Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 3


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Geruch des Weines. Dann halte ich ihm das Glas hin.

      «Wäre es ein erster Schritt, wenn wir das Förmliche Sie hinter uns lassen?»

      Andrej schaut mir intensiv in die Augen, nimmt ebenfalls sein Glas und stößt mit mir an.

      «Ich bin Andrej.»

      «Ich heiße Trish.»

      Jeder von uns nimmt ein Schluck, dann runzelt Andrej wieder einmal die Stirn. Ich glaube, dass das seine Art ist auszudrücken, dass er etwas nicht versteht oder irritiert ist. Er macht das jetzt zum wiederholten Mal, vielleicht bringe ich ihn gründlich aus dem Konzept. Ein schöner Gedanke.

      «Du hast sehr interessante Augen, Trish.»

      «So? Eigentlich war ich immer der Meinung, dass meine Augen ganz gewöhnlich sind.»

      «Ich kann einfach nicht sagen, welche Augenfarbe du hast. Eigentlich sind deine Augen blau. Aber immer wieder scheinen sie gelb zu leuchten. So etwas habe ich noch nie gesehen.»

      Oha, meine Augen haben immer mal wieder gelb geblitzt? Das kann nur bedeuten, dass Andrej meine Vampirin sehr beeindruckt hat, wenn sie sich auf diese Weise bemerkbar macht.

      «Meine Augenfarbe ist blau.»

      «Also bilde ich mir das mit dem gelben Leuchten nur ein?»

      «Vielleicht.»

      Schon wieder runzelt Andrej die Stirn. Jetzt wird es wohl langsam Zeit, dass ich auf mein eigentliches Anliegen zu sprechen komme.

      «Woran glaubst du Andrej?»

      «Woran ich glaube? Offiziell bin ich natürlich katholisch, aber tatsächlich bin ich nicht sehr religiös. Ich bin Ingenieur, ich glaube an Dinge, die ich sehe, die ich anfassen kann, die ich berechnen kann. In meinem Beruf sollte man sich nicht irgendwelchen Mythen hingeben, auch wenn sie zu der Tradition unseres Landes gehören.»

      «Und wie ist es mit anderen verborgenen Dingen, wie übernatürlichen Phänomenen?»

      «Du meinst Dinge wie Zauberei, Geister, Dämonen und so?»

      «Ja. Aber auch Wesen wie Vampire, Gestaltwandler und Werwölfe.»

      «Ich bin ein sehr rational eingestellter Mensch, solche Phantasien sind ja vielleicht…»

      Plötzlich starrt mich Andrej an, ich kann sehen, wie er die Verbindung herstellt.

      «Valerie! Du redest mit mir wegen Valerie. Die gemeinsame Freundin, von der du gesprochen hast, ist Valerie.»

      Ich bestätige das nicht, aber ich bestreite es auch nicht. Stattdessen nippe ich an meinem Wein und beobachte die Reaktion Andrejs. Eine ganze Welle von Emotionen geht durch sein Gesicht. Ich kann Zuneigung sehen, Sehnsucht, aber auch Schmerz. Wie immer Andrej zu Valerie genau steht, sie ist ihm sichtlich unter die Haut gegangen. Ich bin mittlerweile fest davon überzeugt, dass Andrej tatsächlich ein Glücksgriff von Valerie ist. Wenn sie ihre Probleme irgendwie gelöst bekommen, dann sind die beiden wie geschaffen füreinander. Inzwischen hat sich Andrej wieder im Griff, seine Augen haben einen harten Glanz bekommen.

      «Hat dich Valerie geschickt?»

      «Sie ist zu mir gekommen und hat mich gebeten, mit dir zu reden.»

      «Warum du?»

      «In gewisser Weise bin ich an den Problemen, die ihr miteinander habt, mit Schuld.»

      «Soll das heißen, du weißt, was mit Val geschehen ist und was hinter ihrer – ihren Schwierigkeiten steckt?»

      «Ja.»

      «Also heraus damit. Valerie wollte mir einfach nicht sagen, was vorgefallen ist.»

      «Wieso glaubst du, dass sie es dir nicht sagen wollte?»

      «Du hast mich doch nach diesen übernatürlichen Wesen gefragt. Das heißt, du weißt, was sie mir erzählt hat. Es kann sogar sein, dass sie selber tatsächlich daran glaubt, zumindest hat sie sehr überzeugt geklungen. Aber nur, wenn sie sich der Wahrheit stellt, kann ihr – uns geholfen werden.»

