Natascha Rubia

Der EIndringling


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und versuchte mit diesen kurzen Anekdoten meine Position auszuweiten.

      „Immer in den Musikverein?“

      „Nein, auch in Jazz-Konzerte.“

      „Jazz, in Wien? Gibt es das? Ich war früher in München viel in Jazz-Konzerten aber in Wien noch nie.“

      Inzwischen waren wir schon in der Margaretenstrasse angelangt und bikende Studenten zischten auf beiden Seiten an uns vorbei.

      „Welche Richtung gehen Sie?“

      „Immer gerade bis zur Pilgramgasse.“

      Ich kramte in meiner prall gefüllten, blauen Baumwoll-Umhängetasche. Blau mit gelb-orange aufgenähten Streifen, die ich immer bei mir trug. Das Bienen-Muster war eine Warnung an die Welt, sich nicht an mir zu vergiften. Mein ständiger Begleiter war immer vollgestopft mit allerhand nützlichen und unnützen Dingen, Büchern und Heften, wie jetzt der Konzertkalender vom Wiener Jazzclub Porgy & Bess. Immer ärgerte ich mich über das Gewicht, jetzt war ich froh, den Katalog griffbereit zu finden.

      „Schauen wir mal, vielleicht spielen sie diese Woche etwas Interessantes.“

      Wir blieben kurz stehen an der Strassenkreuzung des alten, mit schönen Herrschaftshäusern, Holzgiebeln und Balkönchen geschmückten Margaretenplatzes.

      Sie war interessiert. Ein neuer Club, eine neue Veranstaltung, damit konnte ich sie locken. Sicher war ihr Leben voll von Abenteuern und Neuigkeiten. Besaß sie nicht eine Eventfirma? Das hatte sie doch vor Wochen erzählt. Natürlich weltweite Events – damit konnte ich nicht punkten. Wieder stieg Neid in mir auf. Die Mißgunst war mein ständiger Begleiter – gleich meinem Rad und meiner Tigertasche.

      Noch immer spürte ich es kühl über dem Kopf, wie jedesmal, wenn sie mir ihre volle Aufmerksamkeit schenkte. Mir war, als klaffte oben auf meinem Scheitel ein Wallnuss-grosses Loch. Diese Sensation wollte ich ganz bestimmt für mich behalten, um mir gegenüber Saskia und ihrer glamourösen Welt keine Blöße zu geben. Zeitlebens war ich nicht unbedingt grosspurig, sondern klein, filigran und verläßlich gewesen. Eine andere Übermacht als die des Vaters, der Ehefrau oder des Schuldirektors kannte ich nicht. Wann immer in mir ein Gefühl von Größe aufstieg, habe ich es als winziges Rad in einer gewaltigen Maschine zu unterdrücken gelernt. Jeder Meter weg von meinen Gewohnheiten, Riten oder Tagesabläufen flößte mir Angst ein. Jetzt war ich stolz auf eine Verbindung, die sich mühelos über meinem Kopf einstellte und mich so hervorhob, mir Grandiosität einflößte, die mir zwar überlegen, aber jetzt ein Teil von mir war.

      Gerne kehrte ich Saskia gegenüber mir bekannte Gefilde, wie das Thema meiner Konzerte heraus. Mit kurzen Bemerkungen musterte ich alle Bands, die diese Woche auftreten sollten. Sie hatte keine Ahnung von österreichischen Musikern, wie konnte sie auch – als Weltfrau. Ich versuchte, deren Namen auszukosten und jede Anekdote zu den auftretenden Ensembles kunstvoll über ihr Wissen und ihre Weisheit zu heben.

