Kim Mevo

Zerbrochene Seelen


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die Augen schmal und nickte. „Komm, ich bringe dich runter.“

      Mit einem Nicken folgte Carly ihr durch die vielen verschlungenen Gänge. „Bist du heute erst angekommen?“ fragte Rene schließlich, als sie die Gänge entlang gingen.

      Carly nickte. „Mein erster Tag. Ich war gerade bei General Coleman.“

      Rene lächelte seufzend. „Der dich dann höflich willkommen hieß und dir einen guten Start wünschte. Ja, ja. Für so etwas ist er da. Sonst bekommt man ihn praktisch nie zu Gesicht. Nur wenn er geschäftsmäßig über das Gelände reist, ich meine, wenn er denn dann da ist.“

      Carly lächelte. Rene machte nicht den typischen, militärischen Eindruck. Eher lockerer, wofür Carly dankbar war.

      „Du bist die Tochter von Major General Havering, richtig?“ fragte sie nun.

      Carly nickte und wunderte sich ein wenig darüber, das Rene diesen Namen gleich damit verbinden konnte. Sie warf Rene einen fragenden Blick zu.

      „Ach.“ Rene machte eine wegwerfende Handbewegung. „Es wird geredet, wenn Neue kommen. Besonders, wenn sie von Hochrangigen sind.“

      „Hochrangig?“ Carly runzelte die Stirn. „Ich wusste nicht, das mein Vater so bekannt ist“.

      Nun sah Rene sie ihrerseits fragend an. „Moment, machst du Witze? Dein Vater hat unzählige Auszeichnungen.“ „Mag sein.“ Carly zuckte die Schultern. Sie wollte gar nicht über ihren Vater sprechen. Sie war noch immer zu wütend auf ihn. Sie wusste, dass ihr Dad einen guten Rang schmückte, aber dass er so bekannt war, hatte sie nicht geahnt. Das auch noch. Jetzt wurde sie womöglich noch dank ihm als Snob abgestempelt.

      „War einer deiner Eltern auch bei der Army?“ wollte Carly nun wissen, da ihr Tate mal erzählt hatte, dass fast nur Kinder mit guten Kontakten her kamen.

      „Air Force“ sagte Rene nun und ihr Blick wich ab.

      Carly bekan ein ungutes Gefühl. Vielleicht ließen sie das Thema Eltern besser weg. Doch dann fuhr Rene fort. „Er ist mit seinem Falcon abgestürzt, als sie von den Feinden überrascht wurden.“

      Carly nickte beklommen. Ein das Tut mir leid, lag ihr auf der Zunge. Doch sie verkniff es sich. Sie selbst hasste diesen Satz, hatte ihn in den vergangenen zwei Monaten schon viel zu oft gehört.

      „Er war sicher ein mutiger Kämpfer.“ murmelte sie stattdessen. „Es muss schwer sein.“ „Ja.“ Rene seufzte. „Ich vermisse ihn sehr. Ich habe ihn schon immer bewundert.“ Nun zuckte sie die Schultern. „Deswegen möchte ich selbst zur Air Force, wenn ich alt genug bin.“

      Carly sah sie überrascht an. „Wirklich?“ „Ja.“ Rene lächelte. „Mein Dad hat immer davon geschwärmt, wie es ist zu fliegen. Diese Freiheit, oben über den Wolken.“ „Bist du mal geflogen?“

      Gerade als Rene antworten wollte, fanden sie sich vor dem Absatz einer Treppe wieder. Sie waren im Eingangsbereich angekommen und Carly hatte es kaum bemerkt. An der Rezeption wartete Conleth bereits auf Carly und winkte ihr zu. Rene sah Carly lächelnd an. „Das erzähle ich dir ein anderes mal. Wir sehen uns sicher noch mal.“

      Carly nickte. „Ja und... danke!“

      Rene ging die Treppe hinauf und winkte ihr noch mal zu ehe sie verschwand. Dann eilte Carly zu Conleth rüber. Conleth schmunzelte. „Lass mich raten, du hast dich verlaufen?“ Carly spürte wie ihr peinlich berührt die Wangen glühten. Sie zuckte unschuldig die Schultern. Sich raus zu reden, hatte ohne hin keinen Zweck.

      „Scheint wohl so.“ „Du wirst dich hier noch zurecht finden.“ Carly wurde etwas nervös, da sie keine Ahnung hatte, was sie nun in ihrem Zimmer erwarten würde.

      „Können wir?“ Conleth lächelte sie an.

      Nein, hätte Carly am liebsten gesagt. Sie wollte nach Hause zurück. Doch vorerst würde es keinen Weg zurück geben. Im Moment blieb ihr keine andere Wahl, als all das über sich ergehen zu lassen.

