Kim Mevo

Zerbrochene Seelen


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      Jemand räusperte sich hinter ihnen in der Tür. Ein junges Mädchen, etwa ein Jahr jünger, schätzte Carly, trat ein und salutierte. „Leutnant General Brewster. Master Sergeant Warren schickt mich wegen unseres Neuankömmlings.“

      Conleth nickte lächelnd. „Privat Bahira Cunningham, das ist Carly Havering. Sie gehört ab heute zu eurem Team.“

      Obwohl ihr Nachname amerikanisch war, schien ihr Vorname mehr über Bahiras Herkunft zu verraten. Sie hatte mokkafarbige Haut und dunkelbraune Haare, ebenso wie ihre Augen von einem dunklen Braun waren.

      Bahira trug ein Schweißband über ihren kurzen Haaren, das sie nun löste, ehe sie auf Carly zuging um sie mit einem Handschlag zu begrüßen. „Freut mich Carly. Bahira. Ich bin der OrMa.“ „Hi!“ entgegnet Carly etwas zögerlich und sah Bahira etwas verwirrt an. „Was ist... Or...?“

      Bahira grinste. „Ich bin für die Organisation und das Management im Haus zuständig. Damit hier alles läuft.“ sie winkte ab. „Naja, du weißt schon.“

      Conleth nickte. „Private Cunningham ist eine der Besten ihrer Stufe. Sie ist auch für deine Einführung zuständig.“

      Das bereitete Carly einen Knoten im Magen. Eigentlich hat sie gehofft, Tate würde das übernehmen. Sie kannten sich seit Jahren. Doch die Vernunft bläute ihr bereits ein, dass er sicher Besseres zu tun hatte. Das es dumm war, zu hoffen, Tate würde das übernehmen.

      Carly rang sich ebenfalls ein Lächeln ab. „Schön.“

      „Das Zimmer?“ wendete sich Conleth nun wieder an Bahira.

      Sie nickte. „Erster Stock, dritte Tür.“ „Ich helfe dir noch die Sachen hoch zu bringen. Dann überlasse ich dich deinem OrMa“, erklärte er schließlich Carly.

      Diese nickte und folgte ihm durch den Flur. Während Conleth wieder den Koffer nahm schnappte sich Carly die Tasche und folgte ihm die Treppe hinauf. Im ersten Stock war die erste Tür geschlossen. Die zweite lehnte an und Carly konnte durch den Spalt ein Waschbecken erkennen. Dies musste also eines der Bäder sein. Die nächste Tür stieß Conleth auf und betrat ein Zimmer das etwa großzügige fünfzehn Quadratmeter hatte. Carly war von Zuhause mehr gewohnt, trotzdem hatte sie mit weniger gerechnet und zwar ein Weniger, das sie dann auch noch teilen musste.

      Doch im Zimmer stand nur ein Bett. Das Fenster war breit und ließ viel Licht ein. Davor hing eine beige Gardine, die Carly eher an das Schlafzimmer ihrer Oma erinnerte, doch der Rest wirkte ok. Ein Teppich vor dem Bett aus Holz. Ein Kleiderschrank mit zwei Türen, ein Schreibtisch mit Schreibtischlampe, ebenfalls in Braun und Beige.

      Conleth stellte den Koffer neben dem Kleiderschrank ab. Carly klammerte sich an ihrer Tasche fest. Irgendwie hatte sie die Hoffnung, Conleth würde sie doch wieder zurück nach Hause bringen. Sie wollte nicht bleiben. Nach wie vor hielt sie an ihrem Plan fest, nicht lange bleiben zu wollen. Selbst wenn sie ein Luxuszimmer bekommen hätte, hätte es an ihrer Entscheidung nichts geändert. Auch nicht wenn Bahira noch so nett war. Carly wollte nach Hause. Sie wollte zu ihrem Vater, in ihr Haus und zu ihren Freundinnen auf ihre alte Schule.

      Conleth kam langsam auf sie zu, nahm ihr die Tasche aus der Hand und stellte sie auf dem Boden ab. Carly bekam einen dicken Kloß im Hals.

      „Du wirst dich hier wohl fühlen. Glaub mir, es wird nicht lange dauern. Du hast ein tolles Team. Du lebst dich ein.“ tröstete Conleth Carly, während er ihr gegenüber stand und sie mitleidig ansah.