      „Freitag, das könnte passen, moderiert von einem Komiker des ORF.“

      „Aha, den kenne ich flüchtig“, musterte sie die Ankündigung. „Vom Namen her.“

      Sie gutierte freiwillig meinen Akt zur Überlegenheit und ergab sich damit meinem oberösterreichischen Kleingeist aus Pasching, einem Vorort vor Linz, in dem ich aufwuchs. “Pasching” klang wie “Pischinger” – auf jeden Fall war man abgepascht, wenn man in Pasching geboren war. Linz war schon nichts als Stahlbau und Sportunion, in Pasching hatte man nichts verloren. Nie hatten mich meine Wege weiter als bis Wien geführt. Höchstens auf mein mickriges Gartenhaus in den Bergen der Steiermark oder auf unsere Ferieninsel Rab, auf der ich mit meiner Familie seit 28 Jahren Urlaub machte. Das war´s. Jetzt erfand ich mich neu: Als Ansager und Organisator ihrer Freizeit.

      „Können wir machen, spontan“, meinte sie freudig, „aber jetz muß ich weiter.

      Falls ich komme, kann ich Dir mehr über den kühlen Hauch erklären“, verabschiedete sie sich rasch und segelte auf ihrem Scooter flink die Pilgramgasse hinunter.

      Ich schaute ihr nach. Lange war ich nicht so gespannt auf eine Verabredung gewesen. Wie im Flug fuhr ich ohne Wind oder Widerstand zum Bacherplatz, wo ich seit der Trennung von meiner Noch-Frau vor drei Jahren wohnte. Meine Tochter hatte mir diese zwei Zimmer Wohnung ausgesucht, um mir den Übergang von der Psychatrie und der kurzen psychologischen Crash-Beratung zurück in ein normales Leben ohne meine heiß geliebte Treuelose zu erleichtern. Das Planquadrat vor meinem Haus war ein Spiel-Park mit Mimosen, den aussen grosse Kastanien umzäunten. Ich dachte an die kommende Blütenpracht mit ihren Bienen über buntem Kindergeschrei der Flüchtlingskinder aus 23 Herren Ländern, die hier täglich in buntem Sprachgemisch mehr Spaß hatten, als der Rest der Stadt zusammen. Ich fuhr mit dem Rad so schnell ich konnte and benommen vor Freude vor die Nummer 13, öffnete die Tür und schob das Fahrrad die Schiene links der Eingangsstiege des reich stuckatierten Zinhauses in den Mezannin hinauf. Mein Fahrzeug liess ich unversperrt vor meiner Wohnungstür Nummer 6 an der Wand stehen. Schon sank ich trunken auf den Schemel hinter dem schmalen Gang an meinem kleinen quadratischen Küchentisch in blaßgrünem Retro-Stil aus den 50er Jahren, öffnete das Fenster in den Nord/West-seitigen, immer schattigen Efeu-bewachsenen Innengarten und war wie gelähmt. In jede meiner Zellen sackerte Opiumtrunk. Sie würde mich sehen! Ich wollte ihr Geheimnis lüften.

      Nach so vielen Jahren der Einsamkeit fühlte ich mich heute nicht mehr allein, sondern in Gesellschaft aller Engel, Elfen und Kobolde der Welt. Unfähig, zu einem Glas zu greifen, noch weniger in der Lage, mir etwas zu Essen zu machen, klebte ich in Trance am Stockerl und blickte verträumt den Vögeln und Insekten hinterher. Lauter, geräuschvoller waren sie, als bisher, als hätten sie vorher nur geschwiegen und als wäre ich erst heute in der Lage, ihre Tonlage mit meinen geschärften Sinnen wahrzunehmen. Wie verzaubert lag der Garten vor meinem Fenster. Nicht dunkel und traurig, meine Einsamkeit folternd, sondern sprechend, einen Schatz haltend, als gelte es, Runensprüche aufzusagen, um damit die Tür in eine neue, verborgene, eklesiastische Welt aufzustoßen. Nach drei tristen Jahren, den Blick fest auf den kommenden Freitag gerichtet, öffnete sich das Seelentor aus meinem eintönigen Dasein. Ich verharrte fassungslos, in meinem Drogenrausch der Sinne eine Stunde völlig bewegungsstarr, bevor ich mich fasste, um im anliegenden Wohnzimmer meinen kargen Alltag in einem neuen, klärenden Licht zu anzugehen.

      Doch zu Hause wollte ich in solch einem befreienden Moment nicht bleiben. So entfloh ich durch den Park in ein türkisches Fast-Food-Restaurant.

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