Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 3


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runzelt die Stirn und blickt mich an. Ich sehe, dass sich ihr Gesicht anspannt, wie das immer der Fall ist, wenn sie wütend ist.

      «Du willst, dass ich mich zur Irren mache, obwohl ich gar nicht irre bin. Du hast mir das schließlich alles eingebrockt.»

      Jetzt werde ich selbst wütend.

      «Wieso habe ich dir das eingebrockt? Ich habe dich eindringlich vor Jerome gewarnt. Ich habe versucht, dich davon abzuhalten, dich in etwas zu stürzen, dessen Konsequenzen du nicht verstehen kannst. Ich habe dich beschworen, dich aus einer Welt zu lösen, die nicht die deine ist.»

      «Du hast mich angelogen.»

      «Ich habe versucht, dich zu schützen.»

      «Aber erst lebst du fast zwei Jahre unter meinem Dach. Warum bist du nicht bei einem deiner Art untergekrochen?»

      Einen Moment ziehen wieder rote Schlieren vor meinen Augen, so wütend bin ich. Nach dem, was ich getan habe, um Valerie abzuschirmen, sind ihre Vorwürfe mehr als ungerecht. Mein Herz beginnt wieder zu schmerzen, meine Muskeln spannen sich, die Emotionen drohen, mit mir durchzugehen. Aber das dürfen sie nicht, das würde nur meine Vampirin hervorlocken. Ich will Valerie anschreien, aber ich beherrsche mich. Als Vampir die Beherrschung zu verlieren, kann katastrophale Folgen haben.

      «Ich bin bei einem meiner Art untergekrochen.»

      Jetzt schnappt Valerie nach Luft und funkelt mich an.

      «Ich bin nicht von deiner Art.»

      «Ich war von deiner Art.»

      Das verblüfft Valerie. Ihr Gesichtsausdruck wird unsicher.

      «Wie meinst du das?»

      «Warum meinst du wohl habe ich mein Studium abgebrochen? Verwandelt darf ich in Montpellier nicht studieren.»

      «Warum das denn?»

      «Das hat Gründe, die dich aber nichts angehen. Es sind interne Gründe meiner Art, meiner jetzigen Art. Tatsache ist, dass ich ein Mensch war, studieren wollte und dich in diese ganze Sache niemals reinziehen wollte. Es tut mir leid, dass das nicht funktioniert hat, aber was geschehen ist, ist geschehen. Du musst jetzt einfach damit umgehen, genauso wie ich.»

      Das bringt Valerie einen Augenblick zum Nachdenken. Aber ihre Wut ist stärker.

      «Du hast gut reden. Du hast in diesen Palast hier reingeheiratet und machst jetzt, was auch immer ihr so den ganzen Tag macht. Aber Jerome hat mein Leben zerstört, wegen ihm wird mir der Mann meines Lebens abhauen. Ich habe nachts Albträume, ich schrecke hoch, weil ich das Gefühl habe, er würde jeden Augenblick vor der Tür stehen. Wenn Andrej mich in den Arm nimmt, dann sehe ich Jeromes Zähne und mein Körper verspannt sich in Erwartung von dem Kick, der nicht kommt.»

      «Jerome wird niemals wieder auftauchen.»

      «Woher willst du das wissen? Die Polizei fahndet nach ihm, aber er ist bislang verschwunden.»

      «Die menschliche Polizei fahndet nach ihm, er wird aber niemals gefunden werden. Meine Art kann man nicht einsperren. Entweder du hältst dich an die Gesetze oder…»

      Das bremst Valerie endgültig. Sie hat sehr wohl verstanden, ich muss ihr nicht erzählen, dass ich selbst für Gerechtigkeit gesorgt habe. Jerome war der erste, den ich getötet habe. Ich benutze die Pause, um auf das eigentliche Problem zurückzukommen.

      «Valerie. Was geschehen ist, ist geschehen. Ich kann es nicht mehr rückgängig machen. Jetzt hängt es allein an dir und deinem Andrej, welcher Weg möglich ist. Wenn er dich wirklich liebt, wird er dich so lieben, wie du jetzt bist. Wenn nicht, dann gib ihm den Laufpass und vergiss ihn.»

      Valerie senkt ihren Kopf. Die Wut läuft aus ihr heraus, wie Wasser aus einem zersprungenen Glas.

      «Ich will doch nur, dass er mir glaubt. Wenn ihm klar ist, was tatsächlich geschehen ist, dann wird er auch ganz anders mit mir umgehen. Jetzt denkt er, ich würde mir irgendwelche Geschichten ausdenken und ist davon überzeugt, dass ich nur durch eine Behandlung so normal werden kann, dass er sein Leben mit mir verbringen kann.»

