Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 3


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Tag Madame. Wünschen Sie etwas zu trinken?»

      «Guten Tag, Charles. Ein Kaffee wäre jetzt das Richtige.»

      «Sehr wohl, Madame.»

      Er will sich gerade zurückziehen, da halte ich ihn mit einer Frage zurück.

      «Charles?»

      «Madame?»

      «Du kennst Pierre jetzt schon wie lange?»

      «Beinahe dreißig Jahre, Madame.»

      «Und war er in dieser Zeit jemals gewalttätig gegen Menschen?»

      Charles betrachtet mich stirnrunzelnd. Er ahnt wohl, dass ich einen besonderen Grund für diese Frage habe, aber er erlaubt es sich nicht, danach zu fragen.

      «Nein Madame. Er hat vor etwa zwanzig Jahren eine Firma mit fast einhundert Mitarbeitern geführt, da ist es durchaus zu Konflikten gekommen. Aber Monsieur hat aus seiner Stärke immer auch die Ruhe gewonnen, den Menschen in diesen Konflikten überlegen zu sein. Da hatte er es nicht nötig, gewalttätig zu werden.»

      «Danke, Charles.»

      Das habe ich mir gedacht. Pierre hat seinen Vampir viel besser unter Kontrolle, als ich. Vor zwanzig Jahren hat auch Mireille noch gelebt, seine erste Frau und Blutgefährtin. Sie hat ihn menschlich gemacht, also konnte er wie ein Mensch agieren, aber mit der Stärke und der Schnelligkeit eines Vampirs. Aber wer macht mich menschlich? Und wenn ich aufhöre, menschlich zu sein, wer macht dann Pierre menschlich?

      Mit Mühe schüttele ich die düsteren Gedanken ab. Ich bin, was ich bin, zu was mich Baxter gemacht hat. Es gibt keinen Weg zurück. Also bleibt mir nur, mich damit abzufinden, dass ich jetzt viel stärker als früher den Wunsch habe, Menschen zu beherrschen, zu töten und zu jagen. Ich muss halt vermeiden, mich aufzuregen. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass schon später Mittag ist. Ich hatte Pierre versprochen, noch die Bestellungen zu bearbeiten, also sollte ich mich mal langsam daransetzen. Doch vorher muss ich Großvater noch von dem netten Herrn Dupont berichten. Also greife ich zum Telefon, Großvater geht bereits beim dritten Klingeln dran.

      «Trish?»

      «Hallo Großvater. Ich habe keine guten Nachrichten.»

      «Was ist los?»

      «Ich war bei der Zulieferfirma. Sie ist tatsächlich von einem neuen Juniorchef übernommen worden und er will nicht weiter mit uns Geschäfte machen.»

      «Wieso das denn?»

      «Der Neue ist ein Monsieur Dupont. Ich kenne den von früher. Er ist aktives Mitglied bei der Front National und scheint der Meinung zu sein, wir würden unsere Saisonarbeiter zu gut bezahlen.»

      «Was soll das denn? Ist der verrückt? Alle Weinbauern bezahlen ihre Saisonarbeiter gut.»

      «Ja, aber offensichtlich ist unser Monsieur Dupont der Meinung, man muss denen einen Hungerlohn zahlen, um sie aus dem Land zu ekeln.»

      Dazu schweigt Großvater einen Moment. Ich kann fast sehen, wie sein Unterkiefer arbeitet, wie immer, wenn er verärgert ist.

      «Na gut, Trish. Da kann man wohl nichts machen, dann werden wir unser Zubehör eben woanders kaufen.»

      «Äh, Großvater?»

      «Was ist?»

      «Nun ja, es kann sein, dass ich ein wenig, nun ja, wütend geworden bin. Möglicherweise beschwert sich dieser Monsieur Dupont in seinen Kreisen, dass ich ihn angegriffen habe.»

      «Und? Hast du ihn angegriffen?»

      «Du musst ihn dir mal anschauen, Großvater. Er ist bestimmt dreißig Kilo schwerer als ich.»

      «Ich habe nicht die Absicht, diesem Monsieur Dupont in irgendeiner Weise näher zu kommen.»

      «Ich wollte dich nur vorwarnen. Falls du irgendwelche Gerüchte hörst, kannst du ja immer noch betonen, dass ich ihn immerhin nicht umgebracht habe.»

      Großvater lacht, vermutlich kann er sich nicht vorstellen, dass ich jemanden umbringen könnte.

      «Gut Trish, das werde ich. Danke für deine Mühe.»

      «Kein Problem. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend.»

      «Dir auch, Trish. Auf Wiederhören.»

