Celine Ziegler

REMEMBER HIS STORY


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ich mir die Jacke enger um den Körper und lasse mich mehr in die Bank sinken. „Und jetzt lass mich allein. Ich habe Besseres zu tun, als mich mit dir zu unterhalten.“

      Nathan lacht feindselig auf und verschränkt die Arme. „Das sehe ich. Du stinkst bis hier hin und siehst gleichzeitig noch beschissener aus, als ich dachte.“

      „Wow“, sage ich halb lachend und sehe von ihm weg. „Selbst in Momenten wie diesen bist du noch so.“

      „Wie?“

      „Gemein.“

      „Gemein“, amüsiert er sich.

      Ich sehe ihn giftig an. „Ja, gemein. Und damit du mich nicht länger ertragen musst, kannst du jetzt gehen. Du hast es geschafft. Ich will definitiv nichts mehr von dir wissen.“

      „Das ging einfacher als gedacht“, lacht er und setzt sich neben mich, allerdings mit großem Abstand.

      Entsetzt blicke ich zu ihm. „Was wird das? Willst du jetzt plaudern, mich noch mehr beleidigen? Ich will nicht, dass du hier bist, schon vergessen?“ So zickig kenne ich mich gar nicht. Ich würde niemals mit jemandem so respektlos reden, doch vor Nathan habe ich einfach keine Achtung mehr. Zwar weiß ich immer noch nicht, was damals in seiner Kindheit passiert ist, doch ich möchte ihn einfach aus meinem Leben streichen. Er hat mich enttäuscht.

      Jetzt sieht er spottend zu mir. „Ich bin gemein, schon vergessen? Wieso bist du überhaupt hier? Hast du keine überfürsorglichen Eltern, die dich suchen?“

      „Ich wüsste nicht, was dich das angeht“, meckere ich und rutsche weiter von ihm weg, ganz an den Rand, sodass ich beinahe auf dem Boden lande, doch das ist mir egal. In seiner Nähe fühle ich mich mickrig und ich mag dieses Gefühl nicht.

      „Also was hast du vor? Hier die Nacht verbringen?“

      „Das geht dich nichts an. Geh und kümmere dich um … Keine Ahnung. Nehm deine Drogen und rauch deine Zigaretten, aber lass mich einfach in Ruhe.“

      „Du hast recht“, sagt er und greift in seine schwarze Jacke, holt eine Packung Zigaretten hervor. „Ich könnte tatsächlich eine rauchen.“ Er steckt sich den Krebsstängel zwischen die Lippen und sieht mich an. „Du hast nicht zufällig Feuer?“

      Ich sehe ihn nur mit zusammengekniffenen Augen an.

      „Dachte ich mir schon“, nuschelt er gleichgültig und greift in seine Hosentasche, holt ein silbernes Feuerzeug hervor, zündet damit die Zigarette an. „Willst du auch eine?“

      „Sag mal, was soll das werden?“, frage ich genervt und ignoriere seine dumme Frage. „Willst du mir den Abend noch unerträglicher machen? Denkst du nicht, dass du und deine Freunde mich schon genug bloßgestellt habt?“

      „Ich tue doch nichts, als hier sitzen. Wenn du meinst, wie ein Penner hier zu schlafen, dann kann ich dafür auch nichts. Das ist ein öffentlicher Platz.“ Er kann wirklich kaum einen Satz sagen, ohne mich nicht zu beleidigen. Anscheinend hat er das schon richtig drauf. Ihm kommen die Sätze flüssig von der Zunge, als hätte er jahrelang nichts anderes gemacht. Oh, stimmt ja, er hat schon damals jahrelang geübt.

      Doch es macht sowieso keinen Sinn, mit ihm zu diskutieren. Er ist arrogant und überheblich, mit einem riesigen Ego. Wie soll man auch mit so jemandem normal reden können?

      „Okay“, sage ich beinahe erschöpft und lege mich auf die Seite, doch mache mich so klein, wie ich kann, damit ich ihm nicht zu nahe komme. „Dann sei wenigstens still.“ Seufzend schließe ich die Augen und wünschte, ich würde in meinem warmen Bett liegen.

      „Du willst ernsthaft hier pennen? Das ist beinahe lustig“, höre ich seine tiefe Stimme.

