Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 3


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Aber ich kann sehen, dass er tatsächlich kein Wort davon glaubt.

      Also versuche ich ihm klarzumachen, wie sehr ich versucht habe, Valerie abzuschirmen und wie sehr ich sie vor Jerome gewarnt habe, nachdem ich erkannt hatte, dass er ein Vampir war. Aber Andrej ist ziemlich intelligent, er bemerkt sehr schnell den entscheidenden Punkt in meiner Erzählung.

      «Du sagst also, dass sich Jerome nur deshalb an Val herangemacht hat, um dich zu entführen. Warum sollte er einen so komplizierten Weg gehen?»

      «Aus Gründen der Tarnung und aus Überheblichkeit, würde ich sagen.»

      «Tarnung, wieso Tarnung?»

      «Hätte ich vorher bemerkt, dass er es eigentlich auf mich abgesehen hat, wäre er gescheitert.»

      «Sind diese – äh Vampire – nicht schrecklich stark und so? »

      «Ja.»

      «Wieso also wäre Jerome gescheitert, wenn du schon vorher bemerkt hättest, was er vorhat?»

      «Ich habe gute Verbindungen zu mächtigen Vampiren. Sie hätten ihn aufgehalten.»

      «So, so. Du hast gute Verbindungen zu mächtigen Vampiren. Du bist also sozusagen die führende Expertin?»

      «Kann man so sagen, ja.»

      Daraufhin schweigt Andrej, aber ich kann sehen, dass in seiner Haltung so etwas wie Verachtung zum Ausdruck kommt. Irgendwie stört mich das.

      «Du glaubst auch mir nicht» stelle ich enttäuscht fest.

      «Hör zu. Nicht glauben ist nicht der richtige Ausdruck. Du musst aber zugeben, dass sich das Ganze schon recht abenteuerlich anhört. Du, die führende Expertin in dieser übernatürlichen Welt, ziehst mit der ahnungslosen Valerie zusammen, versuchst sie zu beschützen, was aber scheitert, wodurch sie einen Schock bekommt, der ganz zufällig in den Problemen mündet, die unsere Beziehung auseinandertreibt. Das alles erscheint mir ein bisschen viel auf einmal. Und natürlich gibt es nur Geschichten, keinerlei handfeste Beweise.»

      «Du willst also handfeste Beweise?»

      «Nun, der eine oder andere nachprüfbare Fakt wäre schon recht förderlich.»

      «Nachprüfbare Fakten sind aber gefährlich. Die Menschheit darf von der Existenz der übernatürlichen Welt nicht erfahren.»

      «Wie passend.»

      «Wäre es denn ausreichend, wenn du selbst einen Vampir zu Gesicht bekommen würdest?»

      «Alles schon gesehen. Beim letzten Gothic-Festival hier in der Gegend gab es hunderte von denen.»

      Jetzt beginne ich wieder wütend zu werden.

      «Glaubst du wirklich, eine Horde von Jugendlichen mit Plastikzähnen ist dasselbe, wie ein echter Vampir? Wärest du nicht so dermaßen blind, würdest du dich wesentlich vorsichtiger ausdrücken.»

      «Ist schon gut. Wo soll ich denn so ein fabelhaftes Wesen zu Gesicht bekommen? Übrigens, deine Augen haben eben schon wieder gelb geblitzt, ich habe mir das nicht eingebildet.»

      «Also wirklich, wo bleibt denn deine berühmte Kombinationsgabe? Kannst du dir wirklich nicht denken, was gelb blitzende Augen mit diesen fabelhaften Wesen zu tun haben?»

      Andrej erstarrt, als er begreift, worauf ich hinauswill. Sein Weinglas schwebt wie eingefroren auf dem Weg zu seinem Mund. Wir haben inzwischen die Flache geleert, draußen ist es endgültig dunkel geworden. Er betrachtet mich mit einem besonders tiefen Stirnrunzeln.

      «Jetzt widersprichst du dir aber. Nach deiner Geschichte warst du ein Mensch mit besonders guten Verbindungen in die übernatürliche Welt. Wie kommt es, dass du dich plötzlich selbst als ein solches Wesen ausgibst?»

      «Manchmal geht das Schicksal merkwürdige Wege.»

      «Lass doch das Schicksal aus dem Spiel. Ich beobachte dich jetzt schon den ganzen Abend. An dir ist nichts Ungewöhnliches. Keine langen Eckzähne, keine Klauen, keine bösartige Aura. Sogar der rote Wein ist nichts weiter als roter Wein.»

