Norbert Johannes Prenner

Wir sind Unikate, Mann


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So etwas hatte sie noch nie gesagt.

      Weder mit diesem Unterton in der Stimme, der mitschwang, wie, ich sag‘ dir nicht, was los ist, lass mich einfach in Ruhe, noch mit diesen Worten. So kurz angebunden hatte er sie noch nie erlebt. Beinah fremd war sie ihm vorgekommen. Irgendetwas musste da passiert sein, das schien ihm völlig klar. Aber was bloß? Der einzige, der ihm jetzt helfen konnte, schien Caro zu sein. Warum, verdammt noch einmal, konnte er ihn nicht erreichen? Wozu hatte man denn Freunde, wenn sie nicht ans Telefon gingen? Dem machte es nichts aus, wenn er, Arno, manches Mal wirres Zeug daher redete, auch nicht, wenn er hin und wieder gar nichts sagte. Dafür plauderte Caro umso mehr. Notfalls auch mit sich selbst. Das war Ok so. Arno verband eine gewisse Sicherheit damit. Mit Constance war das etwas anderes. Sie kannte seine Launen, seine exzentrischen Eskapaden, wenn er etwa in einem Restaurant einen zähen Lammbraten oder ein Steak, das nicht durch war, mit den Worten – take this old cow away - zurückschickte oder so. Dann ging sie zwar nicht sofort darauf ein, was auch immer das Beste gewesen war, sowohl für sie beide als auch für das anwesende Publikum.

      Doch kaum zu Hause angekommen brach sie darüber einen oft heftigen Streit vom Zaun und schleuderte ihm Vorwürfe an den Kopf, derer er sich kaum erwehren konnte. Was er sich einbilde, und wer er zu sein glaubte? Schließlich konnte Arno ja manchmal liebenswert und charmant sein, auch wenn er es nicht immer gleich zeigte, und wenn Constance sich seiner Eigenschaften bewusst wurde, selten zwar, doch immerhin, dann schnurrte sie friedlich wie ein Kätzchen, strich auffallend milde gestimmt um ihn herum und versuchte ihn in dieser Stimmung, meist erfolgreich, zu verführen. Immerhin versprach sein Dazutun in dieser Angelegenheit wiederum Frieden für einige Tage, wobei Arno dieses Wort in seiner etymologischen Bedeutung von Befriedigung herleitete, war ihm dieser Friede doch einiges wert, denn er bürgte schließlich dafür, ihm zwei drei Abende in seinem Lieblingsbräu zu gestatten, ohne daheim sonderlich abzugehen. Wäre Constance nicht stets so beschäftigt gewesen, so konnte sie ihn in dieser Zeit ohnehin nicht gebrauchen, um nicht zu sagen, er galt für diese Zeit als absolut entbehrlich, um nach Verstreichen einer gewissen Frist für dasselbe Spiel wieder zur Verfügung stehen zu müssen.

      Das ging schon seit Jahren so und gehörte zum unverrückbaren Zeremoniell dieser Ehe. Obwohl er, Arno selbst, fand, dass er es mit sich ganz und gar nicht leicht hätte, andere auch nicht mit ihm, wäre vor allem nicht da sein ständiger Drang zur Perfektion gewesen, etwas also, was ihn ganz besonders kompliziert machte im Umgang mit anderen Menschen, besonders wenn es darum ging, im Team zu arbeiten, oder gar gemeinsame Ziele erreichen zu müssen, wobei ihn ganz besonders sein Unvermögen peinigte, Hierarchien anzuerkennen oder gar Vorgaben zu akzeptieren. Also darin war er ganz schlecht, denn immer schon hatte er mit dem Gefühl gelebt, für seinen unsteten und vor Ideen sprühenden Geist nie den nötigen Freiraum gefunden zu haben.

      Kapitel 7

       Die Aussprache

      Arno brauchte nicht lange zu suchen. Als hätte er einen siebten Sinn, oder war es bloß ein Erfahrungswert, da stöberte er Caro in seinem Lieblingsheurigen auf, einem altehrwürdigen Weingut, an dessen Innenhofmauern Messingschilder mit zahlreichen Namen prominenter Gäste angebracht waren, damit diesen zu keiner Zeit irgendein gewöhnlicher Sterblicher den Platz streitig machen konnte und Arno fühlte sich an die kleine Dorfkirche erinnert, wo er als Kind zur Sonntagsmesse gegangen war, wo die vordersten Bankreihen gleichfalls mit solchen Beschilderungen versehen waren, um von dort aus sozusagen fußfrei in den Himmel gelangen zu können. Der Platz schien auf diese Weise für Privilegierte bereits gesichert, für die Oberlehrer und Oberlehrersgattinnen und all´ die honorigen Geschäftsleute im Dorf, von dort aus, Aug‘ in Aug‘ mit dem Zeremonienmeister, der ewigen Seligkeit direkt in die Arme laufen zu können.