      „Sei bitte still. Ich will einfach nur die Nacht rumbekommen.“

      Nathan lacht leise brummend und ich höre, wie er an seiner Zigarette zieht und den Rauch ausatmet. „Wenigstens gehst du mir auf der Arbeit nicht mehr auf den Sack.“

      „Allerdings“, sage ich. „Ich werde nicht mehr dort arbeiten.“

      Nach einer kurzen Pause fragt Nathan: „Wieso?“

      „Wegen dir. Ich will nicht mit dir zusammen arbeiten müssen, nach dem, was du mit mir gemacht hast.“ Ich erschaudere kurz, weil ich wirklich sehr friere. Die Kälte beißt sich quasi durch meine Jeans.

      „Du bist also doch noch die gleiche beschissene Heulsuse wie damals“, gibt Nathan locker zurück.

      Ich setze mich erbost wieder auf und sehe ihn an. Mir ist egal, wie schlimm ich aussehe. „Ich bin keine Heulsuse, hör auf, das zu behaupten!“

      Er sieht mich mit erhobener Braue an und zeigt auf mein Gesicht. „Und was ist das?“

      Ich wische mir verwirrt über die Wange und muss tatsächlich feststellen, dass mir die Tränen fließen. Zornig über meine eigene Schwäche, die Nathan wieder in mir hervorruft, presse ich die Lippen aufeinander und schwinge mich schnell von der Bank. Einen Schluchzer unterdrückend binde ich mir die Jacke enger um den Körper und gehe von der Bank weg.

      „Jetzt rennst du heulend weg?“, ruft Nathan mir hinterher und ich höre, wie er aufsteht.

      „Lass mich einfach in Ruhe!“, rufe ich schließlich doch weinend zurück und gehe einen Schritt schneller in irgendeine Richtung. Hauptsache, von ihm weg. „Du bist einfach ein Arsch!“ Ich biege um eine Ecke und nach ein paar Momenten höre ich Nathans Motorrad hinter mir auf der Straße immer näher kommen. Ich ignoriere ihn, als er langsam neben mir herfährt.

      „Jetzt hör auf zu heulen!“, ruft er mir zu. „Ich fahr dich nach Hause!“

      Ich schüttle den Kopf und gehe weiter geradeaus. „Vergiss es, ich gehe nirgends mit dir hin!“

      „Hör auf, so stur zu sein, und tu es einfach, man!“

      „Warum? Willst du mich wieder irgendwo hinbringen, damit einer deiner anderen Freunde mich anzünden kann?“

      Nathan stöhnt auf und stoppt den Motor. Während ich weiter von ihm weggehe, steigt er von dem Motorrad und läuft mit schnellen Schritten zu mir. Er packt mich unsanft um die Taille und trägt mich beinahe schon zu seinem Gefährt.

      „Was soll das?“, fluche ich und will mich aus seinem Griff befreien, während er mich auf seinem Motorrad absetzt.

      Ich will gerade runterspringen, da hält er mich fest an den Schultern und sieht mich böse an. „Ich warne dich. Bleib verdammt noch mal sitzen.“

      Wie vor den Kopf geschlagen, schweige ich. Dieser dunkle Schein in seinen Augen hat wohl doch noch diese Wirkung auf mich, die mich einschüchtert. Doch ich frage mich, wieso er das überhaupt macht. Er muss etwas aushecken.

      „Und hör endlich auf zu flennen“, murrt er noch und setzt sich den Helm auf, steigt auf das Motorrad.

      Ich schniefe daraufhin leise. „Du weißt nicht, wo ich wohne.“

      Er nimmt das Motorrad vom Ständer. „Doch, weiß ich. Halt dich fest.“

      Ich weigere mich.

      Gestresst greift er nach hinten zu meinen Armen und legt sie um seinen Bauch. „Ich sollte dich hier liegen lassen.“

      „Wieso tust du es nicht?“, frage ich eingeschüchtert, als ich an ihn gepresst werde.

      Nathan dreht den Schlüssel. „Rede dir einfach ein, ich hätte ein Gewissen.“

      Als ich von Nathans Motorrad absteige und auf das große graue Tor sehe, das den Eingang zu unserem Hof trennt, überkommt mich ein merkwürdiges Gefühl. Ich denke, ich müsste mich schlecht fühlen, weil Nathan in heruntergekommenen Verhältnissen lebt und ich in einem riesigen Haus mit riesigem Garten. Ich weiß, ich sollte mich nicht schlecht dafür fühlen, denn ich wurde hier hineingeboren, das ist nun mal das Zuhause, das meine Eltern mir bieten.

      „Danke“, sage ich leise zu Nathan und streiche mir eine verirrte Strähne hinter