Angelika Merkel

Vermächtnis der Sünder Trilogie


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der Situation. Und so verfährt der Orden der San-Hüter seit Jahrhunderten entgegen allem, woran sie selbst angeblich glauben. Dem Schöpfergott.«

       Der Alte erhob sich und schritt um die Tafelrunde.

       »Warum sollte der Schöpfergott mit uns, mit den Hütern sein, wenn wir das mit genau den Mitteln bekämpfen, mit denen er uns strafen wollte?«

       Belothar erwachte aus seiner Lethargie. »Moment! Der Wächter an Karmastes Grab hatte nichts gegen uns.«

       »Sicherlich! Ihn interessierte nur, dass wir ihm sagten, woran wir glaubten. Es war eine Prüfung des Zweifels und des Glaubens. Ihm ging es nicht um richtig oder falsch in den Augen des göttlichen Schöpfers. Ihm ging es nur um das, woran wir glaubten.«

       Woran sie glaubten? Celena runzelte die Stirn. Ihre Aufmerksamkeit wandte sich Thiamets Buch zu. Wenn das was dort im Buch stand, wahr war, dann erschütterte das die Wahrheit und war zugleich ein Ausweg.

       Terzios nahm die Pfeife aus dem Mund und blies einen dicken Schwaden Rauch in den Raum.

       »Wir können die Wesen dieser Welt nicht ändern. Demzufolge ist es nicht möglich, der unseligen Horde die Grundlagen ihrer Existenz zu berauben. Daher ist der Orden im Denken fett und träge geworden. Sie ergeben sich der Schwarzseherei. Nur wenige dachten an andere Wege. Und genauso wie unser Freund Adelus, hielten sie unerbittlich an der erworbenen Macht fest. Eher wollten sie diese weiter verstärken und ihre Lebenszeit verlängern. Macht fördert die Bestechlichkeit – besonders das Böse in uns selbst, welches wir mit deren Blut entflammen. Es ist, als würde man Öl ins Feuer gießen.«

       »Was gedenkt ihr zu tun?«, entfuhr es dem König. »Habt ihr vor, diese bösartige Brut zu Tode zu knuddeln?«

       Thorgrim, der bis dahin kein einziges Wort hervorbrachte und still zuhört, murrte auf. »He! Das ist meine Aufgabe, so etwas zu sagen.«

       Terzios musste unwillkürlich lächeln. Dieser Zwerg gefiel ihm.

       Schnell entschwand sein Lächeln wieder, als er sich zu Belothar wandte.

       »Es gibt immer einen Weg, solange es welche gibt, die nicht an ausweglose Situationen festhalten.«

       Er sah zu Celena hinüber, die sich nicht von dem Folianten lösen konnte.

       »In dieser Welt herrscht weit Mächtigeres als die Macht der Altvorderen, die wir die „Anderen“ nennen. Sie ist nur ein Bruchteil dessen. Und weil wir nicht fähig sind, sie zu sehen, glauben wir, dass er nicht mehr unter uns weilt. Jene, die das Mächtige erkennen, fürchten es oder wollen dieses für sich nutzen. Eure Majestät! Wilna! Wie können die San-Hüter derart edel und aufopfernd sein, wenn sie mit dem Blut eines Erzalten in den Adern, verdorbener sind, als ein Tross von der Brut der "Anderen"? Jenem Blut eines vergifteten alten Gottes, von denen der Schöpfergott angeblich möchte, dass wir ihnen abschwören. Doch dies zu nutzen, heißt die Macht dieses alten Gottes hochzuhalten. Er wird letztlich mit der Ausrede der Notwendigkeit im Angesicht einer unerbittlichen Streitmacht verherrlicht. Letztendlich haben wir keinen Funken des Vertrauens oder Glaubens in den göttlichen Schöpfer. Trotzdem hoffen wir, dass er uns beisteht. Klingt das nicht ein wenig heuchlerisch und ironisch? Wir sind weitaus hochmütiger als jene, die einst versuchten, den Himmel zu erobern. Jene, die er zurückwarf, auf dass sie die ersten der dunklen Horde wurden. Wieso soll er sich für seine Schöpfung interessieren, wenn diese keinen Glauben an ihn hat?«

       »Es interessiert ihn!«, murmelte Celena. Allmählich begriff sie, war jedoch noch nicht bereit es laut auszusprechen. »Stimmt es, Terzios?«

       Ihr Blick blieb flehend auf den alten Hüter haften.

       »Sie sind ihm nicht völlig egal. Zumindest gibt er ihnen eine Gelegenheit alles zu ändern.«

       Wilna meldete sich nach zwischenzeitlicher Resignation zu Wort.

