Klaus Perschke

Seefahrt 1956-58 – Asienreisen vor dem Mast – Nautischer Wachoffizier


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Head umrundet hatten, setzte Kapitän Schott fast Ostkurs auf die Durchfahrt zwischen Sumatra und den Nicobar-Inseln nördlich der Durchfahrt ab. Die Strecke bis Singapore betrug 1.567 sm (oder für die Landratte: 2.902 km). Das heißt, wir brauchten für diese Distanz bei 17 kn Fahrt 92 Stunden oder 3 Tage 19 Stunden. Am 20.02.1956 hieß es wieder „Klar vorn und achtern!“ Beim Ein- und Auslaufen standen wir in „seemannsweiß“ vorn und achtern. Wir waren ja auch besondere Seeleute!

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      Hier unsere wilde Backgang beim Einlaufen in Singapore 1956. Ganz vorn im Bild Heini Winter, der schönste Mann auf der Back, ganz links steht der 2. Offizier, Herr Dopp. Fritz Almstedt versteckt sich gerade hinter dem Kollegen rechts neben dem Galgen. Von meiner Wenigkeit sieht man nur den Kopf, sieht so aus, als ob ich Fritz aus seinem Versteck ziehen will. Das Foto hatte der 1. Zimmermann Kuddel Ketschau geschossen. Das Foto ist reif für das „Ohn-Sorg-Theater“.

      Was fällt mir über Singapore ein? Auf jeden Fall hatte ich keinen Landgang, sondern musste Raumwache gehen. Doch in Singapore wurde auch nur tagsüber im Hafen gearbeitet. Also mit dem „Überstundenmachen“ sah es bis dato mau aus. Der Bootsmann ließ nur seine Tagelöhner ranklotzen, aber auch nur in Grenzen. Er hatte bestimmt seine Anweisungen von oben bekommen. Die Seewachen – insgesamt 9 Mann – durften nur ihre Seewache gehen. Natürlich große Enttäuschung! Ich hoffte, dass sich das auf der Heimreise noch ändern würde. Singapore war damals auch noch eine Kronkolonie des „British Empire“. Auch hier stieg wieder ein Teil der Passagiere aus, die im Dienst der Krone standen.

      Auf dieser Reise hatten wir auch ein britisches Ehepaar mit einem zweijährigen Kind an Bord, die in Singapore ausstiegen. Er war ein junger Polizeioffizier, und sie war auch eine Polizeiangehörige in einem höheren Rang. Sie war, nebenbei erwähnt, eine bildhübsche Malayin, bildhübsch sogar in ihrer Uniform, die sie trug, als sie mit dem Baby von Bord ging. Jeder von uns hatte sie schon auf der Reise im Stillen bewundert. Von den restlichen britischen Fahrgästen wurden sie höflich behandelt. Es war aber wohl nicht im Sinne der britischen Kolonialpolitik, dass sich britische Staatsbürger mit Einheimischen aus den Kolonien mischten, also heirateten und Familien gründeten. Jedenfalls schlossen wir das aus der Reserviertheit der restlichen Briten an Bord gegenüber diesem Paar.

      Schwer beeindruckt von diesen süßen exotischen asiatischen Geschöpfen berichtete ich in meiner Post nach Hause darüber, schwärmte etwas von „Rassemädchen“, Heiraten und mit nach Deutschland nehmen. Willis Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Doch warum musste er immer zu so einem Blödsinn seinen Kommentar geben? Warum merkte der alte Herr nicht, dass ich ihn nur provozieren wollte? Wieder ein Fall für den Psychologen!

      Übrigens, der Chef hatte ab diesem Jahr wieder Arbeit. Ein gewisser Herr Blank, seines Amtes erster deutscher Verteidigungsminister nach dem Kriege unter Konrad Adenauer, stellte eine Bundeswehr auf, im Auftrage der Nato, wohlgemerkt. Ein Herr Franz-Joseph Strauß hatte Monate vorher noch laut gedröhnt, kein deutscher Mann sollte je wieder eine Waffe in die Hand nehmen! Und plötzlich war das alles vergessen. Und einer unter den ersten Bewerbern im Cuxhavener Raum war auch uns’ Vatter. Natürlich war er vorher schon entnazifiziert worden. Und er wurde auch genommen. Zu seinem Bedauern durfte er leider keine Uniform mehr tragen, die mit dem kleinen Dolch an der Seite. Das hatte er später immer wieder beanstandet, obwohl er ab diesem Zeitpunkt einen krisensicheren Job hatte. „Willi, was willst du mit dem Dolche sprich? Die Bleistifte anspitzen, mehr hoffentlich nicht!“

      Während die Hafenarbeiter in Singapore Malayen waren, bestand das Corps der Schiffsvorleute hier aus Briten. Die Stevedoring Company und die Hafenbehörde gaben den Ton an. Die Organisation und Zusammenarbeit lief hervorragend. Wenn „teatime“ war, war „teatime“. Very british of course!

      Am 22. Februar 1956 hatten wir Singapore bereits wieder verlassen. Unser Ziel war jetzt Manila auf den Philippinen. Unser Kurs führte zunächst ONO von der Singapore-Straße durch die Natuna-See bis zur Passage zwischen Pulau Natuna Besar an Backbord und Pulau Subi Besar an Steuerbordseite.