      «Und was ist, wenn du es bist, der sich der Wahrheit stellen muss?»

      Das hat Andrej wohl nicht erwartet. Wieder runzelt er die Stirn und starrt mich intensiv an.

      «Soll das heißen, du unterstützt diese Geschichte?»

      «Das muss ich wohl. Wie du sagtest kann euch nur geholfen werden, wenn ihr euch der Wahrheit stellt. Und was Valerie dir erzählt hat, ist die Wahrheit.»

      Das macht Andrej sprachlos, langsam schüttelt er den Kopf. Wieder kämpfen mehrere Emotionen in seinem Ausdruck. Zuerst ist er zornig, doch dann überrollt ihn eine tiefe Traurigkeit. Schließlich schließt er die Augen und wirkt erschöpft und resigniert.

      «Deswegen also hat Valerie dich geschickt. Du glaubst auch an den ganzen übernatürlichen Quatsch.»

      «Ich glaube nicht nur daran. Ich weiß, dass er wahr ist.»

      «Ja klar, natürlich.»

      Das kommt dermaßen resigniert und so dämlich in der ich-weiß-es-besser Art heraus, dass ich langsam wütend werde.

      «Du bist ein echter Holzkopf, Andrej. Du gibst Valerie keinerlei Chance. Auch dann nicht, wenn vielleicht euer ganzes Leben, eure Zukunft auf dem Spiel steht.»

      Jetzt funkelt mich Andrej wütend an, ich sehe, wie er vor Zorn mit den Zähnen mahlt. Für einen Moment denke ich, er würde versuchen, mich am Kragen zu packen, dann hält er sich aber doch zurück.

      «Was weißt du schon von unserem Leben, von unserer Zukunft?»

      «Mehr als du denkst. Ich war es, die Valerie vor all dem gewarnt hat, die versucht hat, sie aus dieser Welt herauszubekommen, bevor es zu spät ist.»

      Bei der Erinnerung an die letzte Auseinandersetzung in Montpellier, als sich die Wege von Valerie und mir endgültig trennten, muss ich den Blick senken. Traurigkeit überschwemmt mich.

      «Aber da war es tatsächlich schon zu spät.»

      Für einen Moment sagt keiner von uns beiden ein Wort, Andrej funkelt mich weiter wütend an, während ich diesen schrecklichen Moment noch einmal empfinde, in dem Valerie herausgefunden hat, was ich jetzt bin, und sich in Abscheu und Schrecken von mir abgewandt hat. Wie würde Andrej reagieren, wenn er mein Geheimnis entdeckt? Wobei es im Moment so scheint, als würde er das Geheimnis selbst dann leugnen, wenn ich es ihm mit aller Gewalt auf die Nase schlage. Langsam kühlt sich die Spannung zwischen uns ab, Andrej atmet ein paar Mal tief ein und aus, dann konzentriert er sich wieder auf mich.

      «Als gut. Angenommen das ganze Zeug mit dem übernatürlichen Wesen ist tatsächlich wahr. Was ist passiert damals in Montpellier, dass Val so dermaßen tiefe Spuren davongetragen hat?»

      «Hat sie dir das nicht alles erzählt?»

      «Ja, aber erstens hat sie sich ziemlich kurz gefasst und zum anderen habe ich ständig versucht, ihre Erzählung in das zu übersetzen, was wirklich passiert ist. Aber sie hat mir keine Möglichkeit gegeben nachzufragen. Jetzt kommst du daher und willst mir das Gleiche erzählen. Das ertrage ich nur, wenn du meine Fragen beantwortest.»

      «Ok. Ein faires Angebot. Stell deine Fragen.»

      «Valerie ist also von diesem Jerome vergewaltigt worden?»

      «Eher verführt, nicht vergewaltigt. Val ist von Jerome sehr beeindruckt gewesen.»

      «Aber Jerome war kein Mensch?»

      «Nein, er war ein Vampir.»

      Andrej holt nochmals tief Luft, als ich so unverblümt ausspreche, was er für ein Märchen hält.

      «Woher weißt du das und wie kommst du bei der ganzen Sache ins Spiel?»

      Ich muss mich einen Moment sammeln und erzähle Andrej dann, wie Valerie und ich uns kennengelernt haben und dass ich bereits als ich nach Montpellier gezogen