      Ja, er bemerkte Parallelen zu dem Szenario hier. Und Caro Ass saß einfach so da, alleine, und schien seine Sorgen bereits in mehreren Vierteln Nussberger ertränkt zu haben. - Na, da bin ich ja …. freute sich dieser, als er Arno durch das Efeu bewachsene Tor kommen sah. - Servus, sagte Arno, glücklich, seinen lieben Freund so rasch aufgestöbert zu haben. - Wie hast du mich gefunden, wenn erlaubt ist zu fragen?, wunderte sich Caro. - Intuition, würd‘ ich mal sagen. Ich habe einfach deine Spur aufgenommen. War gar nicht so schwer. Arno sah sich im Innenhof um. Lange war er nicht hier gewesen. Mit Caro schon gar nicht. Heute sollte es eben sein, dachte er. - Mir kannst du nichts vormachen. Da stimmt doch was nicht? Normalerweise fährst du mir nicht hinterher. Wo ist denn sie, die Frau Gemahlin? - Hat keine Lust. Aber… vielleicht in Paris? - Ich dachte, sie käme heute?- Das dachte ich auch, sagte Arno leise.- Is‘ was im Busch bei euch? War ja sonst immer alles in Ordnung. Ihr seid ja schließlich so ein Herzeige-Ehepaar, was?, lachte er. Das Musterbeispiel einer primitiven Zweierbeziehung, sehe ich das richtig?, setzte er hinzu. Prost!

      Er beobachtete Arno sehr aufmerksam, wie ein Psychiater seinen Patienten, wog dessen Reaktionen ab, analysierte seine unruhigen Blicke, die überall umherschweiften und alles vermieden, ihm in die Augen zu schauen, als hätte er etwas zu verbergen. Wenn er ihn nicht so gut kannte, dachte Caro. Und das Ergebnis seiner Analyse teilte er ihm auch prompt mit, indem er sagte: - Übrigens. Die Frau Maria wird sofort antanzen. Was trinkst du? – Spritzer. Schorle, lachte Caro. Arno grinste. Wir sind in Wien, vergiss das nicht! – Also, nehmen wir besser gleich einen halben Liter und Wasser extra? - Warum nicht? Caro winkte nach der Kellnerin. Es folgten einige jener Minuten, in denen nichts gesprochen wurde. Nur dumm Löcher in die Luft starren war angesagt. Jeder knabberte an seiner Geschichte, und, ein eingeschworenes Team wie sie nun einmal waren, offerierten sie sich diese gegenseitig auch nicht sofort, widerspräche dies doch der jahrelang erprobten Etikette.

      Man hatte Zeit und überließ es dem anderen, anzufangen. Alles in einem gewissen Grad der Notwendigkeit der Brisanz, die Dinge los zu werden, um sich hernach wieder die gewohnten Sicherheiten vorzulügen, denen man seit ewig nachhing, weil Veränderung als verwerflich galt, mit unnötigem Energieaufwand verbunden, und man dem Neuen genuin skeptisch gegenüber stand, jenseits mühsam erworbener Erfahrung angesiedelt, bedrohlich, nicht der Mühe wert, angedacht zu werden, wenn es ohnehin so weitergehen konnte wie bisher. Frau Maria, im Dirndl, beruhigend aussehend, barock zwar, aber es passte hierher, nahm die Bestellung der beiden entgegen, freundlich wie immer, mit ein wenig Schmäh.

      - Na, ihr zwei Trauerweiden! Nach allem, was ich da so seh‘, wird ein halber Liter für euch nicht ausreichen, oder sollte ich mich geirrt haben? Arno und Caro schüttelten gleichzeitig den Kopf, bewundernd darüber, dass man geübten Menschenkennern rein gar nichts vormachen konnte. Und sie brachte, die Servierein. Kalt war er, der Welschriesling, so, wie er gehörte, und das Soda war es ebenfalls. Kein fades Mineralwasser. Prickelnd und säurereich. Der Aufbereitung des idealen Bodens für eine gemeinsame Sodbrennerei stand nun nichts mehr im Wege. Jetzt noch etwas Fettes, und der Begriff Nachtruhe blieb ein Widerspruch in sich. - Also dann, eben auf die Frauen, lachte Caro und hob das Glas. Arno tat es ihm gleich. - Ich … begann Arno als erster, - bin mir nicht sicher, was dort abläuft in Paris. - Das kann man nie sein! Schon gar nicht in einer solchen Stadt, du Einfaltspinsel, ätzte Caro. – Mach‘ mir Hoffnungen. Du bist mir ja ein schöner Freund, bemerkte Arno bedrückt. Prost! - Ein schönes Beispiel aus der gelebten Ironie, lachte Caro. Jetzt bist du nicht nur arbeitslos sondern auch Hornträger. - Wer weiß, überlegte Arno. Vielleicht ist es eine wichtige Sache. Könnte ja sein, oder? - Sei kein Depp, du. Ich bin nicht hier hergekommen, um mich von dir noch tiefer hinunterziehen zu lassen, das hast du wirklich gut erkannt. Was ist übrigens aus deiner Höhlenexpedition geworden neulich? - Darum sitze ich ja hier, wie du dir denken kannst. - Ah, machte Arno nur kurz. Caros Augen waren schon leicht gerötet. Seine Finger suchten zielstrebig nach einer Zigarette in der blauen Knautschpackung mit dem Flügel drauf. - Auch eine?- Is‘ ohnehin alles egal. Gib! Sie rauchten. Ab und zu tranken sie vom Wein. Kein Wort drang aus ihren Kehlen. Blicke. Mal hierhin, dann dorthin. - Auch schon bessere Zeiten gesehen, die Kneipe hier, meinte Caro. Ich kann mich erinnern, dass hier heraußen alles voll war, vor allem bei diesen Temperaturen, was? – Sag´ nicht Kneipe zu einem Heurigenlokal. Hm. Aber Stammpublikum scheint rar, bemerkte Arno beiläufig. Alle weggestorben. Ich hab‘ gehört, sie müssen Weingärten verpachten.

      - Es sind keine guten Zeiten. Die Koreaner kommen nicht mehr. Die haben jahrelang die Stammgäste verdrängt. Jetzt