und hier sind einige Originalpassagen: „Den idealen Schläger gibt es nicht. Das wäre nämlich – immer streng physikalisch gesehen – dann gegeben, wenn der Ball, die Bespannung und der Rahmen die gleiche Schwingungsfrequenz haben würden. Dies wäre dann die Quadratur des Kreises, weil wegen der verschiedenen Materialien unmöglich zu erreichen, aber für die Ballgeschwindigkeit wäre es ganz toll. Ungeachtet der Tatsache, dass es nicht gehen kann, versuchen uns die Hersteller trotzdem weis zu machen, sie wären auf dem Wege dorthin. Wie im Leben so oft stellen alle Schläger einen Kompromiss dar. Wenn ich mich auf das Wesentliche beschränken darf, dann sind es zwei Dinge: der Rahmen sollte möglichst steif sein, nicht zu leicht und aerodynamisch, der Griff sollte so stark wie möglich sein, damit er nicht so schnell bei unsauber getroffenen Bällen in der Hand verrutscht. Der Schlägerkopf sollte, mal von Profis und technisch sehr guten Spielern, relativ groß sein, weil dann auch der Sweetspot größer ist. Je größer dieser ominöse Fleck auf der Bespannung ist, desto eher wird er vom Ball getroffen, der nur dann wirklich Speed bekommt. Manche treffen natürlich den Sweetspot nie, schon gar nicht im Tennis. Dann ist es auch egal, was sie für einen Schläger haben!“
„Was ist besser, Kunststoff oder Darm?“ warf ich fachmännisch ein, denn ich hatte schon von dem Meinungsstreit gehört, der wegen der Saiten ausgebrochen ist.
„Also, das sollte man ausprobieren! Darmsaiten sind am teuersten, aber gut und armschonend, weil sie den besten Touch liefern. Doch sie vertragen nicht viel Feuchtigkeit und reißen schnell. Kunststoff-Saiten gibt es in zahlreichen Variationen, darunter wirklich sehr gute und empfehlenswerte. Und dann gibt es seit einigen Jahren noch die Hybrid-Sets, bestehend aus einer Kombination von beidem. Wie gesagt, wenn man das Tennisspielen ernsthaft betreiben will, kommt man nicht darum herum, verschiedene Saiten zu testen. Gerade bei der Bespannung kann viel falsch gemacht werden. Grundsätzlich lassen die Freizeitspieler ihre Schläger zu hart bespannen, weil sie meinen, dadurch würden die Bälle schneller. Es ist aber genau umgekehrt. Die Ballkontrolle wird besser, aber die Ballbeschleunigung sinkt. Um die 20 Kilo sind meistens genug. Ich würde nicht an das vom Hersteller empfohlene Limit gehen. Das ist wie mit den PS bei den Autos oder mit der Höchstgeschwindigkeit, da tobt auch ein unsinniger Konkurrenzkampf.
Viele meinen auch, wenn sie mehr Saiten haben, hätten sie mehr Wucht in ihren Schlägen. Es ist aber auch umgekehrt. Eine weitmaschige Bespannung mit dünnen Kunststoffsaiten bringt mehr Power und mehr Spin. Den Trampolin-Effekt zu nutzen, wenn man nicht über die Kraft und Schnelligkeit eines jungen Mannes verfügt, halte ich für intelligent.“
„Aus welchem Material sind eigentlich die Rackets für das moderne Powerspiel?“ heizte ich nach.
„Die Wahrheit ist, dass die Schläger innen alle schwarz sind und zum größten Teil aus derselben Fabrik in Asien kommen. Sie unterscheiden sich vor allem außen in der Form und in der Farbe. Die Verkäufer schwärmen vom Graphit, jenem Stoff aus dem die besten Schläger sind, als sei es Platin. Dabei ist Graphit ein sehr häufig vorkommendes Mineral und eine der natürlichen Erscheinungsformen des chemischen Elements Kohlenstoff. Es wird in China und anderen Ländern im Tagebau tonnenweise gewonnen, kann also nicht gar so wertvoll sein, wie gerne suggeriert wird. Ich denke, dass die Unterschiede bei Marken-Schlägern gering sind und es meistens nicht am Schläger liegt, wenn jemand keine vernünftigen Schläge zusammenbringt.“
„Ich habe gehört, die Profis tunen sogar ihre Schläger!“
„Ja, kein Profi spielt mit einem Racket von der Stange, sondern diese Schläger sind sorgfältig auf dessen Bedürfnisse angepasst. Die Laien glauben, wenn sie einen Dämpfer zwischen die Saiten und direkt über das offene Schlägerherz setzen, damit die Bespannung nicht zu sehr nachschwingt. sei das schon eine größere Operation und Tuning. Ich habe John McEnroes alten Schläger im Wimbledon-Museum gesehen, mit dem er dort im Einzel und Doppel insgesamt vier Mal gesiegt hat. Da war eine unglaublich präzise Feinabstimmung zu erkennen, mit Bleiband und allem drum und dran. Soweit muss man heute bei den modernen Schlägern sicherlich nicht mehr gehen, aber so ein bisschen Gewicht packe ich schon auch drauf, damit das Racket nicht zu leicht ist und der Ball etwas an Masse entgegengesetzt bekommt. Schließlich handelt es sich um ein Rückschlag-Spiel und der schnelle Ball prallt mit einem ganz schöner Kraft auf und soll total seine Richtung ändern.“
3. Kapitel
Als ich drei Monate später den air-conditioned Miami Airport verließ, um ein Taxi herbei zu winken, schlug mir die extrem feucht-heiße Luft Süd-Floridas wie eine Wand entgegen. Mein Hemd war augenblicklich klatschnass, was man nicht sehen konnte, weil es weiß war. Wie man unter diesen klimatischen Bedingungen den Laufsport Tennis ausüben konnte, war für mich unvorstellbar. Aber der Mensch gewöhnt sich offenbar an vieles und rennt fast 130 Kilometer durch die Wüste, was einem dreifachen Marathon entspricht.
