Melissa Jäger

Raetia


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fragte Alpina: „War das wirklich nötig? Hätte das Kind nicht auch auf natürlichem Wege geboren werden können?“

      Die Mutter schüttelte traurig den Kopf.

      „Zum einen hatte sich das Kind tatsächlich so arg verkeilt, dass es nicht durch den Geburtskanal gepresst werden konnte, zum anderen zeigte Ferun bereits Anzeichen einer Infektion. Demetrios hat das sofort erkannt und ganz richtig gehandelt!“

      Sie wirkte müde und erschöpft, als sie fortfuhr: „Ohne die Entzündungszeichen hätten wir es noch eine Weile mit Tränken, Räucherungen und Bedampfungen versuchen können, aber so…“ Die Mutter neigte den Kopf seitlich. „Demetrios hat gute Arbeit geleistet. Er hat zügig und sicher alles Notwendige getan. Ich denke, er ist tatsächlich ein guter Medicus.“

      Celsa brachte beiden noch einen Becher gewärmten, gesüßten Wein, dann legten sie sich schlafen. In Alpinas Träumen wimmelte es von Dämonen und Manen, die sich die blutigen Körperteile des Säuglings gegenseitig zuwarfen und dabei höhnisch lachten.

      Monat März, am XV. Tag vor den Kalenden des Aprils

      Nachdem alle Ausrüstungsteile wieder auf den Packpferden und Wagen verstaut waren, und die Soldaten ihr Marschgepäck geschultert hatten, setzte sich der Trupp in Gang. Der Präfekt der II. Räterkohorte erwartete sie bereits in der Nähe des Danuviusübergangs bei Phoebiana. Er hatte eine Reitereinheit mit ihrem Decurio mitgebracht, die an der Übung in Aquileia teilnehmen sollte.

      Das Lager der II. Räterkohorte lag nicht weit vom Tempel des einheimischen Quellgottes Apollo Grannus entfernt. Der Holzbau in traditioneller Weise, mit quadratischem Cellaturm und säulengetragenem Umgang, erfreute sich großer Beliebtheit bei Einheimischen und Soldaten. Das heilkräftige Wasser der Quelle führte zu so regem Besucherstrom, so dass man bereits eine Erweiterung des Kultgeländes plante. Neben den Trinkkuren sollten in Zukunft auch Bade- und Schwitzkuren möglich sein.

      Die Straße führte am Ufer des Danuvius entlang, dann über eine langgestreckte Holzbrücke, die den Fluss mit all seinen Nebenarmen und Teichen überspannte, ins ehemalige Feindesland, das Gebiet der germanischen Stämme. Dort überquerte man das Flüsschen Gontia und ritt das Ufer zum Tempel des keltischen Gottes hinauf. Ein Priester des Apollo Grannus erwartete bereits die illustren Gäste. Sura, Proculus, Rufus und der Legatus Augusti, Fabricius Veiento, entstiegen ihren Reisewagen. Der Reihe nach bekamen sie vom Priester einen Becher mit dem heilkräftigen Quellwasser gereicht. Als Dank erhielt der Priester eine großzügige Geldspende und den Auftrag, im Namen des kaiserlichen Legaten einen Weihealtar fertigen zu lassen, der im Kultbezirk aufgestellt werden sollte. Die Pferde der Truppe wurden getränkt, dann setzten sie, verstärkt durch die Reitereinheit, ihren Weg fort.

      ***

      Alpina begleitete ihre Mutter zum Haus der Wöchnerin Ferun. Angstvoll erwarteten beide die Begrüßung durch den Schuster. Ob die junge Germanin noch lebte?

      Zu ihrer Überraschung lächelte der Schuster die beiden Obstetrices an.

      „Schön, Euch zu sehen, Iulia Elvas und Iulia Alpina! Wie gut, dass Ihr gestern den Medicus geholt habt! Es geht meiner Frau den Umständen entsprechend gut. Meine Mutter kümmert sich um sie.“

      Alpina fiel ein Stein vom Herzen. Welch ein Glück! Ihre Mutter verband die Frage nach der vergangenen Nacht mit einer weiteren nach den Kosten für die Behandlung durch Demetrios. Der Schuster winkte ab.

