Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 3


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gesungen werden, die Predigt des Priesters, alles verschwimmt vor dem Einzigen, was wichtig ist.

      Pierre ist hier und bei mir.

      Meine Gedanken werden plötzlich durch eine erwartungsvolle Stille unterbrochen. Verwirrt konzentriere ich mich wieder auf die Geschehnisse vor mir. Der Priester steht vor uns und schaut uns an. Er hat irgendetwas gesagt, aber ich habe nicht mitbekommen was es war. Ich muss ihn wohl sehr verwirrt angeschaut haben, denn er wiederholt lächelnd seine Worte.

      «Ich bitte das Brautpaar und die Trauzeugen nach vorne.»

      Ah ja, stimmt. Wir sind ja hier, um zu heiraten. Großvater hatte den Ablauf vorher mit uns detailliert durchgesprochen, aber alles, was er gesagt hat, ist weg. Ich weiß nur noch, dass wir nach vorne gehen sollen, um das Trauversprechen abzugeben und die Ringe zu tauschen. Wie lautet doch gleich das Trauversprechen? Ich weiß nichts mehr, gar nichts. Dabei haben Pierre und ich es extra zusammen ausgesucht und den Priester mühevoll überredet, von der normalen katholischen Formel abzuweichen. Oh Gott, ich werde mich vor allen Leuten hoffnungslos blamieren.

      Zittrig stehe ich auf und steige die Stufe zu dem Altarraum hinauf, wo Pierre auf mich wartet. Inès, die meine Trauzeugin ist, steht schon bereit. Dennoch bin ich nicht die Letzte, denn Charles, der der Trauzeuge für Pierre ist, braucht noch länger als ich. Nicht nur, dass es nicht seiner würdevollen Haltung entspricht, zum Altar zu hasten, in den letzten zwei Jahren seit den Ereignissen um Gregori, ist er auch langsamer und weniger dynamisch geworden.

      Der Priester wartet geduldig bis alle bereit stehen, dann erst beginnt er mit der Zeremonie.

      «Wir haben uns heute hier versammelt, um diese beiden jungen Leute, Pierre Polignac und Trish Strong, in den Stand der Ehe zu erheben. So schließt jetzt vor Gott und vor der Kirche den Bund der Ehe, indem Ihr das Vermählungswort sprecht. Dann steckt einander den Ring der Treue an.»

      Pierre wendet sich mir zu und nimmt meine rechte Hand. Dann spricht der Priester das Trauversprechen vor und Pierre spricht es nach, nicht nur laut für alle hörbar, sondern auch in Gedanken. Seine Worte sind gerahmt von den Gefühlen der Liebe, ich spüre den Ernst, den er hinter dieses Versprechen legt. Fast hätte ich wieder angefangen zu weinen, aber ich kann mich gerade noch beherrschen.

      «Trish Strong, ich sage Ja zu dir in allen guten wie auch in allen schlechten Zeiten. Ich sage ja zu dir, wo der Weg einfach und eben ist und wir voller Freude zusammen sind. Ich sage ja zu dir, wo der Weg steil ist und uns die Hoffnung fehlt. Wenn du froh bist, werde ich bei dir sein, wenn du traurig bist, werde ich dich trösten. Wenn du Siege erringst, werde ich mich mit dir freuen, wenn dir Unrecht widerfährt, werde ich für dich kämpfen. Ich will dich lieben, achten und ehren und dir stets die Treue halten. Denn du bist mein Glück, meine Liebe, mein Leben. Dieser Ring soll das Zeichen meines Versprechens sein für alle Tage unseres Lebens.»

      Damit steckt er mir den Ring an, den er von dem Kissen genommen hat, das Charles bereithält. Jetzt wendet sich der Priester an mich.

      «Trish Strong, nimm die rechte Hand von Pierre und sprich mir nach.»

      Jetzt ist es so weit. Plötzlich erfüllt mich eine Ruhe und Klarheit, dass jede Nervosität wie weggeblasen ist. Das hier ist mein Pierre, das ist unsere Stunde, alle Ereignisse seit dem Moment vor fast drei Jahren, als ich Pierre das erste Mal gesehen habe, sind auf diesen Augenblick hinausgelaufen. Es hat sich unendlich viel verändert seit damals, aber eines war immer unerschütterlich. Meine Liebe zu diesem Mann. Entschlossen ergreife ich Pierres rechte Hand und wiederhole die Worte, die der Priester mir vorspricht. Ich spiegle Pierres Verhalten, indem ich meine Worte und meine Gefühle in Gedanken wiederhole und an ihn übertrage.