       »Von welcher Gelegenheit sprecht ihr, Hüter?«

       »Wilna, das ist nicht euer Ernst«, bläffte Belothar dazwischen.

       »Eure Majestät, ich hegte schon lange den Verdacht, dass wir belogen wurden und uns selbst dadurch angelogen hatten. Es ist und war bequemer. Seit Langem denke ich über das Schicksal der Magier nach, die in euren Orden sind und ich fragte mich, ob es unabänderlich sei. Wir haben uns gerne im Glauben gewogen, dass dem so wäre. Aber was wenn wir uns irrten? Und wenn wir uns in diesem Punkt irrten, worin irren wir vielleicht noch? So schwer es auch mir fällt dies zu sagen, aber dieser Mann hat recht. Eure Pflichten als Hüter in allen Ehren, aber das, was ich gerade hören musste, geht zu weit.«

       »Alle Mittel für den Sieg zu nutzen. So lautet unser Spruch!«

       Wilna presste die Lippen aufeinander. »Ein schaler Sieg.« Sie schüttelte den Kopf. »Mir wird zumindest jetzt einiges klar. All die kleinen Mosaiksteinchen passen zusammen. Und ich verstehe eure Worte nun besser, Celena. Nein, dies kann nicht im Sinne des göttlichen Schöpfers sein. Ich verstehe die Motive, aber die Methoden sind falsch, Belothar.«

       »Es gibt Situationen, in denen man Opfer bringen muss«, entgegnete der König matt.

       »Durchaus. Nur sollte man den Unterschied zwischen freiwillig und Zwang beachten. Wie stehen wir in den Augen jener, die ihr geschworen habt zu schützen? Was würden sie sagen? Dies ist ein schmaler Grad, auf dem wir wandeln.«

       »Ziemlich blöde steht man da. Das würde ich meinen«, brummte Thorgrim. »Ein Glück, das ich nicht daran glaube.«

       Terzios maß Thorgrim mit einem verständnisvollen Blinzeln.

       »Glaube bedeutet, dass wir unsere Hoffnungen, unser Vertrauen in etwas setzen. Sei es nun da oder nicht – ihr Zwerge setzt euer Vertrauen in die Kraft eurer Ahnen. Wir Menschen in die des göttlichen Schöpfers. Die Elfen haben ihre eigenen Götter. Doch die Existenz des Schöpfergottes ist vorhanden.«

       Belothars Gesicht nahm den Ausdruck finaler Blödheit an.

       »Ihr meint wirklich, es gibt ihn? So richtig lebendig?«

       »Ich glaube an den Schöpfergott und ich weiß das er existiert. Ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen.«

       Die letzten Worte Terzios verhallten flüsternd im Raum.

       * * *

      Celena hatte ihre Rüstung gegen ein Kleid eingetauscht, nachdem man ihnen ihre Räumlichkeiten zugewiesen hatte.

       Mit in sich fließende fliederfarbene Muster und dem tiefen Ausschnitt betonte der Stoff ihre Figur. Ihre Beine nach innen herabbaumelnd, saß sie auf der Brüstung, die Augen zu den Sternen gerichtet. Hin und wieder verbarg eine Wolke das Bild am Himmelszelt.

       »Ich habe mich des Öfteren gefragt, wie ihr in einem Kleid aussehen würdet. So wollte ich euch lange schon sehen«, sagte Belothar, der auf den Balkon trat.

       Schatten der Traurigkeit überzog Celenas Gesicht. Sie wandte sich dem herannahenden König zu.

       »Oh! Das war dumm von mir«, entschuldigte sich der König.

       »So wollte ich mich stets Luk zeigen. Als Frau. Nicht als Kriegerin oder San-Hüterin«, sprach Celena leise.

       Belothar hob die Brauen an. »Luk?«

       Sie hob wie zur Entschuldigung leicht ihre Schultern. Mit einem wehmütigen Lächeln strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht.

       »Ihr liebt ihn wirklich?«, fragte Belothar.

       Verlegen strich er sich mit der Hand durch sein aschblondes Haar.

       »Ist das nicht offensichtlich?«

       »Ich war … Ich war der Meinung, er wäre eine Art Abenteuer für euch. Verträumt oder verliebt kamt ihr mir nie vor.«

       Celenas Gesichtsausdruck wandelte sich augenblicklich von einer traurigen zu einer verletzten Miene.

       »Habt ihr wirklich geglaubt, ich wäre nur wegen des Nervenkitzels bei ihm, um danach zu euch zu kriechen?«

       »Ich hatte es gehofft«, klang Belothars Stimme verstimmt. »Ihr gabt mir leider keine Gelegenheit dazu.«

       »Ihr seid mein Freund. Mein bester Freund! Der Einzige, den ich