      Es ist tatsächlich schwer, diesen Burschen zu überzeugen. Langsam wird mir klar, warum Valerie so verzweifelt ist. Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als dem Kerl im wahrsten Sinn des Wortes, die Zähne zu zeigen. Irgendwie freue ich mich darauf, deshalb beuge ich mich näher zu Andrej und lache ihm ins Gesicht.

      «Wenn es einfach wäre, uns zu durchschauen, wäre das Geheimnis schon lange kein Geheimnis mehr.»

      «Ein Punkt für dich. Aber da du mich ja anscheinend überzeugen willst, musst du mir wohl schon ein wenig mehr anbieten.»

      «Hüte dich davor, dir zu viel zu wünschen, es könnte in Erfüllung gehen.»

      «Komm, keine dummen Sprüche. Ich will jetzt endlich etwas Konkretes sehen.»

      «Aber doch nicht hier in aller Öffentlichkeit.»

      Jetzt habe ich ihn wieder überrascht. Seine Augen haben einen merkwürdigen Glanz, als er mich betrachtet.

      «Und wie wäre es mit einer mehr privaten Umgegend?»

      «Da könnte ich dir mehr zeigen.»

      «Wie wäre es mit meiner Wohnung? Mein Auto steht draußen, es ist etwa eine Viertelstunde Fahrt bis zum Ortsrand.»

      «Einverstanden.»

      Seine Augen weiten sich, als hätte er nicht erwartet, dass ich zusage. Doch er fängt sich sehr schnell wieder und winkt dem Kellner, um zu zahlen. Normalerweise hätte ich darauf bestanden, meinen Anteil selbst zu bezahlen, aber Andrej hat mich genug geärgert, um ihm die Kosten für das Gespräch zu überlassen. Ich verspüre ein erwartungsvolles Kribbeln in der Magengegend. Mit Andrej alleine in seine Wohnung zu gehen, übt einen merkwürdigen Reiz in mir aus. Andrej ist nicht nur stur wie ein Holzklotz, sondern auch gutaussehend und interessant.

      Irgendwie fange ich an, Valerie zu beneiden.

      Auf dem Weg in Andrejs Wohnung reden wir nicht viel. Es ist, als ob wir unsere Konfrontation übereinstimmend verschieben, bis die Kampfarena erreicht ist. Andrej fährt keinen französischen Wagen, sondern einen deutschen. Also ist er doch nicht so durch und durch Franzose. Aber es ist ein Wagen, der mir auch gefallen würde, wenn ich noch ein Mensch wäre. Als Vampirin ist man aber noch schnellere Autos gewöhnt, schließlich will man sich während der Fahrt nicht langweilen.

      Meine Sinne sind voll auf Andrej eingestellt. Ich spüre seine innere Spannung, irgendetwas, worauf er höchst erwartungsvoll entgegenfiebert. Vielleicht habe ich ihn doch ein wenig ins Wanken gebracht und er fragt sich heimlich, ob sein Weltbild wirklich standhalten kann gegen das, was ich ihm zeigen werde. Ich könnte ihm versichern, dass das nicht der Fall sein wird, aber ich lasse ihn seine Spannung verbergen. Ein Mann hat schließlich seinen Stolz.

      Seine Wohnung entpuppt sich als eine gemütlich eingerichtete Einliegerwohnung mit separatem Eingang. Alles ist aufgeräumt und sauber, obwohl Andrej nicht hatte wissen können, dass er heute Abend noch Besuch bekommt. Von einer kleinen Diele mit einer Garderobennische geht eine funktionell ausgestattete Küche und ein Wohnzimmer ab. Das Wohnzimmer besteht hauptsächlich aus Bücherregalen, einem recht großen Fernseher und einer mehrsitzigen Sofagarnitur. In dem Regal gibt es ein Brett, das nur mit Photographien belegt ist. Nachdenklich betrachte ich die Bilder, unter denen auch ein Bild von Valerie dabei ist. Die Fotos deuten darauf hin, dass Andrej seine Familie sehr wichtig ist, ein weiterer Punkt, der für eine Verbindung mit Valerie spricht.

      «Deine Eltern und Brüder?» frage ich.

      Andrej hat seinen Mantel abgelegt und ist hinter mich getreten. Sein Puls scheint schneller zu gehen als vorhin, zumindest kann ich ihn genau wahrnehmen, seine innere Anspannung hat zugenommen. Die Stunde der Wahrheit nähert sich.

      «Ja.»

      Andrejs Stimme klingt so rau, dass ich die Stirn runzle und mich umdrehe. Seine Augen glühen fast und sind unverwandt auf mich gerichtet. Was hat er?

      «Willst