Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 3


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bist ein Freund. Denke nicht mehr daran, ok?»

      Charles Gesicht ist wieder eine nicht durchschaubare Maske.

      «Ich verstehe Madame. Ich danke ihnen.»

      Damit wendet er sich um und entflieht.

      Nachdenklich setze ich mich zu meinem Kaffee. Charles kommt in die Jahre und seine Vergesslichkeit könnte das Anzeichen einer Krankheit sein. Aber selbstverständlich ist Charles in all den Jahren nicht krank gewesen und mehr als eine gelegentliche Erkältung habe ich auch niemals bei ihm gesehen. Ich muss Pierre dazu bringen, Charles einmal zu einem Checkup zu schicken. Freiwillig geht er bestimmt nicht.

      Ich trinke gerade meinen zweiten Schluck, als ich spüre, dass Pierre herunterkommt. Er hat sich ganz geschäftsmäßig angezogen. Nicht gerade Anzug und Krawatte, aber doch elegant und funktionell. Er ist so gekleidet, wie man das von einem Chef eines kleinen Unternehmens erwartet. Pierre hat mir mal erzählt, dass er darauf ziemlich Wert legt, denn es geht ja nicht nur darum, einen geeigneten Bewerber auszuwählen, sondern auch darum, gute Bewerber durch einen guten Eindruck zu interessieren.

      Unser Begrüßungskuss wird von Charles unterbrochen, der mit dem Kaffee für Pierre hereinkommt.

      «Guten Morgen Monsieur.»

      Charles ist wieder der tadellose Butler, der keinerlei Fehler macht, aber Pierre scheint trotzdem etwas von der nervösen Spannung zu merken, die Charles ausstrahlt, zumal der es vermeidet, mich anzuschauen.

      «Guten Morgen Charles.»

      Als Charles nichts weiter sagt, schaut mich Pierre mit einem fragenden Blick an.

       Es ist nichts weiter. Charles hat eben einen Fehler gemacht und schämt sich deswegen.

       Charles und einen Fehler? Erzähl.

       Er hat vergessen, dass ich verwandelt bin und hat mir etwas zu essen serviert. Sag mal. Hat er in letzter Zeit öfter etwas vergessen? Vielleicht solltest du ihn mal zum Arzt schicken.

       Nicht, dass mir aufgefallen wäre. Aber du hast Recht. Ich werde einmal darauf achten und ihn untersuchen lassen. Ich vergesse nur zu leicht, dass er immer noch ein Mensch ist.

      Inzwischen hat Charles den Kaffee für Pierre angerichtet und blickt auf, um weitere Wünsche entgegenzunehmen.

      «Danke Charles. Trish und ich sind heute Vormittag nicht da, du hast das Haus also für dich.»

      «Sehr wohl, Monsieur. Ich wünsche ihnen einen erfolgreichen Vormittag.»

      Nachdem Charles das Zimmer verlassen hat, trinken wir beide still unseren Kaffee. Dieses Vorkommnis hat mich nachdenklich gemacht. Ich bin so an Charles Dienste gewöhnt, dass ich ihn fast nicht mehr zur Kenntnis nehme. Da ich nicht mehr älter werde, besteht die Gefahr, dass mir das in Zukunft öfter passiert. Das ist der erste Schritt dazu, Menschen generell als geringwertig zu ignorieren. Ein weiteres Indiz dafür, auf welchem Pfad ich mich befinde.

      Pierre ist auch in Gedanken versunken, schaut mich dann aber wieder konzentriert an.

      «Meinst du, dass du bis heute Nachmittag bei James fertig bist?»

      «Ich denke schon. Die Arbeit macht Jules schon von allein, ich will nur schauen, dass sich Großvater nicht überanstrengt.»

      «Kannst du dann auch noch die neuen Bestellungen bearbeiten? In der Nacht sind wieder ein paar hereingekommen.»

      «Klar mache ich.»

      Entgegen meinen Erwartungen ist der online Handel mit Wein in den letzten Jahren in Schwung gekommen und Pierre hat es geschafft, sich eine treue Stammkundschaft aufzubauen, die über ganz Europa verstreut sitzt. Das liegt hauptsächlich daran, dass Pierre seinen Webshop mit vielen Extras ausgestattet hat, wie online Weinseminaren, ausführliche Besprechungen von Weinen und Weingegenden, Empfehlungen von Lagen und Sorten, kostenlose Weinproben und so weiter. Das alles können die Leute zwar auch in guten Weingeschäften bekommen, aber eben nicht bequem von der Couch aus.

