Walter K. Ludwig

Gaukler


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mehr zu klären seien. Wie sehe das denn aus? Die Medien. Das Ausland.

      * * *

      Spezialauftrag für Emil Kostner. Kriminalhauptkommissar Emil Kostner vom Landeskriminalamt Hamburg, Abteilung 7, Staatsschutz. Babynahrung, Pampers, Söckchen, Schnuller, Kinderrassel, Stofftier.

      Er ist vor kurzem Opa geworden. Seine Tochter hat ein gesundes Mädchen zur Welt gebracht. Lea-Sophie. Prächtiges Kind. Ganz die Mama.

      Emil Kostner ist der glücklichste Mann der Welt.

      Jetzt steht er in der Lebensmittelabteilung eines Supermarktes im Hamburger Stadtteil Lurup und ist überfordert. Babynahrung, klar, aber welche Marke? Pampers, welche? Und Söckchen sind sowieso weit und breit nicht zu sehen. Da muss er wohl ein Kinderbekleidungsgeschäft aufsuchen. Aber wo ist eines? Schnuller, Kinderrassel, Stofftier? Das muss hier doch irgendwo aufzutreiben sein, Himmel!

      Dass Frauen immer so unpräzise Angaben machen müssen!

      Seit seiner Scheidung führt Kostner das Leben eines Junggesellen. Allein im Reihenhaus in Lurup. Frau weg, Tochter und Sohn längst aus dem Haus. Aber eigentlich ist er nicht wirklich ein Junggeselle, jedenfalls nicht freiwillig. Er ist ein verhinderter Familienvater.

      Kostner, bulliger Mittfünfziger, Stoppelhaarschnitt, eisgrau, eins fünfundneunzig, ist seit Jahrzehnten bei der Hamburger Polizei. Seit fünfzehn Jahren beim LKA. Seit zehn Jahren in der Abteilung Staatsschutz. Seit fünf Jahren arbeitet er eng mit Oberstaatsanwalt Biedermann zusammen. Hilfsbeamter, oder, wie es offiziell heißt, „Ermittlungsperson“ der Staatsanwaltschaft. Die vorerst letzte Station seiner beruflichen Laufbahn ist ihm die bisher liebste. Er hofft, dass diese Konstellation noch möglichst lange Bestand hat. Biedermann ist nämlich ein Oberstaatsanwalt ganz nach seinem Geschmack. Korrekt vom akkuraten Scheitel bis zur blitzsauberen Sohle. Geradlinig und durch nichts und niemanden von seinem Weg abzubringen. Wirkt manchmal vielleicht ein wenig abgehoben, der Herr Oberstaatsanwalt. Vielleicht sogar ein wenig arrogant. Ist aber bestimmt nicht böse gemeint. Kann er nichts für. Hat wohl mit seiner Herkunft zu tun.

      Man munkelt, dass er aus den allerbesten Kreisen stammt. Traditionsreiche Hanseaten-Dynastie oder sowas.

      „Geld her, oder ich stech‘ dich ab!“

      Wenn der in die Politik ginge, hätte er bestimmt gute Chancen, denkt Kostner manchmal.

      „Na los, wird’s bald, ich mach‘ keinen Spaß, ey!“

      Aber dafür ist er sich wahrscheinlich zu fein, der Herr Oberstaatsanwalt. Das wäre sicher unter seiner Würde.

      „Jetzt mach‘ hin, ey! Ey, ich stech‘ jeden ab, der mir zu nahe kommt!“

      Aufregung an der einzigen geöffneten Kasse. Ein blasses, halbes Hemd, Typ Junkie, fuchtelt mit einem Messer herum. Die Kassiererin zittert vor Angst. Die Schlange an der Kasse erstarrt vor Schreck.

      „Rück‘ den Schotter raus du Schlampe, ich sag‘s nicht noch mal, ey!“

      Dass der Oberstaatsanwalt ihn und seinen Haufen „Emil und die Detektive“ nennt, freut ihn. Es schmeichelt ihm. Bald war der Spitznamen im ganzen LKA und irgendwann sogar im ganzen Polizeipräsidium rum. Nicht jeder Kollege verstand sofort den Sinn. Kostner erklärte es gerne. Immer wieder. „Mensch Leute, ‚Emil und die Detektive‘, das Buch von Erich Kästner!“

      „Darf ich mal.“

      Ruhig und unauffällig, dennoch zielstrebig und zügig bahnt sich der Hauptkommissar seinen Weg Richtung Kasse.

      „Ist das alles, ey? Du verarschst mich, du Schlampe! Da muss doch noch mehr sein.!“

      Ist eben ein feiner, gebildeter Mann der Herr Oberstaatsanwalt. Ein richtiger Herr. Deswegen war es für Kostner auch gar keine Frage, dass sein neuestes Ansinnen, so befremdlich und heikel es auch sein mochte, bei ihm sofort auf offene Ohren stieß. Ging um irgendeinen Schmieranten, um den zurzeit viel Aufhebens gemacht wurde, wegen eines Buches, das der geschrieben hatte.

