Erich Puedo

Vier Tage


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»Recht hast du übrigens. Das ist ein wahnsinnig schöner Ort.«

      »Ja, ich kenne keinen besseren.«

       »Wann geht die Sonne unter?«

      »So in einer halben Stunde oder so.«

       »Dann aber hinter der Sanddüne oder?«

      »Ja, das einzige, was an diesem Ort nicht ganz perfekt ist.«

       »Was jetzt?«

      »Na, es wäre noch perfekter, wenn sie da vorne ein bisschen weiter links über dem Wasser untergehen würde.«

       »Weil?«

      »Ich finde es so cool, wenn die Sonne so auf den Wellen glitzert.«

       »Aber das tut sie doch gerade.«

      »Aber das würde sie kurz vor’m Untergehen noch mehr, wenn sie da hinten untergehen würde.«

       »Also ich bin so schon ganz zufrieden mit der Sonne.«

      »Einverstanden.«

       »Und ganz links da hinten ist Tarifa?«

      »Ja. Und da vorne Marokko.«

       »Sieht aus, als ob man rüberschwimmen könnte oder?«

      »Ja. Geht aber wahrscheinlich nicht. Schätze, könnte anstrengend werden.«

       »Und dahinten irgendwo Amerika?«

      »Wahrscheinlich auch schwer zum Schwimmen.«

       »Sooooooo schön!«

      Ihr gefällt es. Ihr gefällt der schönste Ort in meinem Leben. Sie sitzt neben mir an meinem Strand und ihr angewinkeltes Knie hat gerade für eine Sekunde meinen Oberschenkel berührt. Ich habe es erst gar nicht wahrgenommen. Aber jetzt kribbelt es genau an der Stelle, wo gerade noch ihr Knie war. Und jetzt zupft sie auch noch an ihrer Shorts und macht genau das Knie nackig. Aber bevor ich rot werde, spreche ich das doch lieber an.

      »Versuchst du, mich zu beeindrucken?«

       »Was?«

      »Ob du versuchst, mich zu beeindrucken? Du zeigst Haut.«

       »Quatsch, ich will dich nicht beeindrucken. Mir ist heiß.«

      »Ja, genau.«

       »Jetzt überschätze dich mal nicht.«

      »Dann keine billigen Tricks mehr.«

       »Du spinnst.«

      »Du zeigst Haut.«

       »Wir sind am Strand.«

      »Du willst mich beeindrucken. Das ist doch die gleiche Nummer wie gestern auf dem Weg zum Strand, als mein unschuldig eingehakter Arm als Versuchskaninchen diente und deine Brust berühren musste.«

       »Erstens hat dein ach so unschuldiger Arm das wahrscheinlich genossen. Und zweitens will ich dich nicht beeindrucken. Wieso sollte ich? Ich glaube, ich hab’ es doch schon erwähnt: Ich bin Zuhause in einer glücklichen Beziehung. Du bist nur mein Urlaubskumpel.«

      »Den du mit ein bisschen nackter Haut beeindrucken willst.«

       »Jetzt reicht es aber, wenn ich dich beeindrucken wollen würde, sähe das ganz anders aus.«

      «Mach’ mal.«

       »Mache ich nicht.«

      »Mach’ mal.«

      Was für ein Lächeln. Und so unschuldig. Als wüsste sie gar nicht, was nackte Haut überhaupt ist. Oder wieso sich Jungs oder Männer dafür interessieren könnten. Sie lächelt. Und schiebt ihre Shorts einen halben Zentimeter höher und zeigt diesmal noch nicht mal ihr Knie.

      »Siehste.«

       »Siehste, siehste, siehste. Siehste gar nichts, du notgeiler Bock.«

      »Notgeiler Bock? Ich? Ich entblöße mich hier nicht vor wildfremden Menschen des anderen Geschlechts, während in der Heimat meine Liebste auf mich wartet.«

       »Entblößen? In was für einem katholischen Spießerinternat bist du denn groß geworden?«

      »Und mit welchen billigen Tricks versuchst du denn, deine Männer rumzukriegen?«

       »Keine Ahnung. Hab’ ich lange nicht gemacht. Aber scheinbar sollte ich mir den Shorts-Hochschiebe-Trick für die Zukunft merken. Wirkt ja Wunder bei dir.«

      Hör auf zu grinsen, Holger. Das ist zwar eins der schönsten Streitgespräche, dass ich je vom Zaun gebrochen habe, aber das wirkt einfach nicht mit einem Lachen im Gesicht. Einfach einen halbernsten Gesichtsausdruck aufsetzen und weiter.

      »Der Hautzeigetrick wird aber bald nicht mehr so wirken, wenn der Zahn der Zeit...«

       »Vorsicht, alter Mann. Wer die 30 überschritten hat, sollte ganz vorsichtig sein.«

      »Abgemacht. Ich habe nichts gesagt. Wie alt bist du eigentlich?«

       »Fast 29.«

      »Und Torschlusspanik?«

       »Was? Null!«

      »Erzähl’ nichts. Torschlusspanik haben alle Frauen kurz vor der 30.«

      Oh, oh! Jetzt wird es gefährlich. Aber solange sie so lächelt, bin ich wohl noch nicht zu weit gegangen.

       »Und Herr Frauenversteher kennt sie alle, die Frauen?«

      »Na ein paar Frauen kenne ich schon.«

       »Ein paar Frauen. Und mit den Schlampen willst du mich in eine Schublade stecken?«

      »Na, na.«

       »Na, na. Hat die Dame etwa Schlampe gesagt?«

      »Welche Dame?«

       »Spießer!«

      »Aua.«

      Und was für ein süßer Schmerz. Mit so einem Lächeln als Spießer beschimpft zu werden... könnte mir gerade nichts Schöneres vorstellen.

       »Wie geht’s denn dem Herrn Gentleman so mit über 30? Wie viel, 33?«

      »Ja, 33. Geht so!«

      Na komm, gib mir noch einen.

       »Geht so? Wieso?«

      »Na geht so. Wäre gern ein bisschen jünger. Oder würde gerne wenigstens nicht älter werden.«

       »Wo ist denn dein Problem?«

      Aktuell habe ich überhaupt kein Problem. Aber ich kann dir ja mein Problem von vorgestern erklären, als ich dich noch nicht kannte.

      »Ich benehme mich wie ein 25-Jähriger. Bin am Kiten. Gehe abends mit der Jugend saufen. Versuche, kleine Mädchen rumzukriegen...«

       »Und?«

      »Ja, noch komme ich damit gerade so durch. Aber in ein paar Jahren wird es peinlich.«

       »Wieso?«

      »Na, weil es peinlich ist, wenn ein alter Sack versucht, jung zu bleiben, und so tut, als würde er dazu gehören.«

       »Aber du gehörst dazu.«

      »Ja, ja. Noch geht’s. Aber es geht los mit den Falten und bald wird es peinlich.«

       »Du spinnst, du bist doch ein Mann.«