Gerd Ruttka

Nachtdienste


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am nächsten Morgen im Kühlschrank. Er war zufrieden, wenn er sah, dass keiner seine Schokolade angerührt hatte.

      Haus 2 war ruhig. Betty und Hella hatten schon lange aufgehört zu kichern. Plötzlich schreckte sie auf. Aufrecht saß sie da und lauschte.

      Ein leises, sehr leises Geräusch war aus Haus 3 gekommen. Ein ungewöhnliches Geräusch, wie das öffnen und schließen einer Tür, von der sie nicht am Geräusch erkannte, welche der Türen es war. Das Schleichen und Flüstern von Menschen, aber auch hier konnte sie nicht erkennen, woher und wohin diese Menschen sich bewegten.

      Sie tastete nach dem Pfefferspray in ihrer Tasche, nahm die lange Stablampe in die Hand, da man diese im Notfall als Schlagstock benutzen konnte. Sorgfältig überprüfte sie alle Außentüren, Zimmertüren, Stockwerkstüren, ja, selbst die Türen zu den Vorratsräumen, aber diese waren alle ordnungsgemäß geschlossen und verschlossen.

      'Halluzinationen', dachte sie', gut, dass dieser Nachdienstblock für mich zu Ende ist. Der letzte Nachdienst, dann 2 Wochen frei. Ich werde die Ruhe brauchen können.'

      Sie drehte den Fernseher leiser, hörte jetzt nur noch auf einem Ohr, mit Hilfe eines Ohrstöpsels, den Ton. So kann es weitergehen bis morgen früh, dachte sie. Wieder fiel sie in eine Art Halbschlaf, die Augen geschlossen, der Körper entspannt, aber alle anderen Sinne waren geschärft. Einzig der leise Ton des Fernsehers hielt sie wach. Sie hörte wie Gesa aus der 3 aus ihrem Zimmer kam, in das gegenüberliegende Bad ging. Wie jede Nacht würde sie hinter der Badezimmertüre warten, bis der Nachtdienst beim Kontrollgang vorbeikam. Sie würde aus dem Badezimmer herauskommen, ein kurzes Schwätzchen halten, danach wieder zufrieden in ihr Zimmer gehen, weiterschlafen bis zur Frühstückszeit.

      Hanna entschloss sich ihren 2 Uhr Rundgang etwas früher anzufangen. Alles war ruhig in Haus 1. Über die Brücke der 1 zur 2 beschlich sie eine gewisse Unruhe- sie sah schon von der Brücke aus, dass Gesa vor ihrer Türe hin und her ging.

      Kaum hatte Gesa sie gesehen, kam sie auf Hanna zugeeilt. Noch im Gehen fing sie hastig an zu sprechen: " Da waren zwei Leute, die sind bei mir vorbeigegangen dort in die Küche von der Zwei."

      "Bleib hier", Hanna drehte sich um, "ich gehe in die Küche der 2." Aber Gesa folgte ihr in kurzem Abstand. Hanna schloss die Tür auf, bereit ihre Schlagstocklampe und das Pfefferspray zu benutzen." Doch die Küche war leer. Auch im Speisezimmer war niemand zu finden. Erneut prüfte sie alle Türen, schaltete Licht in den Zimmern an um zu sehen, ob jeder in seinem eigenen Bett war. Sie überprüfte ob ein Fenster offen war, ob die Feuertüren fest verschlossen waren. Sie ging dieses Mal in den Vorratsraum, ob dort jemand versteckt war, sah in der Wäscherei nach, ebenso in den Werkräumen, im großen Gemeinschaftsraum. Nirgendwo war etwas Ungewöhnliches zu entdecken. Schließlich gab sie auf, trug jedoch den Vorfall in einem ausführlichen Bericht im Dienstbuch ein.

      Jetzt wollte sie hellwach sein, setzte sich auf einen Stuhl am Tisch. Sie suchte im Fernsehen ein Programm von dem sie wusste, dass sie bestimmt nicht gelangweilt würde. Es würde sie wach halten. Der 3Uhr Rundgang war unauffällig. Danach machte sie es sich wieder im Fernsehsessel bequem.

      Sie saß etwa 10 Minuten immer hellwach, immer bereit sofort aufzuspringen, wenn etwas ungewöhnliches geschehen würde, als sie von einem entfernten aber schrillen Schrei einer Frauenstimme aus ihrem Sitz hochgerissen wurde. In den Schrei der Frau hinein war ein entsetzter Schrei einer Männerstimme zu hören.

      Sie hörte hastende Schritte auf einer Treppe, eine Tür fiel zu, jetzt rannte die Person, riss deutlich hörbar eine andere Türe auf, die Tür schloss sich wieder, man hörte ein trampelndes Geräusch. Hanna konnte nicht sagen woher diese Geräusche kamen, sie hörte sie, konnte sie nicht zuordnen. Dann war Ruhe. Das Rennen, Treppauf oder Treppab, hatte aufgehört.

      Jetzt rannte Hannah förmlich durch das Haus. Treppauf im Haus 1, um an die Brücke zum Haus 2 zu kommen.