      „Ich sag‘s dir, wenn du mich verarschst, stech‘ ich dich ab, ey! Und dann mach‘ ich bei denen weiter!“

      Der Junkie wendet sich kurz den Kunden in der Schlange zu und fuchtelt mit dem Messer in ihre Richtung.

      Die Kassiererin zittert vor Angst. Einige Kunden suchen das Weite und zücken, außer Sichtweite, aufgeregt ihre Handys, andere erstarren vor Schreck und bleiben wie angewurzelt stehen.

      „Rück‘ den Schotter raus, Schlampe, ich sag‘s nich‘ nochmal, ey!“

      Seiner Meinung nach hat der Schmierer ‚ne Menge hanebüchenen Unsinn verzapft, den man nicht weiter ernst nehmen müsste, aber der Herr Oberstaatsanwalt meinte, das Ganze sei gar nicht zum Lachen. Diesem Schmierfinken müsse man unbedingt mal auf den Zahn fühlen. Es gehe dabei gar nicht um das, was er geschrieben und gesagt habe. Sondern darum, was er getan habe. Möglicherweise.

      Ermittlungen, natürlich so diskret wie möglich. Streng geheim, genauer gesagt. Offiziell gebe es nämlich gar keine Ermittlungen. Anordnung von oben. Ermittlungen? Welche Ermittlungen?

      Ehrensache für Emil und die Detektive!

      Kostner hat sich weiter vorgearbeitet und steht jetzt fast direkt hinter dem halben Hemd. Der Typ hat sich sämtliche Scheine, die in der Kasse waren, in die Hosentasche gestopft. Aber er will mehr.

      „Jetzt rück‘ deine Brieftasche raus!“, verlangt er von der Kassiererin. Die kommt seiner Aufforderung panisch schlotternd nach. Dabei fällt ihr die Brieftasche aus der Hand.

      Biedermann und Kostner haben kürzlich ein Jubiläum der besonderen Art gefeiert. Insgesamt fünfhundert Jahre Freiheitsentzug konnten sie auf ihrem Konto verbuchen. So was schweißt zusammen.

      „Ey, was soll das, Schlampe? Du verarschst mich! Ich stech‘ dich ab, ich stech‘ alle hier ab!“

      Der Typ ist kurz davor, durchzudrehen.

      Der Hauptkommissar ist fest entschlossen, alles zu tun, damit der Oberstaatsanwalt bald wieder Grund zur Freude haben würde.

      „Jetzt heb‘ endlich diese verfickte Brieftasche auf und rück‘ die Kohle raus, ey!“

      Womöglich hat man tatsächlich bald etwas Konkretes gegen diesen Limbach in der Hand. War eigentlich gar nicht so schwer gewesen. Solide Kriminalistenarbeit eben. Alter Trick: Den schwachen Punkt von jemandem erkennen und dann gezielt dort ansetzen. Und Limbach hatte einen schwachen Punkt. O ja, den hatte er.

      Heulend hebt die Kassiererin ihre Brieftasche auf und reicht sie dem halben Hemd. Ihr Hand zittert dabei, als ob sie Schüttelfrost hätte. Dann macht sie sich nass.

      Allmählich nervt der Typ, denkt Kostner. Zeit die Sache zu beenden. Dann tritt er ihm ohne Vorwarnung in die Kniekehle. Sofort sackt der Typ zusammen. Kostner donnert ihm seine Faust ins Genick und der Möchtegern-Räuber liegt flach auf dem Boden und macht keinen Mucks mehr. Der Hauptkommissar kniet sich auf seinen Rücken und legt ihm die Acht an.

      „Keine Panik, Kriminalpolizei“, sagt er und hält seinen Dienstausweis in die Höhe.“ Und ich hab‘ immer noch keine Söckchen, denkt er.

      3. Porno

       3. Porno

       Stefan Limbach, Peter-Heinrich Wagner, Vivien Hansen, Nui Choonhavan

      Hätte er nur auf seine innere Stimme gehört. Limbach, das ist albern, was

      du da machst, hat sie gesagt. Dann wäre sein Tag nicht schon am frühen Morgen verdorben gewesen.

      Aber er konnte nicht anders.

      Nui hat die Nacht bei ihm verbracht. Limbach hat wenig Schlaf bekommen. Im Dämmerschlaf hat er mitbekommen, wie sie morgens das Bett und die Wohnung verlassen hat, um zur Arbeit zu gehen. Er hat sich nochmal umgedreht und ist gleich wieder eingeschlafen. Hat wirr geträumt. Irgendwas mit einem