliebe für die waffenklirrende Neugotik ihres Gatten, von dem nachgeahmten