Franz Roither (Hrsg.)

Der Attersee in der Literatur des 19. Jahrhunderts


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dem Attersee entlang ist vorzüglich jenen Reisenden zu empfehlen, die von Salzburg und Baiern herankommen, da sie nicht nur das oftmalige Umpacken der Habe verhütet, sondern auch an und für sich so viel Schönes und Interessantes bietet, wie kaum eine andere. Zudem ist sie, namentlich von Kammer aus, im besten Zustande und gänzlich gefahrlos.

      Von Weißenbach aus führt ein bequemer Fußweg, dem südlichen Seeufer entlang in einer halben Stunde nach Unterburgau.

      War schon der Weg dahin, durch seine überraschend schönen Baumgruppierungen, phantastischen Felsdecorationen, durch die üppige Gebirgsvegetation (darunter die Alpenrose), durch die herrlichen Aussichten auf die Seegegend, äußerst lohnend: so erlangt dieses Vergnügen erst seinen Höhepunkt, wenn man den Ansitz Loidl’s in Unterburgau erreicht hat.

      Die Aussicht vom besagten Ansitze aus ist eine der schönsten, lieblichsten, die ich je gehabt habe.

      Hinter sich sieht man den felsigen Leonsberg emporstarren, links die zackigen Häupter der Elfer- und Zwölferkogeln, darüber guckt die steile Drachenwand am Mondsee heraus, das idyllische Unterach (in der Volkssprache das kleine Venedig genannt) am Fuße des sanft abgerundeten Hollerberges, noch weiter zurück zeigen sich der Limberg und der Buchberg mit den Ortschaften Mißling, Zell, Dexelbach, Nußdorf, Abtstorf, Attersee, Buchberg, Litzelberg am Fuße schön hingestreut als weiße Blümlein in dem saftiggrünen Uferkranz. Am nördlichen Ufer prangt auf sanfter Höhe das niedliche Seewalchen, darüber hinaus, auf dem duftigblauen Ausläufer des Hausruckberges das Schloß und der Markt Wolfseck, rechts der Gahberg mit dem Orte Weyeregg am Fuße, dann die Seeleiten, daran sich schließend folgt das zierliche Steinbach, hingelehnt an den wildverwitterten Steinberg, gesellt sich dazu noch ein schön blauer, mit weißen, fliegenden Wölklein bemalter Himmel; so giebt das Ganze ein Bild von selten gesehener Schönheit, wo sich das Starre mit dem Weichen, das Großartige mit dem Idyllischen in einer schönen Harmonie vereiniget.

      Loidl hat ein zu interessantes Vorleben, als daß ich es verschweigen könnte. Er wurde in dieser Gegend geboren und war schon in seiner Jugend ein leidenschaftlicher Jagdliebhaber. Unter der baierischen Herrschaft kam er zum Militär und desertirte. Er verbarg sich zu Hause und trieb das gefährliche Handwerk eines Wildschützen und zwar so arg, daß die fürstlichen Jäger den Auftrag erhielten, ihn lebendig oder todt einzuliefern. Es gelang ihnen nicht, seiner habhaft zu werden. Dadurch lenkte er die Aufmerksamkeit einiger Hochgestellten auf sich. Fürst Wrede von Eich verwendete sich für ihn und erwirkte ihm Begnadigung für seine früheren Handlungen, ja man gieng, ganz rational, noch weiter und gab ihm, wie man mir sagte, eine fürstliche Jägerstelle, seine Tüchtigkeit und Freude hiezu wohl würdigend. Man täuschte sich nicht in ihm, sein ganzes folgendes Leben war das eines Ehrenmannes. Der ehrwürdige, nun 79jährige Greis erzählte mir selbst, er habe wohl 1000 Stück Hochwild erlegt. Seine erste Frau verschlang ihm sein schöner Nachbar, der Attersee, seine zweite Frau wird noch jetzt als gefährlich irrsinnig hinter Schloß und Riegel gehalten. Der kinderlose Loidl hat während dieser Zeit 29 Waisenkinder aufgezogen und zum Theil nach Verdienst ausgestattet. Doch, wie er mir sagte, erlebte er wenig Freude daran. Die Buben, bemerkte er, kamen zur Zeit, wo sie ihm hätten ersprießliche Dienste leisten können, zum Militär und manches Mädchen glaubte ihn mit einem unbefugten Familienzuwachse beschenken zu müssen. Doch trotzdem sah ich noch zwei Kleine da, die ihn als ihren Ziehvater begrüßten. Sein Ansitz ist nach seiner Idee gebaut. Der geräumige Fischteich und sein großes Vogelhaus sind sehenswert. Er lebe noch lange und glücklich!

      Von hier aus ist eine kurze Seefahrt nöthig, da der Fußweg um die abgerundete Seebucht über die zu steil aufsteigenden Felsenufer oft durch Murbrüche und Steingeröll unterbrochen und gefährlich wird. Die Fahrt nach Unterach dauert nur eine halbe Stunde und ist vorzüglich schön zur Nachtzeit, wenn dem Schifflein die beleuchteten Fenster Unterach’s auf dem blanken Seespiegel in langen Streifen entgegenzittern.

      Unterach ist ein freundlicher, von der Natur mit einem sehr gemäßigten, gesunden Klima gesegneter Ort. Hier allein wachsen die Kastanien im Freien zu stattlichen Wäldern heran.

