Andreas Parsberg

Im Zeichen des Ares


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auf der Treppe unterwegs. Jetzt galt es, keine Zeit mehr zu verlieren.

      Seine Hand glitt in die Jacke. Er zog die Makarow Pistole und die Magnetkarte für das Zimmer heraus. Er legte die Karte auf das Entriegelungsfeld. Mit einem leisen Knarren schwang die Tür nach innen auf.

      Karim schlüpfte geduckt in das Hotelzimmer, die schussbereite Pistole in der Hand. Das Erste, was er tat, war, die Tür ins Schloss fallen zu lassen und anschließend von innen zu verriegeln. Jetzt konnte niemand von draußen herein.

      Ein paar Sekunden lang blieb er regungslos an der Tür stehen. Er war nicht sonderlich überrascht, den Raum durchwühlt zu finden; das war genau das, was er erwartet hatte.

      Irgendjemand hatte seine Abwesenheit dazu benutzt, in das Zimmer einzudringen. Was hatte der unbekannte Besucher zu finden erwartet?

      Alle Schubladen waren herausgerissen. Sogar die Matratze war nicht vergessen worden. Der eingebaute Schrank stand halb offen. Auch die Tür zum Badezimmer war geöffnet. Das Fenster stand offen. Von dort war jemand eingedrungen.

      Karim hütete sich, den Fehler zu begehen und ans Fenster zu treten. Die offene Tür des Badezimmers war ihm unheimlich. Er wusste nicht, was sich dahinter – im toten Winkel – verbarg.

      Langsam ging er auf die Tür zu. Seine Pistole war gespannt; ein winziger Druck seines Zeigefingers und der Schuss würde hinausjagen.

      Er war darauf gefasst, dass sich jemand im Badezimmer aufhielt. Er glitt hinein und stieß die Tür mit der Fußspitze zu. Der Winkel dahinter war leer. Er riss den Gummivorhang der Duschkabine beiseite. Auch sie war leer.

      War er zu spät gekommen? Hatte ihn der Unbekannte kommen hören und war auf dem gleichen Weg, auf dem er gekommen war, durch das Fenster nämlich, verschwunden?

      Karim trat in sein Zimmer zurück und ging ein, zwei Schritte aufs Fenster zu.

      Weiter kam er nicht!

      Er stand direkt neben dem eingebauten Wandschrank, als die Tür von innen mit großer Wucht aufgestoßen wurde. Die Kante mit dem Schloss traf Karims Hand. Ein jäher Schmerz zuckte durch seine Handwurzel, als sei sie gebrochen, dann sah er eine dunkle Gestalt aus dem Schrank gleiten. Im gleichen Moment, als er die Gestalt erblickte, flog ihm die Pistole aus der Hand.

      Karim fuhr herum, um sie aufzuheben. Die Gestalt machte eine ruckartige Armbewegung. Er zuckte zurück.

      Etwas sirrte an Karim vorbei!

      Eine Handbreit neben seinem Gesicht vibrierte ein schweres arabisches Kampfmesser in der Holztäfelung der Wand.

      Karim wirbelte herum, um die Hand danach auszustrecken, da sprang ihn der Fremde an. Seine Bewegungen waren die einer Katze. Er sah das gebräunte Gesicht eines Südländers dicht vor sich. Die Spitzen seiner Finger stießen blitzschnell und kraftvoll nach Karims Gesicht.

      Karim schlug die Hand mit dem Unterarm beiseite und stieß dem Angreifer den Ellenbogen ins Gesicht. Lautlos taumelte der Unbekannte zurück. Kein Stöhnen, kein Aufschrei erklang. Nichts!

      Der Fremde hatte ein unrasiertes, ausdrucksloses Gesicht. Auch in seinen Augen stand kein Gefühl. Sofort griff er Karim wieder an, die Handkanten gekreuzt.

      Die Unterarme der beiden Männer trafen krachend zusammen. Karim hatte das Gefühl, gegen eine Wand geschlagen zu haben, so hart trafen sich die Hiebe. Er schlug dem Fremden in den Bauch; gleichzeitig bekam er einen mit der flachen Hand geführten Schlag gegen die linke Wange, dass er gegen die Wand taumelte.

      Der Schlag war darauf berechnet gewesen, Karims Ohr zu treffen und ihm das Trommelfell zu verletzten, um ihn für eine entscheidende Sekunde hilflos und wehrlos zu machen.

      Karim stieß mit der Spitze des Schuhes gegen die Leistengegend des Fremden, aber er glitt mühelos zur Seite. Seine Hand packte Karim am Jackenkragen und wirbelte ihn herum. Im nächsten Augenblick hatte er ihn mit dem rechten Arm im Schwitzkasten und drückte mit der Linken den Hinterkopf nach vorne.