      „Ich finde, er hat mir einen fairen Preis genannt – für das Leben meiner Frau! 20 Sesterzen.“

      Der stämmige Mann zuckte die Achseln, dann fragte er Elvas rundheraus: „Wie sieht es denn mit Eurem Honorar aus?“

      Alpinas Mutter lächelte fein, dann vertröstete sie den Schuster. „Wir wollen mal sehen, wie oft ich noch kommen muss, aber das Honorar wird bei weitem nicht an das des Medicus heranreichen, da könnt Ihr Euch sicher sein.“

      Sie betraten gemeinsam die kleine Kammer, in der die junge Germanin lag. Sie war blass und wirkte müde, lächelte aber dünn, als sie die Eintretenden erkannte. Elvas ließ sich an der Bettkante nieder. Sie nahm die Hand der Frau und begann, den Puls zu tasten. Die Tür öffnete sich knarrend, und die Schwiegermutter kam herein. Sie trug einen Krug mit Wasser in der einen und eine Schüssel mit Brei in der anderen Hand.

      „Schön, Euch zu sehen. Es geht Ferun erstaunlich gut!“

      Elvas erwiderte den Gruß und nickte.

      „Ja, das sehe ich. Doch es ist sicher noch nicht ausgestanden. Noch immer ist es möglich, dass Wundfieber auftritt. Sie muss sich unbedingt noch schonen!“

      Die Germanin nickte und übersetzte die Warnung. Elvas empfahl Schonkost und einen Trank aus Brennnessel zur Blutreinigung und um einer Infektion vorzubeugen. Dann versprach sie, nach zwei Tagen erneut zu kommen, um den Heilungsverlauf zu überwachen.

      Als sich die beiden Obstetrices zum Gehen wandten, erkundigte sich Elvas bei der Schwiegermutter, ob Ferun um das verlorene Kind trauerte. Die blonde Frau schüttelte den Kopf.

      „Bislang nicht. Ich schätze, sie ist erstmal froh, überlebt zu haben. Das wird noch kommen, wenn sich der Körper erholt hat.“

      Elvas nickte. „Rede mit ihr darüber, wenn sie bereit ist. Sie wird es brauchen!“

      ***

      Aquileia war noch nicht lange das Standlager der Ala II Flavia pia fidelis. Die Palisaden wirkten noch frisch, die Baracken und die Principia waren frisch verputzt und erstrahlten in leuchtendem Weiß. Caius hatte mit seinen Leuten ein Nachtlager vor dem Lagerwall aufgeschlagen. Die kleinen Zelte der Contubernien und die großen Zelte der Offiziere, Statthalter und Begleiter waren schnell aufgestellt. Der Centurio führte Rufus, den kaiserlichen Legaten und seine Begleiter zum Tribun der tausend Mann starken Reitereinheit in die Principia des Lagers, um die angesetzte Übung zu besprechen. Anschließend würde es ein mehr oder weniger einfaches Lageressen für alle geben.

      ***

      Mirne stellte gerade eine Schüssel mit dampfendem Eintopf auf den Tisch, als es klopfte. Sie sah ihre Herrin fragend an, die ihr zu verstehen gab, dass sie öffnen solle. Wenig später betrat die Dienerin, gefolgt von einem jungen Mann das Triclinium, den Elvas nicht kannte. Er stellte sich vor: „Mein Name ist Antius. Ich bin Diener des Tiberius Alpius Soterichus in seiner Villa rustica. Er schickt mich mit einer traurigen Nachricht zu Euch. Meine Herrin, die ehrwürdige Gattin meines Herrn Soterichus, Alpia Tibulla, ist gestern früh gestorben. Eure Tochter Ilara, schickt morgen einen Reisewagen, um Euch und Eure Tochter Alpina zur Begräbnisfeier abzuholen. Plant Kleidung für ein paar Tage ein.“

      Elvas schlug bestürzt die Hand vor den Mund.

      „Proserpina sei gnädig! Das ist jetzt doch unerwartet schnell gegangen, nicht wahr? Natürlich werden wir das Angebot gerne annehmen. Richte bitte Alpius Soterichus, Balbina und meiner Tochter Ilara unser Beileid aus. Ich nehme an, du wirst noch heute zurück erwartet?“

      Der Sklave nickte zur Bestätigung.

      „Ich muss noch einige Freunde und Bekannte der Familie benachrichtigen, dann kehre ich zurück.“

      „Wir wollen dich nicht aufhalten, Antius! Mercurius möge deinen Weg schützen!“

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