Walter K. Ludwig

Gaukler


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Nui?“

      „Hm.“

      Schröder grinst

      „Willste noch einen wegstecken?“

      „Wenn du es so formulieren möchtest.“

      * * *

      Nachdem Limbach Silke Schröder mit dem Lambo zu Hause in Eppendorf abgesetzt hat, steuert er ein weiteres Mal die Innenstadt an. Ziel diesmal: Der Neue Wall. Dort jobbt seine derzeitige Teilzeit-Freundin Nui in einer Edelboutique. Teilzeit deswegen, weil sich Limbach ungern festlegt. Allerdings ist Nui seit bald zwei Jahren öfter an seiner Seite zu sehen als andere Frauen. Er selbst bezeichnet sie als Glück seiner späten Jahre. Ob er das ernst meint oder scherzhaft, darüber gehen die Meinungen auseinander. Tatsache ist, dass Nui bisher nicht bei ihm eingezogen ist. Sie ist zweiundzwanzig, kommt aus Thailand und ist wunderschön. Bildhübsches Gesicht, zierliche Gestalt, lange, schwarz glänzende Haare.

      Wie immer, wenn er sie abholt achtet Limbach darauf, dass er mit dem Lambo kurz vor Geschäftsschluss direkt vor der Boutique vorfährt. Nui hat viel Sinn für Prestige und Statussymbole und weiß diese Geste sehr zu schätzen.

      Des Neides und der Bewunderung ihrer Kolleginnen kann sie sich dann jedes Mal sicher sein. Die sind über Porsche- und Mercedes-Fahrer bisher nicht hinausgekommen.

      Nui begrüßt Limbach mit einem Küsschen auf die Wange und nimmt auf dem Beifahrersitz Platz.

      „Wie war dein Tag?“, erkundigt sie sich.

      „Anstrengend. Bin den ganzen Tag nicht rausgekommen und hab' die ganze Zeit geschrieben.“

      „Du Ärmster.“

      Nui setzt eine mitfühlende Miene auf und gibt Limbach zum Trost für sein hartes Los ein weiteres Küsschen.

      „Bist du wenigstens vorangekommen?“

      „Klar. Ich halte jeden Tag eisern mein Pensum ein. Weißt du doch. Und wie war's bei dir?“

      „Wie immer. Frauen mit zu viel Geld und noch mehr Zeit.“

      Limbach überschlägt in Gedanken, wie lange es wohl noch dauern würde, bis er genug Geld zusammen hätte, um Nui eine eigene Boutique kaufen zu können. Er hat null Ahnung von der Branche, aber für n' Appl und n' Ei waren diese Nobel-Schuppen in 1-a-Lage bestimmt nicht zu bekommen. Vermutlich hat SS recht und er sollte sich selbst um die Vermarktung seines Buches kümmern. Sein Verleger ist zu dem Bestseller, wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Ist so einer für Geschäfte im ganz großen Stil der richtige Mann?

      Limbach macht sich manchmal ein wenig Sorgen um seine Freundin. Sie hat keine Ausbildung, keinen Schulabschluss, der in Deutschland anerkannt wird und lebt mehr oder weniger von einem Tag zum anderen. Ganz so, wie er selber jahrelang. Mit dem wesentlichen Unterschied allerdings, dass er immer irgendwelche hochtrabenden Pläne und Ziele hatte. Dabei ist Nui durchaus begabt. Deutsch hat sie in Windeseile gelernt und beherrscht es nun nahezu fließend, Englisch hat sie vorher schon perfekt gesprochen, sie ist enorm wissbegierig und liest alles, was sie in ihre wohlgeformten Finger bekommt.

      Darüber hinaus besitzt sie erstaunliche handwerkliche Fähigkeiten und ist zu allem Überfluss auch noch eine exzellente und begeisterte Köchin. Mittelfristig ist wohl die Gründung einer eigenen Familie Nuis wichtigstes Ziel. Das beunruhigt Limbach ein wenig. Bis es so weit ist, will sie aber noch jede Menge Spaß haben. Das wiederum gefällt Limbach.

      Er lässt kurz den 700-PS-Motor aufheulen, um Nui eine weitere Freude zu machen und fährt los Richtung Pöseldorf. Unterwegs treffen ihn, wie immer, wenn er mit dem Lambo unterwegs ist, jede Menge bewundernde, neidische, aber auch wütende Blicke. Limbach ist es mittlerweile gewohnt und genießt es. Entschädigung für die schlimmen, demütigenden Hungerleider-Jahre. Den Aufkleber „Eure Armut kotzt mich an“ am Lambo anzubringen, hat er sich dann aber doch nicht getraut. Jagger besingt den „Streetfighting Man“ und klagt, dass ein armer Junge eben nicht viel anderes tun könne, als in einer Rock-' n'- Roll-Band zu singen.

