Angelika Merkel

Vermächtnis der Sünder Trilogie


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Gebäude zählten, waren leer. Kurz prüfte Celena den Riemen ihrer Rüstung, schulterte ihren Rucksack und folgte daraufhin den vor sich liegenden Weg. Wie ein Trampelpfad schlängelte er sich zwischen die Gebäude hindurch.

       Lutek würde sicherlich am Morgen aufbrechen, sobald er ihre Seite des Lagers leer vorfand. Ihr Versprechen zueinander hatte ausgereicht.

       Sie wollte keine Worte des Abschieds. Diese hätten sie womöglich nur ins Wanken gebracht.

       Vor ihr lag die Hauptstraße. Sie wusste immerhin, wohin sie sich wenden musste. Thelerm. Das war ihr Ziel.

       »Ihr wollt tatsächlich den Weg nach Thelerm zu Fuß zurücklegen?«, raunte eine rauchige akzentträchtige Stimme zwischen den letzten beiden Häusern hervor.

       Celena hielt inne und sah zum Himmel hoch. Sie beachtete den Mann nicht, dessen Stimme ihr wohlbekannt war.

       »Ich dachte«, begann sie ruhig und betrachtete dabei die Sterne dieser selten klaren Nacht. »Die Sache zwischen mir und eurer Gilde wäre erledigt.«

       »Ganz und gar nicht.« Der Sprecher trat aus dem Schatten heraus.

       »Ich habe euch einen Gefallen anzubieten.«

       Der bekannte forschende Blick setzte sich in Celenas Augen, als sie ihren Kopf zu dem Mann wandte. Seine fein bestickte Kleidung, die in diese Gegend nicht hineinpasste, lugte unter dem Mantel hervor.

       »Einen Gefallen?«

       »Richtig! Damals habt ihr uns einen Gefallen erwiesen und nun biete ich euch solchen an.«

       »Dafür wurde ich von euch bezahlt.«

       »Das waren Kleinigkeiten und kaum der Rede wert im Gegensatz zu dem, was wir euch tatsächlich schuldig sind.«

       Tacio, dessen kahl geschorenes Haupt aufschimmerte wie ein blank geputzter Helm, trat einen weiteren Schritt auf Celena zu.

       »Es verwundert mich, dass ihr euch persönlich aufmacht, um mich aufzusuchen.«

       Der Gildenmeister grinste verhalten.

       »Eine Investition lässt man nicht aus den Augen.«

       »Ihr seht mich als eine Investition?«

       »Also gut! Euch kann man nichts vormachen. Es geht nicht nur um gegenseitige Gefälligkeiten. Das, was ich euch biete, ist mehr als nur in unserem Interesse. Hadaiman ist in Gefahr und somit auch mein Heimatland Arvelis. Womöglich ganz Panera.«

       »Was hat das mit mir zu tun, Tacio?«

       Der fahlgesichtige Assassinenmeister klopfte mit der flachen Hand wie zufällig neben sich auf eine Satteltasche, die über dem Rücken eines Pferdes hing. Celena hatte das Tier nicht bemerkt, das ruhig neben Tacio stand. Sein Fell war so schwarz, das es mit der Dunkelheit der Nacht verschmolz.

       »Hier sind Dokumente mit großem wissenden Inhalt. Ihr benötigt sie, um jemanden aufzuhalten, der euch, eurem Geliebten und uns allen gefährlich werden kann. Deshalb bieten wir an, ein Auge auf euren Gefährten zu haben. Ihn gewissermaßen bei jedem seiner Schritte zu überwachen. Und darüber hinaus habe ich eine kleine Bitte.«

       »Welche?«

       »Falls ihr einen von uns begegnen solltet, zögert nicht das Schwert einzusetzen.«

       Celena runzelte misstrauisch die Stirn.

       »Redet ihr von Kelthran?«

       »Nein, nein!« Tacio lachte heiser auf. »Ich rede von einem Schwert, welches uns abspenstig ging. Vermutlich von demjenigen an sich genommen, den wir alle zu fürchten haben.«

       »Es wäre hilfreich, wenn ihr euch klarer ausdrücken würdet.«

       Celena knirschte entnervt mit den Zähnen.

       »Da gibt es nichts weiter zu erklären. Ich vermute, dass ihr ihn sehr bald kennenlernen werdet. Fragt ihn nach dem verlorenen Schwert der flüsternden Bruderschaft, sofern es euch gelingt.«

       Tacio hielt ihr die Zügel hin, die er in der Hand hielt.