Wir wollten uns im Sonesta Beach Hotel in Key Biscayne treffen. Als der Wagen endlich die futuristischen Wolkenkratzer-Schluchten von Miami City verließ und auf den Rickenbacker Causway einbog, bot sich jenseits des Gipfels der riesigen, katzbuckligen Brücke ein gigantischer Ausblick auf die vorgelagerte Insel Virginia Key und über die Biscayne Bay hinweg auf Crandon Park, mit Charter Fishing, Golf Course und dem berühmten International Tennis Center. Jonathan Seyberg hatte darauf bestanden, dass wir Zimmer mit Meerblick nahmen und sie sogar zu irgendeinem günstigen Businesstarif bekommen.
„Alte Verbindungen!“ nannte er das und fügte erklärend hinzu: „Wenn ein Hotel schon am Ocean Drive liegt, dann will ich den Ozean nicht nur riechen. Der Mensch ist ein Augentier. Unsere Distanzinformationen nehmen wir sogar fast zu 100 Prozent mit unserem Sehorgan auf. Wir sehen in einem Winkel von 175 Grad, was natürlich im Vergleich zur Fliege mit ihren Facettenaugen gar nichts ist, die fast 360 Grad sehen kann, weswegen sie sich auch nicht so leicht erwischen lässt. Aber ich wollte etwas anderes sagen: Die Bildverarbeitung findet im Gehirn statt und deshalb könne wir nur das wahrnehmen, was wir kennen. Die visuellen Reize werden interpretiert, was bestehende Informationen voraussetzt. Wenn man beispielsweise die Buchstaben nicht kennt, kann man nicht lesen und wenn man die Bedeutung von Wörtern nicht kennt, kann man den Text nicht verstehen.“
Wir saßen auf der Rib Room Terrace vom Sonesta bei Meeresfrüchten und Weißwein. Umgeben von tropischem Ambiente, Lichtern in Palmenform und Deckenventilatoren. Eine Gruppe von drei Gitarristen, kubanische Migranten, wanderten von Tisch zu Tisch. Südamerikanische Rhythmen streiften dezent das Ohr und wir genossen den weiten Blick über das in der Abenddämmerung dunkelgrau gefärbte Wasser bis zum noch hellen Himmel am Horizont, dessen Linie die schwarzen Silhouetten einiger Segelboote unterbrachen.
„Können Sie noch gut sehen, ich meine ohne Brille, beim Tennis?“ fragte ich, weil ich ihn vorhin die Speisekarte weit von sich halten sah.
„Meine Arme sind nicht mehr lang genug. Für das Dessert reicht es noch, aber für das Hauptgericht wird es wegen der Gräten manchmal problematisch. Nein, im Ernst, meine Augen haben eine unterschiedliche Sehschärfe wie bei den meisten Menschen. Gott sei Dank bin ich weitsichtig, hoffentlich nicht nur beim Sehen, aber wenn man erst einmal mehr als zwei Dioptrien für die Lesebrille auf dem einen Auge braucht, ist die Sehschärfe auch auf die Distanz etwas beeinträchtigt. Mein Gehirn hat wegen der unterschiedlichen Sehkraft meiner beiden Augen eine ganz schöne Rechenleistung beim Tennis zu vollbringen. Übrigens bilden sich nach allerneuester Forschung auch bei Erwachsenen neue Gehirnzellen, wenn auch bisher nur in relativ geringem Umfang zur Gehirnmasse, aber immerhin.“
„Martina Navratilova trug eine Brille!“
„Klar, viele Spielerinnen und Spieler in der Weltspitze tragen Kontaktlinsen. Ich habe anfangs nur eine Schirmmütze getragen, selbst bei gleißender Sonne. Aber inzwischen trage ich eigens für meine Bedürfnisse vom Optiker eingeschliffene Gläser in meiner Sportbrille. Damit kann ich mit der Sonne und auch gegen die Sonne sehr gut sehen und die Brille soll auch angeblich dann nicht zerbrechen, wenn ich einen Ball am Netz mit voller Wucht ins Gesicht bekomme. Das ist die einzige wirkliche Gefahr in diesem Sport, wenn man ihn nicht übertreibt.“
„Im Fernsehen sagen die Reporter doch immer, der oder die hätte ein exzellentes Auge, scheint also sehr wichtig zu sein, Adleraugen zu haben, oder?“