      Karim versuchte, sich gegen den Griff zu stemmen, der ihm das Genick brechen konnte, aber umsonst. Millimeter um Millimeter drückte er Karim das Kinn auf die Brust herunter. Karim hörte ihn keuchend atmen. Sein Mund war dicht an seinem Ohr.

      Karim spannte jede Muskelfaser seines Körpers, um ihm Widerstand zu leisten. Aber der Griff des Fremden saß erbarmungslos fest.

      Schon bekam Karim keine Luft mehr. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Als ihm der Kopf zur Seite gedreht wurde, sah Karim das arabische Messer in der gemaserten Holztäfelung der Wand stecken.

      Das Bild begann vor seinen Augen zu verschwimmen. Er riss den rechten Arm hoch. Seine Finger schlossen sich um den Griff des Messers. Er zog es aus dem Holz und bog den Arm zurück, so weit, wie er konnte, dann stieß er zu.

      Der Fremde keuchte ihm einen erstickenden Schrei in die Ohren, aber der mörderische Druck an seinem Nacken ließ endlich, fast in letzter Sekunde nach.

      Karim riss sich los. Dabei entglitt das Messer seiner Hand und blieb in der Seite des Unbekannten stecken. Der Verletzte stand nach vorne gebeugt vor Karim, als hätte er Leibschmerzen. Sein linker Arm hing schlaff herunter, während er mit der rechten Hand nach dem Messer tastete. Seine glanzlosen Augen waren mit einer unheimlichen Starrheit auf Karim gerichtet, sein Gesicht zu einer Maske verzerrt. Blut stand auf seinen Lippen.

      Plötzlich gaben die Beine unter ihm nach. Marionettenhaft langsam sank er auf den Boden und blieb zusammengekrümmt liegen.

      Karims Atem ging keuchend, sein Herz hämmerte zum Zerspringen. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und spürte faden Blutgeschmack. Er hatte sich während des lautlosen Kampfes selbst in die Lippen gebissen.

      Taumelnd ging er ins Bad, drehte den Kaltwasserhahn auf, beugte sich über das Waschbecken und säuberte sein Gesicht, ehe er es im Spiegel betrachtete. Die eine Seite war angeschwollen. Er spülte sich den Mund aus.

      In diesem Augenblick hörte er es draußen klopfen.

      Mit einem Schritt war er in der offenen Badezimmertür. Seine Pistole war nirgendwo zu sehen. Sie musste beim Kampf unter das Bett geglitten sein.

      „Wer ist da?“, fragte Karim.

      „Zimmerservice. Die Rezeption hat mich mit einer Nachricht aus der Türkei nach oben geschickt. Ich soll Ihnen ein verschlossenes Kuvert überreichen.“

      Die Stimme hatte einen schwachen, aber unverkennbar türkischen Akzent. Es machte Karim unsicher, jedoch war es möglich, dass ein Türke in einem griechischen Hotel arbeitete.

      „In Ordnung. Schieben Sie das Kuvert unter der Tür durch“, sagte Karim. Er hatte keine Lust, aufzumachen. Der Unbekannte mit dem Messer in der Seite lag noch immer auf dem Teppich, und Karim hatte nicht einmal seine Pistole bei der Hand.

      „Nun schieben Sie es doch unter der Tür durch“, wiederholte er und zog eine Fünf-Euro Banknote aus der Tasche, ging zur Tür, bückte sich und schob den Geldschein als Trinkgeld unter dem Türspalt durch.

      Das Krachen war leise, aber nicht zu überhören!

      Es klang, als ob eine dünne Eisscholle zerbrochen wird. Kaum zwei Fingerbreit vor seinen Augen funkelte eine lange, dünne Klinge im Holz der Tür. Sie war lang genug, um durch ihn hindurchzugehen, wenn sie ihn wirklich getroffen hätte.

      Plötzlich wurde die Klinge mit einem Ruck wieder herausgerissen, und Karim hörte rasche Schritte, die sich über den Korridor entfernten, dann folgte das Schließen der Fahrstuhltür.

      Mit einem Satz war Karim am Bett und riss die bis zum Boden herabhängende Decke hoch. Da lag seine Pistole. Er hob sie auf, lief zur Tür zurück, schloss auf und trat auf den Flur hinaus.

      Er war leer. Ein dünnes Summen drang aus dem Liftschacht und Karim sah die Lichter über die elektrische Etagen-Anzeigetafel zucken.

      Schon wollte er die Treppen hinunterstürmen, aber dann sagte er sich, dass es sinnlos wäre. Bevor er unten ankam, hätte der Unbekannte den Lift und vermutlich auch das Hotel bereits verlassen.

      Eine