Andreas Parsberg

Im Zeichen des Ares


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Athen.“

      „Wo ist dieser Club?“

      „Im Hafen von Piräus. Die genaue Adresse lautet: Papadiamanti 2-6. Ich würde mich sehr freuen, Sie heute Abend dort begrüßen zu können. Wenn Sie sich die Mühe machen, zu kommen, werden Sie sicher angenehm überrascht zu sein. Der Inhaber heißt Jannis Nikiforos. Werden Sie heute kommen?“

      Das lockende Feuer in der Tiefe ihrer Augen wurde noch stärker. Sie hatte so große Ähnlichkeit mit Faizah, dass sich das Herz von Karim zusammenzog und seinen Blutdruck in gefährliche Höhen trieb. Aber anders als Faizah hatte Sofia einen geheimnisvollen Charme, eine indirekte Erotik, die durch jede ihrer Bewegungen ausgedrückt wurde.

      „Gut. Ich werde kommen“, versprach Karim, der nicht den Hauch einer Chance gehabt hätte, diese Einladung auszuschlagen.

      Der Kellner kam, um die Bestellung aufzunehmen. Sofia sah auf ihre kleine, mit Brillanten eingefasste Armbanduhr und blickte rasch zu Karim.

      „Ich habe mich heute verspätet“, sagte sie. „Seien Sie mir nicht böse, wenn ich Sie allein lasse. Aber ich muss mich beeilen. Wir sehen uns also heute Abend wieder, ja? Sie werden es nicht vergessen?“

      „Wie könnte ich Sie vergessen? Ich werde heute Abend im Yacht Club sein. Hoffentlich laufen Sie mir dann nicht wieder so schnell weg.“

      „Ich verspreche es Ihnen, dass ich mir Zeit nehmen werde.“

      Sie erhob sich rasch. Der Silberschmuck an ihrem Handgelenk klirrte, als sie Karim zuwinkte. Im nächsten Moment war sie verschwunden.

      „Wer ist das?“, fragte er den Kellner, der abwartend neben Karim stand. Sein Gesicht war so ausdruckslos, dass es an die Öffnung am Rohr eines Staubsaugers erinnerte.

      „Madame Vangelis isst regelmäßig hier. Ich vermute, sie wohnt in der Nähe. Aber sie hat es immer sehr, sehr eilig.“

      „Ja, sie schien es auch heute wieder eilig zu haben“, meinte Karim. „Konnten Sie mit Ihrem Chef sprechen?“

      „Ja. Herr Karamanlis wird gleich kommen. Was kann ich Ihnen servieren?“

      Karim bestellte gegrillte Scampi und eine Flasche Mineralwasser. Kurz darauf sah er in das Gesicht eines anderen Mannes. Er trug eine graue Flanellhose, ein dunkelblaues Polohemd und elegante Lederschuhe. Ein maskenhaft starres Lächeln stand in den winzigen Fältchen seiner Augenwinkel.

      „Sie wollen mich sprechen?“, fragte er höflich. „Was kann ich für Sie tun?“

      „Sie sind Georgios Karamanlis?“

      „Ja. Ich habe Sie noch nie hier gesehen. Ich freue mich über jeden neuen Gast. Sie werden zufrieden sein. Ich stehe selbst in der Küche.“

      „Ich bin überzeugt davon, dass das Essen gut sein wird“, fiel Karim ihm ins Wort. „Ich bin gekommen, um Ihnen ein Geschäft vorzuschlagen, Herr Karamanlis.“

      Der Kellner, der das Mineralwasser gebracht hatte, öffnete die Flasche, goss etwas in ein Glas und verschwand wieder.

      Der Wirt beobachtete Karim aufmerksam. Seine Augen waren so schmal geworden, dass sie zwischen den bläulich verfärbten Lidern kaum noch zu sehen waren. Karim sah ihm an, dass er überlegte.

      „Setzen Sie sich zu mir und ich werde Ihnen sagen, welche Art von Geschäft das ist, Herr Karamanlis“, lud Karim den Wirt ein und nahm einen Schluck aus dem Glas.

      Mit einer vorsichtigen Bewegung ließ dieser sich Karim gegenüber nieder. Das markante Gesicht mit den vorstehenden Backenknochen und dem schmallippigen Mund sah wie eine Kohlezeichnung aus.

      Karim warf einen raschen Blick in die Runde. Außer ihnen war jetzt nur noch ein einziger Gast anwesend, ein alter Mann, dessen Hände so sehr zitterten, dass er kaum sein Glas an die Lippen heben konnte.

      „Ein Freund, dessen Name ich nicht nennen möchte, hat mir Ihre Adresse gegeben“, sagte Karim leise, sich ein wenig über den Tisch nach vorne neigend. „Es handelt sich um ein Geschäft, bei dem für Sie fünftausend Euro drin sind.“

      In seinen zusammengezogenen Augen leuchtete es kurz begehrlich auf. Seine Zungenspitze erschien zwischen den Lippen, fuhr einmal rasch hin und her und verschwand wieder.