      Die Häuser sind in einer langen Reihe an das Seeufer hingebaut, ihre mitunter sehr malerischen Schiffhütten in den See hinausschiebend.

      Da herrscht das regste Seeleben, namentlich zur Morgenzeit. Vieh, Kalk, Holz, Holzkohlen, Bret[t]er und andere Producte werden verladen, um nach Kammer oder in die Ager verschifft und verflößt zu werden; die Flößer binden und nageln sich ihre schwanken Fahrzeuge zusammen, die Fischer gleiten und furchen in die blaue Fläche hinein und werfen emsig ihre Netze aus, die Buben angeln am Ufer, während rothbackige Mädchen in ihren kleinen Kähnen ihre Wäsche ausschwingen.

      Unterach (Untracha, Unträ) ist ein Pfarrdorf, dessen Alter mir unbekannt ist. Die ältesten Pfarrbücher reichen bis 1645 zurück. In Unterach stand ein Schloß, das bis auf ein Thurmfragment, welches als Kalkofen benützt wird, verschwunden ist.

      Das Schloß war anno 1630 Eigenthum der Familie Lasser zu Lassereck, später besaßen es die Grafen von Starhemberg und am 20. April 1667 kaufte es Franz Christoph von Khevenhüller.

      Unterach wird mit Vorliebe als Sommeraufenthalt von verschiedenen Seiten her benützt und eignet sich dazu sowohl seiner schönen und freundlichen als auch gesunden Lage wegen vortrefflich. Unterkunft bieten die zwei guten, geräumigen Gasthäuser (Mettendorfer und Hager) und manches niedliche Privathaus. Die Aussicht von dem Balkone auf der Hager’schen Schiffhütte ist sehr schön.

      Von hier aus führen verschiedene Wege auf den vielbesuchten Schafberg, dessen Besteigung wohl kein Naturfreund unterlassen sollte.

      Ein Weg führt über die Eisenau, Sulsenalm und den unteren Schafberg in 6 Stunden gefahrlos auf die Spitze; ein zweiter Weg geht durch den Burggraben, Schafbergthürl zur Höhe, während ein dritter sehr bequemer über Scharfling am Mondsee, Hüttenstein und die Schafbergalm zum Ziele führt. Als empfehlenswerthen Führer nenne ich den Mathias Scharnthoner in Unterach.

      Hier kann ich es nicht unterlassen, die Partie auf den Schafberg, die ich vor einigen Jahren unternommen, einzuschalten, wie ich sie in meinem Tagebuche eingeschrieben finde.

      Der Marsch begann Nachmittags von Unterach aus westwärts zum Mondsee. Nach ¾ Stunden war er erreicht und ein Einbaum (ein in Form eines Troges ausgehöhlter Baumstamm, der als Nachen dient) gemiethet, der mich in einer halben Stunde nach Scharfling über den herrlichen Mondsee hinüber schaukelte.

      Nach Scharfling begann bald ein düsterer Hohlweg steil bergan bis auf die Wasserscheide der Ischl und der Ager. Von hier gieng es dann bergab dem Orte Hüttenstein zu, mit dem hübschen, dem Fürsten Wrede gehörigen Schlosse Eich. In der Nähe desselben, in einem dunklen Winkel hineingedrückt, senkrecht unter der Straße, drohte der kleine, pechschwarze Krottensee dämonisch, wie ein riesiges Tintenfaß herauf.

      Vom Orte aus begann der Anstieg des Schafberges über einen gut ausgetretenen Fußweg zuerst über grüne Matten, dann durch Wald und Gesträuch, über Bergmäder zur Oberalm, wo nahe an einander in malerischer Verworrenheit eilf Sennhütten herumliegen. Eine davon ist zum Theil aus Stein gebaut mit mehreren Zimmer, zur Fremdenwohnung eingerichtet mit bequemem Betten. Eine Frau von St. Gilgen besorgt die Wirthschaft, bietet gute Küche und lobenswerthen Keller, und, wer Freude daran hat, eine angenehme Conversation. Nach einer Stunde war der Gipfel und die bequeme Restauration des Herrn Schwarzinger von St. Wolfgang erreicht.

      Der Abend war schön und schon ziemlich vorgerückt, darum begab ich mich nach einer kurzen Ruhe auf den Dachboden der Herberge, den Untergang der Sonne erwartend, welche bald blutroth am fernen Horizonte hinunterstieg, zuerst einen rothen, allmälig in’s Gelbe und Fahle übergehenden Schein und dann eine ziemlich helle Mondnacht zurücklassend. Im Speisesaale angekommen, folgte eine amüsante Durchmusterung des dicken Fremdenbuches. Unzählige Namen, große Titel, schlechte Verse, entlehnte Gedanken, spärlich unter ihnen ein klares Original, ein gelungener Witz; wie wenige Weizenkörner in einem Haufen Spreu, wie seltene Goldkörner im Sandes des Flußufers.

      Nach einer kurzen Nachtruhe war ich schon wieder, mit allem Nothwendigen ausgerüstet, auf dem Balkone. Noch war ringsum das zauberhafte Licht einer hellen Mondesnacht. Der Mond mit seinem funkelnden Sternenheere schien herabgestiegen zu sein auf den tief unten liegenden Riesenspiegel