      9

      Sie waren an dem großen Gebäude vorbei gefahren. Ebenso an zwei weiteren Trainingsplätzen und einer anderen, kleineren Sporthalle. Dann hatten sie wieder eine Art Siedlung erreicht, deren Häuser näher aneinander standen und kleiner waren als die, die Carly zuvor gesehen hatte. Die Fassaden waren in eierschalenfarben gestrichen, das noch ziemlich frisch wirkte.

      Conleth hielt vor 12 G. Dann stieg er aus und holte die Reisetasche und den Koffer aus dem Kofferraum. Carly folgte ihm und half ihm dabei, die Sachen zu tragen.

      „Die Unterkünfte sind in Gruppen aufgeteilt“ erklärte Conleth nun. „Du wirst mit deinem Team zusammen leben. Ihr habt keine Doppelzimmer und praktisch gesehen ist es euer eigenes Haus. Euer zuständiger Master Sergeant wohnt gleich da drüben, sollte etwas sein“ Er deutete auf ein kleineres Haus, das schräg gegenüber lag.

      Carly zuckte die Schultern. „Ihn hast du eben auch kennen gelernt“ bemerkte Conleth nun.

      Carly nickte. „Master Sergeant Warren.“ „Ja, genau der. Er ist ein netter Kerl und sehr verantwortungsbewusst, mit seinen Schützlingen.“

      Carly antwortete darauf nicht. Master Sergeant Warren war nicht nur ein Mann, er war ebenso jung und sie fragte sich, inwiefern ihr dieser bei irgendetwas weiterhelfen können sollte.

      Gemeinsam schritten sie auf das Haus zu. Schon durch die gläserne Haustür, die nur anlehnte, sah Carly einen sehr großen Wohnbereich. Conleth drückte die Tür mit dem Ellenbogen auf. Der Flur war recht schmal aber lang und erinnerte Carly ein wenig an eine Jugendherberge, in der sie mal mit ihrer alten Schulklasse war. Eine Treppe aus schwarzen Steinplatten führte in das obere Stockwerk, die gleichen Steinplatten wie die, die im Flur ausgelegt wurden.

      Conleth stellte den Koffer neben der Treppe ab und schritt in den Wohnraum. Carly tat es ihm nach und folgte ihm. Der Wohnraum war ziemlich groß, noch größer, als er vom Flur aus schon gewirkt hatte. Eine eigene Küche und ein langer, breiter Esstisch waren in einer Ecke des großen Raumes. In der anderen Ecke war eine riesige Couch mit zwei Sesseln. Carly staunte nicht schlecht.

      „Das hier ist euer Wohnbereich. In der Woche werdet ihr noch durch die Mensa mit versorgt. Am Wochenende kocht ihr selbst. Das ändert sich aber in einem Jahr, dann müsst ihr euch auch in der Woche selbst versorgen. Darauf werden die Teams schon vorbereitet. Selbstständigkeit“ erklärte Conleth nun.

      Carly nickte und hörte aufmerksam zu.

      „Zwei Schlafzimmer sind hier unten, gleich neben dem Wohnraum. Dort befindet sich auch eines der drei Bäder. Der Rest verteilt sich auf die beiden oberen Stockwerke. Die Häuser sind gemischt. Pro Haus leben im Durchschnitt fünf Mädchen und fünf Jungen. Diese Häuser bilden eine Einheit. Das ist für die Gliederung der Trainingseinheiten wichtig. In der Schule wird es jedoch noch mal anders aufgeteilt“ Conleth sieht sich in dem großen Wohnraum um und schlendert zu dem langen Esstisch rüber. „Der Tag beginnt um 6.30 Uhr mit Sport, eineinhalb Stunden. Danach habt ihr eine halbe Stunde zu duschen, eine weitere halbe Stunde um zu essen und euch in die Unterrichtsräume zu begeben.“

      Carly seufzte innerlich. Bisher hatte sie eine halbe Stunde alleine für das Duschen gebraucht. Jetzt musste sie sich die Zeit auch noch teilen und zusehen, das sie pünktlich in die Schule kam. Hervorragend, dachte sie sarkastisch. „Der Unterricht geht bis 14 Uhr. Von dort aus geht ihr gemeinsam in die Mensa. Bis 16 Uhr habt ihr freie Verfügungszeit. Dann verteilen sich alle noch mal für zwei Stunden zu ihren Bereichen. Da du erst zwei Monate nach Beginn des Systems für diesen Jahrgang dazu gestoßen bist, wird deine Rotation für die ersten zwei Bereiche etwas schneller verlaufen.“ „Was für Bereiche?“ fragte Carly nun. Conleth nickte. „Das wird man dir noch erklären. Es mag für den Anfang noch alles ziemlich verwirrend sein, aber du kommst rein, glaub mir. So kompliziert ist es gar nicht.“

      Da war sich Carly nicht sicher. Schon jetzt verstand sie fast nur Bahnhof.