      Gott sei Dank hat Großvater nicht gemerkt, dass ich seiner Frage nach dem Angriff ausgewichen bin. Nicht, dass ich nicht auch lügen könnte, aber seit den Ereignissen vor drei Jahren habe ich eine Aversion dagegen, Großvater anzulügen. Lügen führen in der Regel zu noch mehr Lügen und das ganze Lügengebäude bricht dann irgendwann zusammen. So, jetzt muss ich mich aber an meine Arbeit machen.

      Mit einem Klick der Maus nehme ich mir die nächste Bestellung vor. Als ich den Kundennamen markiere, zeigt mir das Programm an, dass wir es hier mit einem Neukunden zu tun haben. Erwartungsgemäß will er eine Weinprobe haben. Die meisten Neukunden wollen das. Das Angebot mehrerer kleiner, aber kostenloser Flaschen verschiedener Weine ist unser bestes Zugpferd, Leute für diese Art, Wein zu kaufen, zu interessieren. Wein im Internet zu verkaufen ist ein sehr neuer Vertriebsweg und es ist schwer, sich gegen die klassische Verkaufskonkurrenz durchzusetzen. Aber entgegen meiner Skepsis hat sich der Riecher von Pierre bewährt und unser Geschäft fängt an, zu florieren.

      Doch die Ereignisse von heute Mittag beschäftigen mich immer noch, so dass ich es kaum schaffe, die Konzentration für meine Arbeit aufzubringen. Dazu kommt noch das Foto, das neben dem Bildschirm auf dem Schreibtisch steht. Immer wieder gleitet mein Blick dorthin. Es zeigt mich, eine junge, schlanke Frau in einem Traum von Kleid. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal sehen würde, wie das Hochzeitskleid an mir ausgesehen hat, aber dank der Errungenschaften der Digitalfotografie kann ich das jetzt jederzeit tun. Auf einem klassischen Foto wäre nichts zu sehen gewesen und unser Fotograph wäre sehr traurig darüber gewesen. Auch Pierre ist mit auf dem Bild, glücklich lächelnd, in seinem rassigen Anzug. Es ist das schönste Bild von Pierre und mir, das an diesem Tag gemacht worden ist.

      Auf dem Foto kommt es mir so vor, als wäre ich schlanker als früher und den verschiedenen Bemerkungen von Großvater nach, habe ich in letzter Zeit tatsächlich Gewicht verloren. Aber das ist auch kein Wunder bei der extrem kohlehydratarmen Art von Nahrung, die ich jetzt zu mir nehme. Etwa ein Mal im Monat ziehen Pierre und ich los und suchen zwei Blutwirte, die nicht nur bereit sind, uns Leben in Form von Blut zu schenken, sondern auch bereit sind, den Sex, der damit unvermeidlich verbunden ist, miteinander zu teilen, anstatt mit dem Vampir. Denn in dieser Hinsicht gehört Pierre alleine mir und das macht eine Ehe von zwei Vampiren auch so schwierig.

      Zähneknirschend rufe ich die nächste Bestellung auf. Ich will diese Arbeit endlich erledigen. Aber ich schaffe es lediglich, zwei weitere zu bearbeiten, bevor meine Gedanken wieder abschweifen. Die Hochzeit war der glücklichste Tag meines Lebens gewesen und ich will, dass es dabei bleibt. Diese Schatten in mir werde ich überwinden und eine Ewigkeit mit Pierre glücklich sein, basta.

      Meine Gedanken werden durch eine Bewegung vor den Grenzen unseres Chateaus unterbrochen. Das Herrenhaus ist groß, 15 Zimmer, eine obere Etage, einen von einer Mauer umgrenzter Innenhof und eine wunderschöne Kastanienallee, die auf den weiten Bogen unseres Eingangstores führt. Vampire mögen es groß und geräumig und inzwischen kann ich das nachvollziehen. Draußen muss ich immer auf der Hut sein, immer aufpassen, dass ich nicht auffalle, also ist es gut, einen Bereich zu haben, in dem ich so sein kann, wie ich eben bin.

      Draußen hat ein Auto gehalten und jemand ist ausgestiegen. Als Mensch hätte ich das nicht mitbekommen, aber meine vampirischen Sinne sind so viel schärfer. Unwillkürlich scanne ich den Ankömmling darauf, ob er ein Vampir oder ein anderes übernatürliches Wesen ist, aber ich spüre nichts. Also ist es vermutlich ein Mensch und Charles kann sich darum kümmern. Bewusst blende ich die Geräusche aus, die zeigen, dass der Ankömmling geklingelt hat und jetzt mit Charles redet. Ich muss endlich diese Bestellungen fertig bekommen. Doch kaum habe ich die Nächste geöffnet, werde ich dadurch aus der Konzentration gerissen, dass Charles vor der Tür steht und klopfen