Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 3


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Andrej arbeitet. Wir vereinbaren, dass Valerie ihm nichts von meinem anstehenden Besuch erzählt, ich will ihn unvoreingenommen treffen und zuerst sehen, was er für ein Typ ist. Nachdem wir die Details geklärt haben, merke ich, dass Val unruhig wird. Sie ist über die Tatsache, dass ich verwandelt bin, immer noch nicht hinweggekommen. Wenn ich ihr geholfen habe, werde ich sie vermutlich trotzdem nie wiedersehen.

      Nun, vielleicht ist das auch besser so.

      4. Andrej

      Kurze Zeit später verabschiedet sich Valerie. Ich habe meinen Kaffee noch nicht ausgetrunken und bleibe daher im Wohnzimmer sitzen, um nachzudenken. Pierre müsste bald nach Hause kommen. Ich bin gespannt, was er zu dem Erscheinen Valeries sagen wird. Die Stadt mit dem Ingenieurbüro, in dem die beiden arbeiten, ist auf dem halben Weg nach Paris, also werde ich wohl am besten eine Nacht dort bleiben. Doch wie die Begegnung mit Andrej ausgehen wird, ist mir noch vollkommen unklar. Auch wie ich ihm die Wahrheit näher bringen werde, weiß ich noch nicht. Vermutlich wird das ganz davon abhängen, was für ein Typ Andrej ist. Ich muss auf jeden Fall vorsichtig sein, denn wenn er einen hysterischen Anfall bekommt, wenn er meine Zähne sieht, sollten wir uns nicht in der Öffentlichkeit befinden, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.

      Nun, vielleicht ist der Kerl auch eine Niete und alles, was bei der Begegnung herauskommen wird, ist die klare Empfehlung an Valerie, ihn fallen zu lassen. Nicht dass sie jemals die Tendenz gehabt hätte, auf mich zu hören. Aber wenn er ein unsympathischer Dreckskerl ist, werde ich ihm die Existenz der übernatürlichen Welt nicht offenbaren. Valerie wird dann ziemlich sauer auf mich sein, aber das ist eine Entscheidung, die sie mir überlassen muss. Und mit dem Ärger von Val kann ich leben, unsere Freundschaft besteht ja praktisch sowieso nicht mehr.

      Aber ich hoffe, dass alles gut geht. Wenn Andrej ein guter Kerl ist und ich die beiden wieder zusammenbringen kann, dann wird Valerie vielleicht doch einsehen, dass in mir noch ein Stück der alten Trish steckt, mit der sie einmal so gut ausgekommen ist. Wenigstens für ein paar Jahre könnte ich mich dann an der Vergangenheit festhalten, so tun, als wäre es noch wie früher. Das wird es zwar nie wieder sein, aber ich habe das Gefühl, als bräuchte ich Zeit, um mich an all die Veränderungen zu gewöhnen, die der Verrat von Baxter mit sich gebracht hat.

      Ich bin so tief in Gedanken versunken, dass ich die Präsenz an unserer Eingangstüre erst bemerke, als Pierre sie schon aufgeschlossen hat. Schnell springe ich auf und empfange meinen Ehemann mit der ihm gebührenden Aufmerksamkeit. Pierre lächelt mir entgegen, als ich in seine Umarmung sinke.

      «Na, mein Schatz. Hast du mich vermisst?»

      Ich tue so, als müsste ich nachdenken.

      «Vermisst? Ich weiß nicht, was soll ich denn vermisst haben?»

      «Na das hier.»

      Damit gibt mir Pierre einen langen Kuss. Ich strahle ihm in die Augen.

      «Ja, ich glaube, das habe ich vermisst.»

      «Du Arme. Ich werde dir öfter einen Kuss geben müssen, damit du dir einen Vorrat anlegen kannst.»

      «Das ist eine ausgezeichnete Idee.»

      Lächelnd ziehe ich ihn ins Wohnzimmer, wo Charles bereits wartet. Pierre bestellt einen Wein und ich schließe mich an, Kaffee habe ich heute genug getrunken. Ich will nicht sofort mit meinen Neuigkeiten herausplatzen, also frage ich zuerst nach den normalen Vorkommnissen des Tages.

      «Nun, hast du jemanden für das Büro gefunden?»

      «Ich denke schon. Eine Frau mittleren Alters aus der Gegend, die schon Erfahrung in dem Gebiet hat. Sie will nach einer Kinderpause wieder in den Beruf zurück und erst einmal halbtags arbeiten. Wenn du dein ok gibst, dann kann sie in einer Woche anfangen.»

      «Klar, zeig mir einfach die Unterlagen und schildere mir deine Eindrücke. Wenn du sagst, sie ist geeignet, dann habe ich nichts dagegen.»

