Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 3


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dass sich das bald einpendeln wird, aber die Speckröllchen, vor denen ich mich früher immer gefürchtet habe, weil meine Sucht nach Crêpes und Co zu stark war, sind wohl jetzt kein Thema mehr. Deshalb habe ich das Kostüm auch sehr figurbetont und eng gekauft. Pierres Augen haben ziemlich geleuchtet, als er mir sagte, dass es mir ausgezeichnet steht. Zusammen mit eleganten Schuhen und einer passenden Feinstrumpfhose sollte das ausreichen, um die Neugier jedes Mannes zu wecken, der nicht gerade ein Eunuch ist.

      Nachdem die Kleidungsfrage geklärt ist, sind die anderen logistischen Details kein Problem mehr. Das Navi wird mir den Weg zu dem Ingenieurbüro zeigen und ganz in der Nähe finde ich auch ein Hotel, in dem ich ein Zimmer vorbestelle. Ich könnte zwar noch in der Nacht nach Hause fahren, als Vampirin brauche ich nicht mehr ganz so viel Schlaf wie früher, aber auf der anderen Seite gibt es keinen Grund, die Sache nicht gemütlich angehen zu lassen. So habe ich den ganzen Abend, um Andrejs Weltbild auf den Kopf zu stellen und kann auch noch beobachten, wie er das Ganze aufnimmt.

      Es gelingt mir sogar, Pierre dazu zu überreden, mir seinen Ferrari zu überlassen. Der Ferrari ist Pierres absoluter Lieblingswagen, ein Sportwagen der alten Schule, mit einem Sound, bei dem er immer ganz träumerische Augen bekommt. Ich durfte ihn früher ab und zu mal fahren, aber nur in Pierres Begleitung und immer hat Pierre dabei einen schmerzvollen Gesichtsausdruck bekommen. Als Mensch hatte ich mich nicht getraut, mehr als 150 zu fahren, vor den höheren Geschwindigkeiten hatte ich einfach zu viel Respekt. Das hat Pierre aber als Vergewaltigung des Motors empfunden, ein Sportwagen soll schließlich ausgefahren werden.

      Seit meiner Verwandlung habe ich aber keine Probleme mehr mit der Geschwindigkeit. Meine Reflexe und mein Gefühl für das Auto sind ungleich besser geworden und auch meine Sehfähigkeiten sind nicht mit früher zu vergleichen. Und selbst, wenn ich einen Unfall bauen würde, so würde mich meine vampirische Konstitution Situationen überleben lassen, bei denen ich früher sofort tot gewesen wäre. Es ist immer noch selten, dass ich den Ferrari fahren darf, aber das liegt vor allem daran, dass Pierre selbst viel zu gerne damit fährt.

      Nachdem alles geklärt ist, mache ich mich an dem verabredeten Tag auf den Weg in die Mitte Frankreichs. Die Fahrt verläuft ohne besondere Vorkommnisse, ich genieße das gemütliche Fahren auf der Autobahn, das Wetter ist trocken und auf den Straßen relativ wenig los. Auf diese Weise bin ich bereits kurz nach Mittag am Ziel. Daher fahre ich zuerst zu dem Hotel, wo ich den Wagen parken kann. Das Ingenieurbüro ist von dort nur drei Querstraßen entfernt. Die Stadt macht den typischen Eindruck einer französischen Provinzstadt. Man sieht viele alte, aber nett aussehende Häuser. Die Straßen sind verwinkelt und bestehen teilweise noch aus Kopfsteinpflaster. Es gibt kleine Geschäfte für den täglichen Einkauf und natürlich einen Marktplatz mit Kirche, um den sich alles Leben gruppiert.

      Es ist genau die Art Stadt, in der ich mir Valerie immer vorgestellt habe. Es wäre auch höchst ungewöhnlich, wenn sich hier eine größere Gruppe von übernatürlichen Wesen herumtreiben würde, zumindest keine Vampire. Die bevorzugen einfach die größeren Städte. Vielleicht könnte man hier eine Gruppe Werwölfe finden, die mögen die freie Natur sehr gerne, wie mir Tante Anna mal erzählt hat. Aber ich hoffe, dass ich keine treffe, denn soviel ich weiß, stehen sie den Vampiren im Allgemeinen sehr feindselig gegenüber.

      Ich verschiebe einen ausführlichen Bummel durch die Stadt auf später und konzentriere mich erst einmal darauf, eine Verabredung mit einem fremden Mann zu bekommen. Das Ingenieurbüro liegt im Erdgeschoss eines etwas moderneren Hauses, in dem verschiedene Firmen, Ärzte und Anwälte untergebracht sind. Hinter dem Eingang befindet sich ein Empfang, von dem mir eine relativ junge Frau entgegenblickt.

      «Guten Tag, Madame», begrüßt sie mich freundlich.

      «Guten Tag. Ich würde gerne zu Monsieur Bonnet.»

      «Sehr gerne. Kann ich bitte ihren Ausweis sehen?»