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      Quelle: LLOYD’s MARITIME ATLAS of world ports and shipping places, twenty-first Edition

      Von dort aus ging es durch das Südchinesische Meer, durch die Palawan-Passage fast NNO nach Manila. Die Distanz betrug 1.341 sm, also bei unserer Reisegeschwindigkeit von 18 kn sollten wir es in 74,5 Stunden oder drei Tagen und zwei Stunden schaffen. Also am 25. Februar würden wir in die Bay of Manila einlaufen. Und das packten wir leider nicht. Wahrscheinlich hatte die BAYERNSTEIN doch nur 17 kn gemacht, denn wir liefen erst am 27. Februar 1956 morgens zwischen 02:00 und 03:00 Uhr ein. Möglich, dass die Strömungsverhältnisse uns einen Strich durch die Rechnung gemacht hatten. Am Wetter hatte es nicht gelegen, denn das war fantastisch für die Tropen.

      Am 26. Februar hatte Kurt Tietjen Geburtstag, und zu unserem Erstaunen ließ er sich nicht lumpen: Jeder Mann von seiner Deckscrew bekam vier Flaschen Bier. Und bei 32° C im Schatten zischte es dann auch richtig durch die Kehle, als wir es nach dem Mittagessen tranken. Aber lieber wäre es uns gewesen, wir hätten zutörnen dürfen. Jeder brauchte Geld, denn jeder von uns hatte Wünsche auf dem Zettel, wenn wir nach Japan kommen würden. Mein Vater wollte einen Koffer haben, weiterhin ein Fernglas. Ich wollte für mich ein Teeservice kaufen, und ich dachte an „heiß baden“, denn davon redeten die schon länger an Bord weilenden Kollegen, nein sie schwärmten davon. Man würde sonst etwas verpassen. Und wer will schon im glorreichen Alter von 21 Jahren etwas verpassen? Ganz bestimmt nicht in Japan. Wie ich aus einem Brief meines Bruders, den ich in Manila erhalten hatte, entnahm, lag er mit dem Klütenewer, auf dem er angemustert hatte, im dicken Eis in Grünendeich fest eingefroren auf der Lühe an den Pfählen. Es musste damals 1956 ein schlimmer Winter in Norddeutschland gewesen sein. Angeblich hatten sogar Schiffe mit 10.000 tw auf Elbe und Weser große Schwierigkeiten mit der Eisfahrt gehabt. Wenn er 1956 auf meine Bitte hin rechtzeitig hier mit als Moses eingestiegen wäre, dann hätte er sich die „koolen Feut“ ersparen können. Aber Vaters bester Sohn wusste ja alles besser. Nun, sollte er sich ruhig den Mors und die Nüsse abfrieren!

      Jetzt, ab Manila, kam eine Zeitspanne, in der ich mich nicht mehr schriftlich zuhause gemeldet hatte. Die Rundreise ab Hongkong, mit meinen Erlebnissen in den Häfen von Japan, der Volksrepublik China und zurück gipfelte in meinen ersten persönlichen Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht in Ostasien, also Erotik total. Da ich auf dieser Reise 21 Jahre alt geworden war, also voll verantwortlich für meine Erfahrungen im ostasiatischen Raum war, meinte ich, nicht unbedingt Rechenschaft gegenüber dem Familienclan ablegen zu müssen. Meine Eltern daheim waren große Operettenanhänger, und besonders Franz Lehar hatte es ihnen angetan. Madam Butterfly und so’n Gedöns. Auch ich kenne diese Melodien, hatte in den 1950gern sogar einen amerikanischen Film über Madam Butterfly gesehen. Mit anderen Worten, ich sah das kommende Japan ein bisschen durch die rosarote Brille von Franz Lehar. Naja, ich war immer ein hoffnungsloser Träumer in punkto Frauen.

      Ich überspringe den Hafen von Hongkong, in dem wir auch nur zwei Tage lagen. Jetzt lag Japan voraus mit den Häfen Yokohama, Nagoya und Kobe. Und, wie gesagt, während der Reise dorthin, außen um Taiwan herum, wurde die Deckscrew bereits in zwei Hälften unterteilt. Die einen durften in Yokohama an Land gehen, und die andere Hälfte zog es vor, in Kobe Landgang zu haben. Die Spannung stieg an. Natürlich kann ich heute nicht mehr genau nachvollziehen, wann wir in Yokohama ankamen, doch Dank Reed’s Marine Distance Tables konnte ich herausfinden, dass die Distanz von Hongkong bis Yokohama 1.584 Seemeilen beträgt. Also, diese Distanz durch unsere Marschfahrt von 17 kn geteilt, wären demnach 93,2 Stunden oder 3 Tage und 21 Stunden und vielleicht sogar mehr, da wir damals um Taiwan herum fahren mussten. Sagen wir vier Tage Fahrt, bis wir in Yokohama festmachen konnten. Das wäre der 7. März 1956 gewesen. Das geheimnisvolle Japan empfing uns mit offenen Armen.

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      Die Heimat von Madame Butterfly

      Quelle: LLOYD’S MARITIME ATLAS of world ports and shipping places, page 45

      Und dann kam sie, aber nicht Madame