Melissa Jäger

Raetia


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auch. Bei den Metallen bin ich mir nicht so sicher, da muss ich Milus fragen. Was meinst du, soll ich versuchen, Alpina?“

      Alpina zuckte die Achseln. „Butter und Alaun klingt einfach. Das Rezept stammt von Chloe. Aber auch die Sache mit dem Kupfersulfat, Myrte und Galbanum, die schon Hippokrates beschreibt, scheint wirkungsvoll zu sein. Du solltest Milus bitten, im Laden nachsehen zu dürfen.“

      Ilara nickte. Sie legte sich einen zarten grünen Seidenschleier über die Haare und ging zu der Kammer, die der Sklave bewohnte. Auch er war bei den Wagenrennen gewesen und hatte sich erst wieder trocknen und aufwärmen müssen.

      „Herrin? Wie kann ich Euch helfen?“ Der kleine Mann aus dem Osten des Reiches trat vor die Tür seiner Kammer.

      „Kannst du mir den Laden öffnen? Meine Schwester benötigt einige Heilmittel, und ich kenne mich nicht so gut aus, um alles finden zu können.“

      Der Sklave nickte eifrig. „Gerne! Was benötigt Ihr?“

      Ilara sah Alpina hilfesuchend an.

      „Alaun, Kupfersulfat und Galbanum. Ach ja, Myrrhe, Myrte und Mastix wären auch noch gut.“

      Milus schien nachzudenken. Auf seiner Stirn zeigten sich Falten.

      „Ich denke, von den Harzen müsste auf jeden Fall etwas da sein. Bei den Metallen oder Mineralien bin ich mir nicht so sicher. Das sind eher Substanzen, die der Medicamentarius verkauft. Wir besitzen in erster Linie Duft- und Farbstoffe für Kosmetika. Alaun benutzt man zwar bei der Herstellung von Farbstoffen für bunte Stoffe, wir aber haben nur Farben für Schminke, nicht für Stoffe. Da müsst Ihr den Purpurhändler Megyllos fragen, der kann Euch da sicher weiterhelfen.“

      Alpina nickte. „Danke, Milus. Könnte ich von den Harzen und der Myrte etwas bekommen?“

      „Aber sicher! Folgt mir bitte.“

      Er führte Alpina und Ilara in den Laden. In dem Regal mit den Räucher- und Duftstoffen standen große und kleinere Gefäße, Holzkisten, Säckchen, Glasflaschen, Phiolen und vieles mehr. Milus holte die Harze aus den Schubladen eines größeren Kästchens hervor. Die Myrtenblätter nahm er aus einem Säckchen. Alpina ließ sich mit der Handwaage die benötigte Menge abwiegen und in je eine gefaltete Papyrustüte verpacken. Der Sklave schrieb auf jede davon mit Granatapfeltinte den Inhalt. Dann überreichte er Alpina die Tüten.

      „Diese Dinge für meine Schwester werden nicht in den Listen der Buchhaltung auftauchen, verstanden, Milus?“

      Der Sklave nickte gehorsam. „Wie Ihr wünscht, Domina!“

      In der Küche des Hauses formten die beiden Frauen aus Wolle und einem Leinenstoff ein Pessar und banden eine Schnur daran fest, damit Ilara es auch leicht wieder entfernen konnte. Dann verrieb Alpina Teile der Harze zu einem Pulver und löste sie in frisch bereitetem Myrtensud auf. Das Gemisch roch würzig und aromatisch. Sie tränkten eines der Pessare mit der Flüssigkeit, und Alpina half ihrer Schwester in der Kammer beim Einführen des Stoffstückes. Ilara biss die Lippen zusammen. Es brannte unangenehm. Dann versprach Alpina der Älteren, am kommenden Tag wiederzukommen und ermahnte sie, Celsa zu schicken, falls es nötig sei. Durch den strömenden Regen machte sie sich auf den Heimweg. Sie wollte noch beim Haus des Essimnus vorbeigehen, um zu sehen, ob sie Gavia sprechen konnte. Sie war sich sicher, dass die Freundin ihren Zuspruch brauchen konnte.

      Auf ihr Klopfen öffnete ein Sklave des ehemaligen Quaestors. Er sah abschätzig auf das junge Mädchen herab. Alpina nannte ihren Namen und bat darum, zu Gavia vorgelassen zu werden, aber der Diener schüttelte energisch den Kopf.

      „Der Dominus hat keine Besuche gestattet. Er wünscht nicht, dass seine Tochter mit irgendjemandem spricht. Das gilt leider auch für Euch, Iulia Alpina!“

      Ehe sie sich versah, hatte er die Tür wieder geschlossen und Alpina im Regen stehen lassen.