      «Ich habe bei ihr ein gutes Gefühl. Wenn du ihr die Auftragsbearbeitung übergibst, dann kannst du mich begleiten, wenn ich die Weine für die nächste Saison aussuche. Und wie war dein Tag so?»

      «Turbulent»

      «Turbulent? Gab es Probleme mit der Spätlese?»

      «Nee, da war alles Bestens Aber zuerst habe ich beinahe jemanden umgebracht und dann ist jemand aufgetaucht, den ich niemals erwartet hatte.»

      Pierre zieht die Augenbrauen hoch und schaut mich an.

      «Erzähl.»

      Also erzähle ich ihm zuerst von unserem Monsieur Dupont und schließlich von Valerie. Pierre ist ein wunderbarer Zuhörer. Zwar traue ich mich nicht, ihm zu sagen, wie dicht ich wirklich daran war, Monsieur Dupont in die Hölle zu schicken, aber ich muss zumindest so viel erzählen, dass Pierre weiß, dass der Kerl sich eventuell beschweren oder mir gar die Polizei auf den Hals schicken wird. Aber letzteres glaube ich eigentlich nicht mehr, denn wenn sie bisher nicht aufgetaucht ist, dann ist das ein klares Zeichen dafür, dass er sich nicht traut, mich anzuzeigen.

      Monsieur Dupont wird relativ schnell abgetan. Pierre glaubt auch nicht, dass er den Mumm hat, gegen mich vorzugehen. Doch bei Valerie runzelt er die Stirn und scheint überhaupt nicht froh zu sein.

      «Bist du sicher, dass du so etwas für sie tun willst?»

      «Sie ist ziemlich am Ende, du hättest sie sehen müssen. Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst.»

      «Trish, das hat sie sich alles selbst zuzuschreiben. Und sie hat dir wehgetan. Meinst du nicht, dass ich nicht bemerkt hätte, wie sehr du darunter gelitten hast, dass sie sich abgewandt hat?»

      Ah, daher weht der Wind.

      «Du hast ja Recht, Pierre. Ich sehne mich immer noch danach, von ihr akzeptiert zu werden, sie wieder meine Freundin nennen zu können. Das ist meine Chance, die Sache wieder geradezubiegen.»

      «Ich weiß nicht. Und was ist, wenn dieser Andrej ein Widerling ist?»

      «Tja, das kann ich auch nicht sagen. Ich muss mich einfach auf meinen Instinkt verlassen. Schlimmstenfalls fahre ich unverrichteter Dinge wieder weg und Valerie ist noch wütender als vorher. Dann kann sie mir alle Schuld zuschieben und vielleicht darüber wieder Halt im Leben finden.»

      Pierre schaut mich ernst an und nimmt mich dann in den Arm.

      «Aber du würdest dir deswegen noch Jahre Vorwürfe machen. Ich sehe ja ein, dass du es versuchen willst, aber sei vorsichtig, ja? Menschen reagieren oft sehr irrational und feindselig auf uns. Deswegen ist es ja auch richtig, dass wir unsere Existenz geheim halten. Valerie ist ein typisches Beispiel von jemandem, der seine eigenen Fehler auf uns abwälzt. Wenn etwas schiefgeht, dann wird sich dieses Denken in ihr durchsetzen. Du musst dir dann sagen, dass du alles getan hast, was möglich ist. Okay?»

      Seine Sorge um mich lässt ein warmes Gefühl in mir aufsteigen. Er hat wie immer vollkommen Recht. Ich wünsche mir Valerie zurück, aber mehr als ich jetzt tun will, kann ich nicht tun. Und wenn das nicht funktioniert, wie Val sich das vorstellt, dann darf sie es nicht mir anlasten. Tut sie es dennoch, dann muss ich mich von ihr distanzieren, dann sind wir endgültig geschiedene Leute. Mit einem Kuss besiegele ich diesen inneren Entschluss. Ich bin, der ich bin und auch Valerie muss lernen, mich so zu akzeptieren, wie ich bin, oder aufhören, in meinem Leben eine Rolle zu spielen.

      Während des gesamten folgenden Tages geht mir die bevorstehende Reise in die Heimatstadt von Valerie durch den Kopf. Die erste Frage ist natürlich, was ich anziehen soll. Ich plane, kurz nach Mittag dort zu sein, um mich mit Andrej für den Abend zu verabreden. Für eine Einführung in die übernatürliche Welt ist die Nacht einfach geeigneter. Es besteht zwar eine gewisse Gefahr, dass Andrej die Abwesenheit von Valerie für eigene Pläne nutzt, aber genau das ist der Grund, warum mein Outfit so wichtig ist. Ich darf nicht zu lässig ankommen, aber auch nicht zu formal. Andrej muss neugierig sein, weil ich ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen will. Die Frage ist also, was ihn neugierig stimmen wird.

      Meine