      Für unsere Web Präsenz haben wir auch extra einen Computer Freak eingestellt, der die ganze Technik für uns macht. Dazu haben wir noch zwei Leute für Verpackung und Versand, den Rest der Arbeit teilen Pierre und ich uns auf. Da ich das Kaufmännische schon bei Großvater auf dem Weingut gelernt habe, mache ich das Meiste davon, aber inzwischen ist der Papierkram dermaßen angewachsen, dass wir jetzt noch jemanden für das Büro einstellen wollen. Dadurch werden Pierre und ich uns auf die Auswahl der Weine, Einkauf und Vertrieb konzentrieren können. Ich habe seit meiner Verwandlung gelernt, welche Vorteile es in diesem Geschäft hat, dass ich jetzt eine sehr empfindliche Nase habe und erheblich mehr Düfte erkennen kann, als mir dies als Mensch noch möglich war.

      Langsam wird es Zeit aufzubrechen. Ich sehe, dass auch Pierre seinen Kaffee ausgetrunken hat und stehe fast synchron mit ihm auf. Lächelnd nimmt er mich in den Arm.

      «Schöne Grüße an James, Liebste.»

      «Bestelle ich. Und du sieh zu, dass du einen jungen, hübschen Kerl einstellst. Deine Frau will schließlich etwas fürs Auge haben.»

      Pierre zieht die Augenbrauen hoch.

      «Kommt gar nicht in Frage, Madame. Ich dachte da eher an eine junge Dame, die man ab und zu – eh – zum Essen ausführen kann.»

      Ich wackle mit meinem Zeigefinger vor seiner Nase.

      «Untersteh dich. Solche Angestellte haben die Tendenz, hysterische Anfälle zu bekommen und wegen anhaltender Angstzustände arbeitsunfähig zu werden.»

      «Ach komm. So schlimm ist die Chefin des Unternehmens auch wieder nicht. Und gegen dich kann sowieso keine anstinken.»

      Mit einem Kuss erstickt er einfach allen Widerspruch, den ich noch auf den Lippen haben könnte. So ein Mistkerl, immer hat er das letzte Wort. Aber eigentlich liebe ich ihn dafür. Also gebe ich mich einfach diesem Kuss hin, der ein deutliches Versprechen enthält.

      Schließlich löse ich mich lachend.

      «Nun aber los. Du willst unseren ersten Bewerber doch nicht gleich zu Anfang warten lassen.»

      Pierre seufzt theatralisch, lässt mich aber los.

      «Na gut. Geh schon mal, ich hole noch ein paar Unterlagen aus dem Büro.»

      Ich werfe ihm noch eine Kusshand zu und mache mich dann auf den Weg. Großvaters Weingut liegt ein paar Autominuten außerhalb von Lorgues, so dass ich ziemlich schnell dort bin. Ich hätte den Weg auch laufen können, als Vampirin wäre ich sogar schneller, als mit dem Auto. Aber ein Mensch hätte gut eine halbe Stunde dafür benötigt, also fahre ich lieber, um nicht aufzufallen. Das Gut selbst ist ein sehr altes Anwesen, das bereits seit langer Zeit für Weinbau benutzt wird. Äußerlich sieht das Haupthaus aus, wie ein typisches altfranzösisches Bauernhaus, aber innen ist es immer wieder von den jeweiligen Besitzern renoviert und saniert worden. Als wir es vor einigen Jahren unerwartet geerbt hatten, hat Großvater nur wenig tun müssen, um es in ein modernes und gemütliches Heim zu verwandeln. Hier war ich in den letzten Jahren wahrhaft zuhause.

      Im Haus treffe ich zunächst niemanden an, also schaue ich in der Küche nach. Erwartungsgemäß finde ich Catherine dort, die den Haushalt führt und schon so gut wie zur Familie gehört.

      «Hallo Catherine. Weißt du, wo Großvater ist?»

      Catherine wendet sich von ihrer Arbeit ab, um mich in den Arm zu nehmen.

      «Hallo Trish. Ich glaube, er ist mit Jules drüben bei der Kelter.»

      «Ok, dann geh ich gleich zu ihm.»

      «Bleibst du zum Mittagessen?»

      «Ich denke nicht, ich muss noch etwas für Pierre erledigen.»

      Catherine nickt traurig und ich wende mich schnell ab, um nicht zu zeigen, wie schwer es mir fällt, sie immer wieder zu enttäuschen. Früher war es für mich selbstverständlich gewesen, bei den Mahlzeiten dabei zu sein und Catherine kann auch