      «Dann geh doch in eine Behandlung. Erzähle dem Therapeuten, was passiert ist und er wird es so nehmen, wie du das erzählst. Für ihn ist es gleichgültig, ob du die Wahrheit sagst oder nicht, er wird dir helfen, damit zurechtzukommen.»

      Das facht Valeries Wut aber nur wieder an.

      «Ich will nicht, dass mir irgendein dahergelaufener Therapeut glaubt, ich will, dass mir Andrej glaubt. Ich will ihm nicht vorspielen, ich wäre eine geheilte Irre, nur damit sein Weltbild erhalten bleibt. Er soll begreifen, was ihr mir angetan habt.»

      Langsam hole ich tief Luft. Offensichtlich fühlt sich Valerie besser, wenn sie mir die Schuld zuschieben kann.

      «Wie auch immer. Warum bist du hier?»

      Valerie stockt, an ihren Augen sehe ich, dass sie jetzt zu dem eigentlichen Anlass ihres Besuches kommt. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich nicht erfreut sein werde.

      «Na ja. Ich dachte, wenn mir Andrej nicht glaubt, egal, was ich sage, so wäre er doch gezwungen, einem von euch zu glauben. Es ist ziemlich schwer, euch für eine Erfindung zu halten, wenn man die Zähne direkt vor Augen hat. Und du bist die einzige, die ich aus eurer Welt kenne, du und Pierre. Also hatte ich gehofft, dass du…»

      Aha, daher weht also der Wind. Ich soll das Monster spielen, damit dieser Andrej Valerie ernst nimmt.

      «Aber Valerie. Wir dürfen unsere Existenz nicht einfach in die Welt hinausposaunen. Das könnte grauenhafte Konsequenzen haben.»

      «Aber immer, wenn ihr jemandem Blut abzapft, dann macht ihr doch klar, dass es euch gibt.»

      «Ja, aber das sind immer einzelne Leute, von denen im Zweifel angenommen wird, dass sie Wahnvorstellungen hatten, so wie bei dir.»

      «Aber Andrej wäre ja auch nur ein einzelner und wenn er versuchen würde, es an die große Glocke zu hängen, würde ich ihn stoppen.»

      Offensichtlich hat sich Valerie die Sache gut ausgedacht. Im Grunde hat sie Recht. Einen einzelnen Menschen im privaten Umfeld über die Existenz der übernatürlichen Welt aufzuklären, hätte vermutlich nicht schwerwiegendere Konsequenzen, als sich einen neuen Blutwirt zu suchen. Und was auch wichtig ist, ich möchte Valerie gerne helfen. Der Bruch zwischen uns war sehr schmerzhaft. Wir haben uns so nahe gestanden, dass ich dachte, wir würden ein Leben lang Freundinnen bleiben können. In Montpellier habe ich ständig versucht, Valerie von unüberlegten Beziehungen abzuhalten. Dass sie jetzt so überzeugt von Andrej als den Mann ihres Lebens berichtet, macht mich zusätzlich neugierig. Kurzentschlossen treffe ich eine Entscheidung.

      «Na gut», sage ich, «ich werde deinen Andrej aufklären.»

      Ein Strahlen geht über Valeries Gesicht, ihr fällt sichtlich eine schwere Last vom Herzen.

      «Danke. Danke, Trish.»

      «Aber dir muss klar sein, dass das auch massiv nach hinten losgehen kann. Vielleicht lässt er dich endgültig fallen, weil du ihm ein Monster auf den Hals gehetzt hast.»

      Oder er will die Öffentlichkeit um jeden Preis informieren, woraufhin ich ihn beseitigen müsste. Aber das erzähle ich Valerie lieber nicht. Sie lässt aufgrund meiner Bemerkung wieder den Kopf hängen.

      «Ich habe ihn ja schon so gut wie verloren. Das Risiko muss ich eingehen.»

      Dazu schweige ich lieber. Dieser Andrej muss Val schon ziemlich tief erwischt haben, so wie sie jetzt reagiert. Früher war sie immer schnell bereit, eine Beziehung einzugehen, aber sie ist über ein Scheitern auch immer schnell weggekommen. Zumindest von ihrer Seite scheint es diesmal echt ernst zu sein. Ich kann nur hoffen, dass es Andrej auch Wert ist.

      «Wie kann ich ihn denn am besten treffen?»

      «Übermorgen fahre ich zu meinem jüngeren Bruder. Ich habe mir dafür extra freigenommen. Andrej hat noch keine Pläne für den Abend, das wäre für dich die beste Zeit, mit ihm