      „Ich bin ein syrischer Flüchtling“, begann Karim, „und komme aus Hesen Dera. Meine Heimatstadt wurde völlig zerstört. Wir mussten mitten in der Nacht fliehen. Ich habe es nach Athen geschafft. Aber meine Frau leider nicht, die sich in einem türkischen Flüchtlingslager befindet. Ich möchte sie um jeden Preis hierher holen. Meine Frau ist schwanger! Wir werden Zwillinge bekommen. Ich bezahle einen anständigen Preis für ihre sichere Flucht aus der Türkei.“

      „Weshalb kommen Sie zu mir? Ich bin Inhaber eines kleinen Cafés. Es ist gegen das Gesetz, Menschen illegal nach Europa einzuschleusen. Außerdem, warum sollte gerade ich das tun?“

      „Ich erwarte nicht, dass Sie persönlich meine Frau nach Athen bringen. Aber ich wäre bereit, die fünftausend Euro auch für den Namen der Person zu bezahlen, die mir helfen könnte. Ich habe nicht viel Zeit. Wie bereits gesagt, meine Frau ist schwanger und wir wollen, dass unsere Kinder in Deutschland zur Welt kommen, das würde unseren Asylantrag positiv beeinflussen.“

      Karim nahm wieder einen Schluck Mineralwasser und beobachtete den Wirt über den Rand des Glases hinweg. Der zupfte an der einen Ecke seines Hemdkragens herum und blickte den Gast abschätzend an.

      Plötzlich sagte er: „Es tut mir sehr leid, aber ich fürchte, ich kann Ihnen da nicht behilflich sein. Ich tue zwar alles, um meine Gäste zufriedenzustellen, aber das geht ein bisschen zu weit. Natürlich weiß ich, wie jeder in Athen, dass es Organisationen gibt, die sich mit dem Menschenschmuggel nach Europa befassen. Aber wie Sie dazu kommen, mich damit in Verbindung zu bringen, ist mir unbegreiflich.“

      Karim spürte innerlich, dass er den Fisch im Netz hatte. Während der Wirt gesprochen hatte, wurde es ihm klar. Er hätte ganz anders gesprochen, wäre er wirklich über das Angebot entrüstet gewesen. Das Angebot von fünftausend Euro hatte einen tiefen Sprung in die Maske seiner Gelassenheit geschlagen.

      „Woher soll ich auch wissen, wer Sie sind“, fuhr er nach einer Weile des Schweigens fort.

      Karim griff in seine Jackentasche und holte sein Handy hervor. Er öffnete den Foto-Ordner und zeigte dem Wirt Bilder von Faizah und dem Flüchtlingslager, die er in den vergangenen Tagen über WhatsApp erhalten hatte.

      „Das ist Faizah, meine Frau“, erklärte Karim. „Das sind mein Vater und mein Bruder. Sie leben alle gemeinsam in einem engen Zelt in einem türkischen Flüchtlingslager.“

      „Besser als im Bürgerkrieg“, sagte der Wirt trotzig, war aber trotzdem von den gezeigten Fotos berührt.

      „Da haben Sie natürlich recht. Ich bin Allah auch dankbar für seine Gnade, dass meine Frau und meine Familie aus Syrien flüchten konnten. Aber die Ehefrau gehört zu ihrem Ehemann und nicht in ein Flüchtlingslager, umgeben von jungen Männern. Sie verstehen, was ich meine.“

      „Ich glaube, ich verstehe es. Keine Frau sollte allein in einem solchen Lager leben müssen.“

      Nun griff Karim erneut in seine Jackentasche und holte das Geldbündel hervor, das er von Labolas erhalten hatte. Der Wirt konnte erkennen, dass es mehrere Tausend Euro waren. Deutlich zeigte sich der Widerstreit von Angst und Gier in seinen Zügen. Wieder fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen. Er rieb die Handflächen gegen die Beine seiner Flanellhose. Es fehlte nicht viel, ihn zu überzeugen, und beim Anblick des Geldes brach ihm der Schweiß aus.

      Karim rollte das Geldbündel auf und legte vier Fünfhundert-Euro-Scheine vor den Wirt auf den Tisch.

      „Weitere dreitausend Euro bekommen Sie, wenn Sie mich mit der Person zusammenbringen, die mir helfen kann, meine Frau aus der Türkei zu holen. Ich habe ebenso großes Interesse daran wie Sie, dass unser Geschäft nicht von den falschen Menschen aufgeschnappt wird. Sie verstehen, wie ich das meine?“

      Der Wirt nickte. Langsam