      ***

      Elvas war beunruhigt. Weder Alpina noch Ilara waren zum Wagenrennen erschienen. Sie hatte immer wieder nach ihnen Ausschau gehalten, aber keine von beiden war gekommen. Als sie am frühen Nachmittag völlig durchnässt mit Mirne ins Haus zurückkehrte, war Alpina auch dort nicht anzutreffen. Irgendetwas musste mit Ilara sein, soviel stand fest. Elvas schickte Mirne zum Haus der älteren Tochter, um nachzufragen, was los sei. Sie selbst heizte den Wasserkessel für ein warmes Bad.

      Mirne kam wenig später zurück mit einer beunruhigenden Nachricht. Celsa habe sie förmlich abgewimmelt. Sie sei weder eingelassen worden, noch habe sie Ilara oder Alpina zu Gesicht bekommen. Die Leibsklavin ihrer Ältesten habe ausgerichtet, dass Ilara wohl eine Gastritis plage, sie im Bett liege, und dass Alpina ihre Schwester mit allem Nötigen versorge. Elvas solle sich keine Sorgen machen, es ginge ihr dank Alpinas Hilfe bereits wieder besser.

      Elvas sah ihre Sklavin skeptisch an, während sie den Kessel mit warmem Wasser anhob, um die Wanne zu füllen.

      „Glaubst du das, Mirne?“

      „Hm, schwer zu sagen, Herrin. Entweder Celsa war gut instruiert oder sie sagte die Wahrheit. Sie hat es so flüssig ausgesprochen, dass ich vermute, sie sagte die Wahrheit.“

      „Nun gut“, Elvas legte ihre klamme Kleidung ab, „wir werden es erfahren, wenn Alpina nach Hause kommt.“

      Alpina erschien wenig später, und Mirne erwärmte noch einmal Wasser. Außerdem schürte sie das Feuer für die Fußbodenheizung an. Das Mädchen war einsilbig. Sie bestätigte Celsas Aussage und berichtete, dass sie das Erbrechen der Schwester mit Minzetränken und Duftölen beenden konnte. Als Elvas besorgt nachhakte, ob nicht sie selbst noch einmal nach ihrer Ältesten sehen sollte, wies Alpina das Ansinnen barsch zurück. Elvas zog die Augenbrauen hoch. Es war eindeutig, dass Alpina ihre Einmischung nicht wünschte. Welche Geheimnisse hatten ihre Töchter vor ihr? Was ging da vor sich? Sie nahm sich vor, Alpina am kommenden Tag zu begleiten und sich durch nichts davon abbringen zu lassen. Sie wollte sich selbst ein Bild von Ilaras Gesundheitszustand zu machen.

      ***

      Als Claudius das Atrium des Hauses betrat, war Alpina noch nicht fertig. Mirne kämmte ihr gerade die noch feuchten Haare. Er nutzte die Gelegenheit, Elvas alleine zu sprechen.

      „Liebe Elvas, kannst du mir sagen, warum Alpina heute nicht beim Wagenrennen war? Ich habe mir Sorgen gemacht.“

      Die Frau des Centurios lächelte. „Kein Grund zur Sorge, Claudius. Sie war bei Ilara, die mit einer Gastritis im Bett liegt.“

      Nach außen hin zeigte sich der Ritter beruhigt und erkundigte sich mitleidig, ob es Ilara nun besser ginge. Innerlich aber brodelte es. Warum hatte er Alpina dann vor der Tür von Glyceras Haus getroffen? Was wollte sie dort, wenn doch die Schwester krank im Bett lag, und sie ihrer Mutter gegenüber behauptet hatte, an Ilaras Seite zu sein?“

      Alpina kam die Treppe hinunter. Sie sah wie immer wunderschön aus. Mit ihrer zarten Figur wirkte sie wie eine Nymphe und die feuchten Haare verstärkten den Eindruck noch. In Claudius‘ Magengrube regten sich Schmetterlinge. Er freute sich so sehr, dass dieses schöne Mädchen bald seine Frau werden würde! Der Ritter ging auf sie zu und nahm ihre beiden Hände in seine. Sie blickte von unten zu ihm auf, und er meinte, eine gewisse Unsicherheit in ihren Augen zu lesen. Sie verheimlichte ihm etwas, da war er sich sicher! Nur was?

      „Alpina! Wie schön, dich zu sehen!“, hauchte er liebevoll.

      Sie wendete den Blick ab und löste sich aus seinen Händen.

      „Sei gegrüßt, Claudius!“, sagte sie förmlich. „Womit können wir dir helfen? Caius ist nicht hier, wie du weißt.“

      Alpina war offensichtlich nicht bereit, vor ihrer Mutter preiszugeben, dass sie Claudius an diesem Tag bereits begegnet war. Er spielte dieses Spiel mit, nahm sich aber vor, Alpina bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit nach den Gründen für ihre Geheimnistuerei zu fragen.

      Elvas bat Claudius ins Tablinium, das von der Fußbodenheizung angenehm temperiert war. Dort breitete er die Tüten mit den Kräutern und den Papyrus mit der Rezeptur auf dem Tisch aus. Interessiert näherten sich