      Benni stand im Gang, der zur Brücke führte, er hielt sie am Arm fest, legte seine andere Hand an ihre Wange. Benni war einer der zwei Autisten die in der Wohnanlage zu Hause waren. Diese Gesten waren ein Zeichen, dass er ihr etwas mitzuteilen hatte.

      Vorsichtig nahm sie seine Hand von Ihrer Wange, atmete derweilen tief durch, um ihrer Stimme einen normalen Klang zu geben." Was ist geschehen, Bennie?" fragte sie freundlich. "Rita hat geschrien, laut geschrien!" "Bennie, Rita.......", ist doch nicht da", wollte sie sagen. Aber das würde Bennie völlig aus der Ruhe bringen. So vollendete sie den Satz", Rita hat geschrien, aber jetzt ist sie wieder ruhig. Du kannst wieder schlafen"

      Wieder legte er seine Hand an ihre Wange " Gut schlafen?"fragte er. " Ja, Bennie, Rita wird nicht mehr schreien, du kannst jetzt ruhig schlafen." Bennie drehte sich um, ging ruhigen Schrittes über die gläserne Brücke zurück in sein Zimmer.

      In Haus 2 war "Schlossbeleuchtung"- die Gänge waren hell beleuchtet, in allen Zimmern brannten die Lichter.

      Wo sie auch nachschaute, alle waren wach. Die Einen saßen in ihren Betten, die Anderen waren dabei ihre Hausschuhe anzuziehen. Aber alle hatten eines gemeinsam: Alle Bewohner sprachen von dem Schrei. Die Unruhe bei den Bewohnern war so deutlich, dass sie sicher war, der Schrei war hier von dem Haus 2 ausgegangen. Sonderbar war nur, jeder Bewohner behauptete, dass der Schrei vom Gang her kam, dass das Rennen und Türe schlagen irgendwo anders herkam.

      Wieder ging sie systematisch daran, alle Türen und Fenster zu überprüfen.

      In den Vorräumen zu den Bädern öffnete sie die großen Pflege- und Wäscheschränke, um sicher festzustellen, ob sich nicht drinnen einer versteckt hatte. Sie untersuchte die Aktenschränke in den Abteilungsbüros, öffnete die verschlossene Tür zum Speicher in dem sich die Koffer der Bewohner befanden. Leuchtete den Speicher mit ihrer Taschenlampe aus. Danach sah sie unter Tischen, Schreibtischen und Betten nach. Alles was sie fand, waren eine einzelne Socke und ein Duschschuh unter einem Bett.

      Doch nirgendwo entdeckte sie irgendeinen Anhaltspunkt der auf die Anwesenheit einer fremden Person hindeutete, oder auf die Ursache oder den Urheber des Schreis. Soweit es die Bewohner betraf, waren diese zwar aufgeregt, aber jeder war in seinem Bett.

      Zwar behaupteten Benni und Gesa absolut sicher, dass Rita geschrien hätte. Zwei weitere Bewohner - Rollstuhlfahrer, die geistig nicht gehandicapt waren, unterstützten diese Aussage, aber Hanna konnte nicht herausfinden, was wirklich geschehen war. Ihre einzige Erklärung war, dass irgendjemand ein elektronisches Medium installiert hatte, um den Nachtdienst "aufzumischen ". Schließlich war Rita Retsch, eine allseits beliebte Kollegin, schon seit Tagen in Urlaub. Sie wollte erst in 3 Wochen aus Korfu zurück sein.

      Wieder trug Hanna den gesamten Ablauf in das Nachtdienstbuch ein, wobei sie unterstreichend erwähnte, dass mehrere Bewohner behaupteten, Rita habe geschrien. Bei der Übergabe an den Frühdienst erzählte sie noch einmal ausführlich von den Ereignissen der Nacht. Die Kolleginnen und Kollegen kamen überein, den Leiter der Wohnanlage zu informieren, sobald dieser in seinem Büro war. Der konnte dann entscheiden, welche weiteren Schritte man beschreiten wollte.

      ***Steezer kommt ins Spiel

      Es war Nachmittag, Hanna hatte ausgeschlafen, jetzt hatte sie sich gerade zu Hause mit einer Tasse Kaffee gemütlich auf die Couch gesetzt, als der Wohnheimleiter anrief.

      Höflich fragte er, ob sie gut geruht habe, um dann mit seinem eigentlichen Anliegen herauszukommen. Er fragte, ob sie jetzt Zeit erübrigen könne, um über die Vorkommnisse der letzten Nacht zu sprechen.

      "In drei Stunden kommen meine Kinder mit dem Bus von der Tagesstätte." "Das bekommen wir in den Griff", beruhigte der Chef. Es war klar, dass dem Leiter ihre Anwesenheit wichtig war, "wenn es nötig sein sollte, soll einer ihrer Kollegen die Kinder mit unserem Bus abholen, und hierherbringen." Sie einigten sich, dass Hanna baldmöglich an ihrer Arbeitsstelle sein sollte.

      Seufzend band sie ihr Haar hoch, zog ihre Leggins und das gutsitzende Shirt aus, zog ihre Arbeitskleidung an, um dann zur Wohnanlage am Wald zu fahren. Sie parkte wie üblich außerhalb der Anlage.

      Als sie durch das Tor vom Parkplatz zum Heim wollte, war