      In Limbachs Penthouse in Pöseldorf hüpft Nui schnell unter die Dusche. Limbach wäscht sich die Hände, zieht sich um und fläzt sich auf das überdimensionale Sofa. Mittels Fernbedienung schaltet er das Radio an. Nachrichten. Irgendwo ist ein Flugzeug abgestürzt. Die Bundesregierung hat einen weiteren Militäreinsatz im Ausland beschlossen. Ebenso soll die Entwicklungshilfe für China ein weiteres Jahr verlängert werden. Und an Hamburger Schulen soll ab sofort niemand mehr sitzen bleiben.

      Limbach schaltet auf den CD-Player um. Gregorianische Choräle. Mönche aus Münsterschwarzach loben den Herrn. Diese Art von Musik törnt Nui immer besonders an.

      „Möchtest du was essen, Schatz?“, fragt sie, als sie mit einem Bademantel bekleidet das Wohnzimmer betritt.

      „Danke, hab' vorhin am Hauptbahnhof schnell eine Bratwurst verdrückt. Aber mach' du dir doch was. Müsste noch was im Kühlschrank sein.“

      „Keinen Hunger. Ich esse bloß einen Joghurt. Vielleicht trink ich ein Glas

      Wein dazu“, antwortet sie. Gerne würde sie einen Joint rauchen, was der notorische Drogenfeind Limbach in seiner Wohnung jedoch nicht gestattet.

      Nui verschwindet in der Küche. Limbach fällt ein weiteres Mal auf, dass sie fast nie etwas isst. Sie kommt zurück und lässt, kurz bevor sie das Sofa erreicht, den Bademantel auf den Boden gleiten. Ihre langen Haare trägt sie jetzt offen. Sie glänzen seidig und reichen fast bis zu den Hüften. In etwa so stelle ich mir das Paradies vor, denkt Limbach. Ziemlich genau so. Mit Nui als Engel.

      „Was machst du da?“, fragt sie und kniete sich vor ihn hin.

      „Ich? Nichts.“

      „Lass mich mal.“

      Während Nui ihm viel Freude bereitet, lässt Limbach seinen Blick durch das riesige Panoramafenster und über den umlaufenden Balkon weit über die Außen-Alster schweifen. Segelboote und Schwäne drehen ihre Runden. Die eisern trainierende Mannschaft eines Ruderclubs scheint fest entschlossen, mindestens die nächste Weltmeisterschaft zu gewinnen.

      Die Mönche aus Münsterschwarzach legen sich mächtig ins Zeug und Nui kommt in Fahrt. Limbach auch.

      Spätes Glück. Paradies. Der Herr ist gerecht.

      Limbach empfindet eine große Freiheit.

      2. Emil und die Detektive

       2. Emil und die Detektive

       Oberstaatsanwalt Ernesto Biedermann, Kriminalhauptkommissar Emil Kostner, ein Mobiles Einsatzkommando der Polizei, zwei Hundertschaften der Bereitschaftspolizei, eine Kassiererin, ein halbes Hemd, mehrere Supermarkt-Kunden

      Oberstaatsanwalt Ernesto Biedermann hatte schon mal bessere Tage. Linksautonome, Rechtsradikale – seine Hauptkundschaft – sind kein Problem. Routine eben, wenn man das Dezernat „Politisch motivierte Straftaten“ der Hamburger Staatsanwaltschaft leitet. Auch an Razzien am frühen Morgen hat er sich gewöhnt, in über zwanzig Dienstjahren.

      Aber schwere Geschütze aufzufahren, die ganz große Nummer aufzuziehen, die Kavallerie ausschwärmen zu lassen – und dann nichts als heiße Luft zu ernten, das kann er nicht leiden.

      Biedermann, Ende vierzig, eins neunzig, schlank, weiße Haare, Seitenscheitel wie mit der Axt gezogen, schwarze Brille, dunkler Anzug mit Weste, weißes Hemd, blankpolierte Schuhe – ein Staatsanwalt wie aus dem Bilderbuch – steht an einem alten Lagerschuppen im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Ein Feldherr, der seine Truppen ausschwärmen lässt. Das Mobile Einsatzkommando der Hamburger Polizei. Zwei Hundertschaften der Bereitschaftspolizei. Obendrein, als fliegende Einsatzzentrale, ein Hubschrauber, der über der ganzen Szenerie schwebt.

      „Tut mir leid, mehr war da nicht, Herr Oberstaatsanwalt.“ Der Leiter des MEK.

      Biedermann zeigt keine Regung.

      „Würde