Erich Puedo

Vier Tage


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man doch keinen Bus. Ich glaube, du hast in Wirklichkeit eine Frau und vier Kinder zu Hause.«

      Sehe ich etwa so aus? Und wenn sie noch einmal mein Surfmobil als Familienkutsche beschimpft, dann werde ich sauer.

      »Nein. Wirklich keine Kinder. Hast du mir irgendetwas verschwiegen gestern.«

       »Na, so einiges.«

      »Was denn so?«

       »Na, das habe ich dir natürlich mit Absicht verschwiegen. Ich kann doch nicht jedem dahergelaufenen Surfertypen mit Familienkutsche mein Herz ausschütten.«

      »Das ist keine Familienkutsche. Man kann die Rückbank umklappen und dann wird ein richtiges Bett daraus.«

       »Ein Bett?«

      »Ein Doppelbett!«

       »Oh! Der Hobby-Macho. Muss ich jetzt Angst haben, nur weil ich in dein Auto gestiegen bin?«

      »Höchstens ein bisschen.«

      Oh Gott, jetzt habe ich Bilder in meinem Kopf... Sie und ich auf meiner umgeklappten Rückbank... Jetzt versau es nicht, du notgeiler Bock.

       »Hmm. Ein bisschen Sorgen machen, finde ich eigentlich schon ein bisschen zu viel.«

      Idiot. Reiß’ dich mal zusammen. Sei doch einfach normal. Ganz einfach normal. Und vor allem keine schlüpfrigen Witzversuche mehr.

      »Ich schlafe manchmal in dem Bus. Ganz alleine!«

      Gut vorgetragen! Keine Unsicherheit und keine Notgeilheit in der Stimme. Jetzt einfach weiter reden.

      »Wenn ich abends noch irgendwo hinfahre, um am nächsten Morgen surfen zu gehen, dann schlafe ich manchmal im Bus. Oder als ich hier runter nach Spanien gefahren bin. Ich schlafe lieber im Bus, als in irgendeinem teuren und hässlichen Hotel an der Autobahn.«

       »Wie lange fährt man denn von Berlin?«

      »Weiß nicht. Es sind 3000 km, glaube ich. Ich habe mir noch ein paar Strände in Frankreich und im Norden von Spanien angeschaut. Hat fast eine Woche gedauert, bis ich hier war.«

       »Cool.«

      Sie findet es cool. Ich würde die Tour gerne mal mit ihr machen.

       »Wo fahren wir eigentlich noch mal hin?«

      »Wir sind schon fast da. Da vorne. Das ist mein Lieblingsspot.«

       »Spot?«

      »Der beste Ort zum Kitesurfen und der schönste obendrein. Zumindest in meinem Leben.«

      Sie lächelt. Sie lächelt aus meinem VW-Bus-Fenster auf’s Meer und auf meinen schönsten Ort in meinem Leben. Und sie sieht glücklich aus.

       »Ich freue mich. Aber ich bin nervös.«

      »Gut.«

       »Dass ich nervös bin?«

      »Nein, dass du dich freust. Die Nervosität vergeht sicher.«

       »Meinst du?«

      »Sicher. Kitesurfen kann man, glaube ich, nicht nichtmögen.«

       »Nicht auch ein bisschen gefährlich?«

      »Wie gesagt, die Jungs von der Kiteschule passen schon auf. Du fängst erstmal mit einem ganz kleinen Schirm am Strand an. Und das ist wie Drachen steigen lassen. Da kann nichts passieren.«

       »Sicher?«

      »Ganz sicher.«

       »Drachen steigen lassen mag ich.«

      Das wird was mit ihr.

      »Na dann aussteigen.«

       » Ich bin aufgeregt!!!!! «

      Sie schreit. Cool! Wieso finde ich denn eine Frau cool, die auf der Parkplatzwiese vor meinem Lieblingsstrand schreit, dass sie aufgeregt ist? Die Stimme? Die fehlende piepsende Mädchenhysterie in der Stimme? Ein lässig vorgetragener Schrei. Und sie strahlt Freude dabei aus. Und Ruhe. Eine innere Ruhe, trotz Schrei? Ja, ich glaube. Irgendwie strahlt sie trotz Aufregung Ruhe aus. Sie ist einfach entspannt. Kein hysterisches `Holger, kümmere dich um mich, ich habe Angst, ich brauche Aufmerksamkeit`. Das war ein ganz entspanntes `Ich bin aufgeregt und ich fühle mich wohl dabei und schreie das einfach mal raus`. Gut. Sehr gut.

      »Komm. Aufgeregt hin oder her. Jetzt gibt es kein zurück mehr. Einmal hier durch die Strandbar und dahinter ist die Kiteschule und der schönste Strand der Welt.«

       »Na dann... Und Danke!«

      Wofür Danke? Ich könnte mir gerade nichts schöneres vorstellen, als dich hierhin mitzunehmen. Aber das musst du ja jetzt noch nicht wissen.

      »So gern.«

      Sooooooo gern.

       »Kann ich dir einen von deinen Schirmen abnehmen?«

      »Nur wenn du unbedingt willst.«

       »Klar. Dann sehe ich wenigstes aus wie ein Profi.«

      »Danke. Und los. Ich stell dich bei der Kiteschule vor.«

       »Juhu.«

      »Guck mal, da kommt Nassar.«

       »Wer ist das?«

      »Das ist einer der Kitesurflehrer. Cooler Typ. Kommt aus Marokko und hat mal in Deutschland irgendwas studiert und spricht ziemlich fließend deutsch. Jetzt ist er seit ein paar Jahren hier und macht nur Kitesurflehrer und genießt das Leben.«

      »Holger, Altaa!«

      »Nassar! Wie geht`s?«

      »Wen bringst du denn da mit?«

      »Nina.«

       »Jawoll, ich bin Nina.«

      »Nina, Nassar – Nassar, Nina.«

      »Bist du hier zum Kiten?«

       »Ja. Ich kann es aber nicht.«

      »Na dann wird es Zeit.«

       »Ich will ja.«

      »Nimmst du Unterricht bei uns?«

       »Wollte mich gerade anmelden.«

      »Und du hattest noch nie Unterricht?«

       »Nein, noch nie.«

      »Sehr gut. In einer halben Stunde wollte ich nämlich mit einer Schwedischen Anfängerin einen Kurs anfangen. Ihr sind aber Einzelstunden zu teuer. Willst du gleich mitmachen?«

       »Klar. Bin dabei.«

      »Sehr gut. Dann suchen wir dir gleich das passende Material raus. Dann eine halbe Stunde Theorieunterricht und schon kann es losgehen. Hast du alles dabei? Ist das dein Schirm? Hast du eigenes Material?«

       »Nein, der gehört Holger.«

      »Der Holger. Lässt die Frauen seine Schirme zum Strand tragen. So wird das nie etwas mit dir und den Frauen. Kein Anstand in dieser deutschen emanzipierten Kultur. Hier nimm du mal wieder zurück. Sehen wir uns für einen sundowner an der Bar?«

      »Klar.«

      »Na dann, bis später.«

       »Bis später, Holger.«

      Was für ein Lächeln.

      »Viel Spaß euch.«

      Und weg