      Am liebsten hätte sie mit den Fäusten auf seine Brust getrommelt und ihn angebrüllt dass absolut nichts in Ordnung war. Als hätte sie ihr Leben nicht schon gehasst, als ihre Mutter gestorben war. Nun wurde es immer schlimmer. Carly hatte das Gefühl, in einen tiefen und immer tieferen Abgrund zu stürzen und es gab nichts, das sie halten konnte. Conleth seufzte, er schien ihre Anspannung zu spüren. „Carly...“ „Passt schon.“ murmelte sie nun und senkte den Kopf. „Geh schon. Du hast sicher Besseres zu tun.“

      Conleth sah sie einen langen Moment an und nickte schließlich. „Stimmt. Ich werde nächste Woche nach dir sehen kommen.“

      Carly sah zu ihm auf „Du bleibst nicht auf dem Gelände?“ „Ich habe einen wichtigen Auftrag in Bahrain. Ich werde bis voraussichtlich nächste Woche verreisen. Aber du kommst hier klar, das weiß ich.“ Im Vorbeigehen klopfte er Carly auf die Schulter. „Bis bald, Carly.“

      Es war eine kleine, tröstliche Berührung, doch Carly hatte schon alleine davon das Gefühl, zusammen zu brechen. Conleth Schritte entfernten sich bis sie schließlich alleine zurück blieb. Heiße Tränen brannten in ihren Augen. Sie hasste ihren Vater, sie hasste Conleth, sie hasste diese beschissene Akademie. Wie sollte sie das bloß schaffen, für drei Jahre hier zur Schule zu gehen? Mit achtzehn oder neunzehn wurde man hier entlassen. Meist in andere militärische Einrichtungen. Doch Carly dachte gar nicht daran, für das Militär zu arbeiten. Geschweige denn, drei Jahre hier zu verbringen.

      Als sie hinter sich etwas hörte, erschrak sie. Sie hatte Bahira beinahe vergessen. Diese schürzte nun die Lippen und musterte Carly. „Soll ich dir das Haus zeigen?“

      Carly schluckte den Kloß in ihrer Kehle weg. Am liebsten hätte sie den Kopf geschüttelt und die Tür zu geworfen. Sie wollte sich einfach auf dem Zimmer verbarrikadieren. Doch das wäre lächerlich, das wusste Carly ebenso. Sie hatte keine andere Wahl. Noch nicht. Also nickte sie schließlich und folgte Bahira zögerlich auf den Flur. Bahira deutete auf die Tür zu Carlys Rechten. „Da ist das Bad, gleich neben deinem Zimmer. Dusche, Toilette und zwei Waschbecken. Gleiches ist im oberen Stockwerk und unten. Für das Duschen am Morgen hat jeder im Übrigen nicht mehr als sieben Minuten. Und damit meine ich von der Sekunde an, in der die Tür geschlossen wird, bis dahin, wo sie wieder aufgeht.“

      Carly nickte etwas mürrisch. Sie hasste es schnell duschen zu müssen. Aber das hatte ihr Conleth ja zuvor schon erklärt. Die beiden stiegen die Treppe wieder hinab und gingen in den großen Wohnraum. Bahira hob die Arme und deutete um sich herum, auf den großen Raum.

      „Hier ist das Herz des Hauses. Gekocht wird hier nur am Wochenende. Noch. Wir haben einen festen Plan, der ständig rotiert. Ebenso einen Reinigungsplan, der streng einzuhalten ist. Die anschließende Reinlichkeitskontrolle wird von mir abgenommen.“ Nun begriff Carly immer besser, was OrMa genau bedeutete. Und sie ahnte bereits, dass ihr Bahira noch ordentlich auf den Sack gehen würde.

      „Ich habe deine Pläne schon abgeholt“ sagte Bahira nun und holte aus ihrer Tasche einen Umschlag. Dann schlenderte sie zu dem großen Tisch rüber und setzte sich. Carly trat nur langsam näher. Schließlich nickte ihr Bahira zu, sich ebenfalls zu setzen. Dann breitete sie Zettel vor Carly aus. Einen ziemlich großen Packen sogar.

      Zuerst legte Bahira Carly einen dicken zusammen getackerter Blätter hin. „Das sind die Regeln der Akademie. Du musst sie unterschreiben.“

      Nun kramte sie einen Kugelschreiber hervor und legte ihn neben den Stapel. Carly nahm ihn und unterschrieb.

      Bahira stutzte. „Willst du es dir nicht mal durchlesen?“ „Nein.“

      Bahira machte die Augen schmal. Doch sie legte den Stapel zur Seite und holte den nächsten hervor, der nicht ganz so dick war. Auf der unteren, rechten Ecke, konnte Carly anhand der Seitennotiz erkennen, das es nichts desto trotz zwölf Seiten waren.

      „Das sind die Regeln und Pläne des Hauses. Ich war so frei sie zusammen zu stellen. Und zur Bestätigung hätte ich da ebenfalls eine Unterschrift...“

      „Eine Unterschrift für deine Regeln?“ fragte Carly, etwas bissiger als beabsichtigt.

      Bahira sah sie argwöhnisch an. „Das Missachten von Vorgesetzten ist eine schlechte Angewohnheit.“ „Soviel ich weiß, leben wir bloß zusammen. Wir sind in einem Team, du bist nicht mein Chef.“ stellte Carly sachlich fest, ohne den Unterton einer Anklage.

      Doch Bahira hob das Kinn. Carly ahnte, dass das eine dumme Bemerkung war. Das hätte sie sich sparen sollen. Andererseits war das vielleicht schon ihr Ticket aus diesem Gefängnis. Denn umso mehr Blätter mit Regeln und Vorschriften sie sah, umso eher fühlte sie