      Ich gebe ihr meinen Ausweis und sie überträgt meine Daten in eine Liste.

      «Monsieur Bonnets Büro befindet sich dort den Gang herunter, dann nach links durch das Großraumbüro, das zweite Büro auf der linken Seite.»

      Ich bedanke mich und mache mich auf die Suche. Von dem Gang zweigen verschiedene Besprechungsräume, eine Küche und Toiletten ab und an dessen Ende befinden sich zwei große, offene und lichtdurchflutete Räume. Ich wende mich nach links. Der Raum enthält etwa zehn bis fünfzehn Arbeitsplätze, die meisten sind mit einem Schreibtisch, einem Computer und einem großen Zeichentisch ausgestattet. Überall arbeiten Menschen, von denen etwa ein Drittel Frauen sind. Die Meisten sitzen an ihren Computern und haben irgendwelche technischen Zeichnungen vor sich oder Tabellen mit Zahlen und Diagrammen. Dergleichen habe ich oft bei Valerie gesehen, die sich ja in die technische Richtung spezialisiert hatte. Ich selbst bin kein Freund dieses technischen Krams, mir sind lebende Pflanzen viel lieber.

      Während ich zu dem Büro gehe, zu dem mich die Empfangsdame gewiesen hat, fallen einige Blicke auf mich. Die Frauen runzeln die Stirn, die Männer machen große Augen und vergessen ihre Arbeit. Offensichtlich wirkt mein schickes Outfit. Ich muss ein wenig lächeln, während ich immer stärker im Mittelpunkt des Interesses stehe. Früher wäre mir das unangenehm gewesen, aber jetzt macht mir so viel Aufmerksamkeit nichts mehr aus. Als Vampirin bin ich allen Menschen hier an Kraft und Schnelligkeit überlegen.

      Das Büro, an dessen Eingang sich ein Schild mit der Aufschrift „A. Bonnet“ befindet, ist leer, daher schaue ich mich suchend um. Ich versuche zu erraten, wer der Anwesenden wohl Andrej ist. In der Nähe des Büros sitzt ein Mann mittleren Alters, der meinen Blick bemerkt hat.

      «Sie wünschen?»

      «Ich suche Monsieur Bonnet.»

      Der Mann steht auf, schaut sich ebenfalls um und blickt dann in Richtung des Fensters, wo ich eine Gruppe von drei Leuten sehe, die über eine Zeichnung gebeugt zu sein scheinen.

      «Andrej» ruft der Mann laut.

      Aus der Gruppe blickt ein schlanker Mann mit schwarzen, kurzgeschnittenen Haaren auf.

      «Besuch für dich.»

      Der Blick Andrejs fällt auf mich. Er runzelt die Stirne, sagt ein paar Worte zu den anderen beiden und kommt dann auf mich zu. Das gibt mir die Gelegenheit, ihn in Ruhe zu betrachten. Er ist hochgewachsen, etwa einen halben Kopf größer als ich, und mit einer dunkelroten Jeans und einem blauen Hemd bekleidet. Sein Gesicht ist markant, er hat klare Konturen, einen leichten Schatten um das Kinn, eine kleine Nase und lebhafte Augen. Sein Gang ist energiegeladen und athletisch. Ein interessanter und schöner Mann, so viel muss man Valerie lassen. Er blickt mir interessiert entgegen, der offene und neugierige Blick gefällt mir. Als er mich erreicht, streckt er mir ohne Umschweife seine Hand zur Begrüßung hin.

      «Guten Tag, Madame. Ich bin Monsieur Bonnet.»

      «Guten Tag Monsieur. Ich heiße Trish Polignac. Hätten Sie ein paar Minuten Zeit für mich?»

      «Aber selbstverständlich. Bitte kommen Sie in mein Büro. Kaffee?»

      «Gerne. Mit Milch ohne Zucker bitte.»

      Während Andrej einen Kaffeeautomaten bedient, der in seinem Büro steht, setze ich mich und versuche, einen Eindruck von dem Menschen zu bekommen, der hier arbeitet. Alles sieht aus, als wäre es an seinem Platz, also ist Andrej vermutlich recht ordentlich, aber sein Schreibtisch ist weniger aufgeräumt. Möglicherweise versinkt er in seiner Arbeit, so dass seine Ordnungsliebe dann in den Hintergrund tritt. Die Bewegungen, mit denen er den Kaffee bereitet, sind präzise, obwohl er ab und zu einen neugierigen Seitenblick auf mich wirft. Doch er hält sich zurück, bis er eine Tasse vor mir abstellt.

      Andrej nimmt auf seinem Bürostuhl Platz.

      «Wie kann ich ihnen helfen, Madame Polignac?»

      Ich nehme einen Schluck von dem Kaffee, das Aroma ist sanft, die Milch frisch. Ich lächele ihm zu.

      «Es tut mir leid, sie hier während ihrer Arbeitszeit zu überfallen, aber mein Anliegen ist eher privater Natur.»

      Das vertieft die Verwirrung auf seinem Gesicht.

      «Aha,