       »Es heißt "Feuerwind".«

       Zögernd trat Celena an das Tier heran. Sie blickte in die dunklen, großen Augen des Rappen, dann zu dem Meisterassassinen aus Arvelis.

       Ein leichtes Nicken bevor sie die Zügel übernahm.

       Sie führte das kraftvoll wirkende Tier auf die nachtdunkle Straße und schwang sich in den Sattel. Misstrauisch schmälerten sich ihre Augen zu Schlitzen, als sie zu dem Arveliser hinunterblickte.

       »Und ihr habt ein Auge auf ihn«, vergewisserte sie sich, forschend auf das kleinste Anzeichen eines lauernden Hinterhalts achtend.

       Sie bemerkte nichts. Tacios Miene blieb so kalt wie die eines Fisches.

       »Ihr habt mein Wort. Wir werden euch benachrichtigen, sollte es hässlich werden.«

       »Euer Wort?« Der Rappe tänzelte leicht hin und her. »Das Wort eines Meuchelmörders?«

       »Glaubt mir! Wenn ich euch nicht vertraue und ihr nicht mir, dann sind wir womöglich dem Untergang geweiht.«

       Was blieb der Hüterin anderes übrig, als ihm zu vertrauen.

       »Also gut. Aber sollte ihm was zustoßen, werde ich euch finden. Egal wo ihr euch herumtreibt.«

       »Vergesst nicht, sein Name ist Feuerwind«, sagte Tacio ihre Worte ignorierend und klatschte dem Tier auf die Flanke.

       Es schnaubte auf und setzte sich augenblicklich in Trab. Geradewegs hinein in die Nacht, auf den Weg nach Thelerm, den Antworten entgegen und fort von Lutek.

       * * *

      Feuerwinds Schritte wurden langsamer. Er schien am Ende seiner Kräfte. Ebenso spürte Celena ihre Müdigkeit in ihren Knochen. Leicht zog sie an den Zügeln, sodass das Pferd bereitwillig anhielt.

       Inzwischen war die zweite Folgenacht ihrer Abreise angebrochen.

       Ihr Blick schweifte durch die ins abendliche Dämmerlicht gehüllte Wildnis, während sie den Rappen beruhigend tätschelte.

       »Ja Junge! Du hast recht. Eine Rast wird uns beiden gut tun«, brummte sie und stieg ab. Mit den Zügeln in der Hand lief sie langsam den Weg weiter, auf der Suche nach einer geeigneten Stelle für ihr Lager.

       Unweit des Wegesrandes, ein Stück in die Wildnis hinein, erhaschten ihre Augen etwas, was ihr bekannt vorkam. Weiß mit rötlichem Farbtupfer in der Mitte schimmerten die Blütenblätter einer kleinen Blume selbst noch im fahlen Licht des Mondes. Sie weckte Erinnerungen in ihr.

       Der Wald um diese Pflanze herum wurde von einer kleinen halbrunden Lichtung unterbrochen.

       »Ein guter Ort«, sprach sie zu dem Pferd.

       Sie band das Tier an einem der Bäume, die fest und ewig dort standen.

       Die Handgriffe, ein Stangengeflecht aus den umliegenden Hölzern zu basteln, welches kurz danach als Zeltskelett fest im Boden stand, waren ihr längst ins Blut übergegangen. Eine Stoffplane darüber sollte Schutz genug vor dem Ungemach des Wetters dienen. Zufrieden blickte Celena ihr Werk an, bevor sie sich daran machte ein Feuer zu entfachen.

       Die wunderschön, blühende Pflanze fiel ihr ein, als die ersten Flammen emporloderten. Sie wandte sich nochmals dem Wegrand zu. Es musste drohend auf das winzige Pflänzchen wirken, so dicht, wie sie wenig später vor diesem stand. Sie bückte sich hinunter, um die Blüte näher zu betrachten. Einen Moment später hielt Celena die Blume in ihrer Hand.

       Vor dem Lagerfeuer sitzend, die wundersame Pflanze haltend, grübelte sie über deren Namen. Verträumt schaute sie auf die weiß-rote Blüte. Schließlich sah sie auf und schaute in die Richtung, in die sie die fernen Gipfel mit der Festung der Hüter vermutete.

       Ein schwerer Seufzer entrann sich ihrer Kehle. Gleichzeitig weiteten sich entsetzt ihre Augen, als sie unmittelbar neben sich aus dem Gebüsch heraus eine Stimme hörte.

       »Sind die San-Hüter zwischenzeitlich unter die Blumensammler gegangen?»

       Bereit um ihr Leben zu kämpfen, sprang sie auf und packte das Heft des Schwertes, welches noch an