      «Pierre Polignac, ich sage Ja zu dir in allen guten wie auch in allen schlechten Zeiten. Ich sage ja zu dir, wo der Weg einfach und eben ist und wir voller Freude zusammen sind. Ich sage ja zu dir, wo der Weg steil ist und uns die Hoffnung fehlt. Wenn du froh bist, werde ich bei dir sein, wenn du traurig bist, werde ich dich trösten. Wenn du Siege erringst, werde ich mich mit dir freuen, wenn dir Unrecht widerfährt, werde ich für dich kämpfen. Ich will dich lieben, achten und ehren und dir stets die Treue halten. Denn du bist mein Glück, meine Liebe, mein Leben. Dieser Ring soll das Zeichen meines Versprechens sein für alle Tage unseres Lebens.»

      Dann stecke ich ihm seinen Ring an. Der Priester ergreift unsere jeweilige rechte Hand, legt sie ineinander und umschließt sie mit seinen eigenen Händen.

      «So schließt jetzt vor Gott und vor der Kirche den Bund der Ehe, indem Ihr das Ja- Wort sprecht. Pierre Polignac, ich frage dich jetzt vor Gottes Angesicht: Nimmst du deine Braut Trish Strong an als deine Frau und versprichst du, ihr die Treue zu halten in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, und sie zu lieben, zu achten und zu ehren, bis der Tod euch scheidet?»

      «Ja» antwortet Pierre klar und deutlich.

      «Trish Strong, ich frage dich jetzt vor Gottes Angesicht: Nimmst du deinen Bräutigam Pierre Polignac an als deinen Mann und versprichst du, ihm die Treue zu halten in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, und ihn zu lieben, zu achten und zu ehren, bis der Tod euch scheidet?»

      «Ja» antworte ich so sicher und klar, wie es mir möglich ist.

      Damit legt der Priester seine Stola über unsere Hände.

      «Im Namen des dreieinigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, erkläre ich euch Kraft meines Amtes zu Mann und Frau. Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Trish und Pierre Polignac, möge der Segen des allmächtigen und gütigen Gottes allezeit mit euch sein.»

      Wieder versinkt die gesamte Umgebung im Hintergrund. Pierre ist alles, was ich sehe, sein Lächeln, das Stolz und Freude ausdrückt, seine Ausstrahlung, die ich viel stärker wahrnehme als früher, seine Präsenz, die mich in den siebten Himmel trägt. Ich bemerke kaum, dass der Priester noch etwas sagt.

      «Ihr dürft euch jetzt küssen.»

      Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Blitzschnell liege ich in Pierres Armen und wir küssen uns wie an jenem denkwürdigen ersten Abend. Dass unser Publikum in tosenden Applaus ausbricht, ist mir in diesem Augenblick völlig egal.

      2. Schatten

       Langsam schleiche ich durch die Straßen der menschenleeren Stadt. Alle meine Sinne sind aufs Äußerste gespannt. Ein leises Grollen rollt durch meine Kehle. Ich werde meine Beute finden, daran gibt es keinerlei Zweifel. Witternd bleibe ich stehen. Da! Ein Duft steigt mir in die Nase, der köstliche Duft einer warmen, pulsierenden Blutader. Doch der Duft verrät mir noch mehr. Mein Opfer hat Angst, Todesangst. Erwartungsvoll öffne ich meinen Mund, meine Eckzähne sind voll ausgefahren.

       Mein Opfer hat vollkommen Recht, Angst zu haben. Denn ich habe Durst, schrecklichen Durst. Deshalb bin ich ja auch auf der Jagd. Aber nicht nur deswegen. Die Jagd lässt mich das Leben in mir spüren, die Kraft, die Anspannung. Die Jagd ist Freude pur und hat nur ein Ziel. Da! Diesmal höre ich ein leises Knirschen von rechts, mein Opfer versucht, sich davonzuschleichen. Oh, es will leise sein, aber ich bin nicht umsonst das gefährlichste Raubtier auf Erden.

       Ich bin scheinbar erstarrt, meine Augen suchen die Wand des verfallen aussehenden Hauses ab. Die Hälfte der Fenster ist zerbrochen, aus einem weht eine dunkel schmutzige Gardine im leichten Wind. Entlang der Wand stehen alte Müllcontainer, die mit irgendwelchem Schrott gefüllt sind. In diesem Augenblick sehe ich einen huschenden Schatten zwischen zwei Container. Sofort setze ich mich in Bewegung. Ich mache mir nicht die Mühe, die Container zu umrunden, ich springe einfach darüber hinweg. Hinter dem Container wirbele ich zu meiner Beute herum.

       Es ist eine Frau, die jetzt begriffen hat, dass ich sie längst entdeckt habe. Sie rennt, wie nur jemand rennen kann, der weiß, dass er kurz davor steht zu sterben. Mein Mund verzieht sich zu einem verächtlichen Lächeln. Sie versucht, in die enge Gasse zwischen zwei Häusern zu gelangen, mich abzuhängen, indem sie sich in irgendwelchen dunklen Ecken verkriecht. Dabei ist sie doch nur ein Mensch, ein lächerlicher Mensch. Ich lasse sie Hoffnung schöpfen, indem ich nicht sofort