Katja Darssen

High Energy


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sagen will, dass Ihre Aufgaben in Ihren eigentlichen Teams ebenfalls Kleinigkeiten sind.“ Wie sollte man in dieser Lage auch die richtigen Worte finden, fragte er sich. „Jedenfalls müssen wir für die fallspezifische Zusammenarbeit einen Weg finden.“ Wir sollten das Austauschjahr einfach so ehrlich wie möglich miteinander herumbringen und einander in Ruhe lassen.

      Diese Hauptkommissarin Marlene Saalfeld sah ungeduldig aus. „Ich bin noch immer der Meinung, dass der Brandherd platziert worden war. Der Fall wäre mit mehr Zeit durchaus ergiebig gewesen.“

      „Du wieder“, sagte der ältere Kollege Wolfgang Merz.

      „Der Mann war absolut vom Pech verfolgt.“ Der Junge, wie Hoppe den jungen Polizeimeister Julian Keller heimlich nannte, hatte es erfasst.

      „Man kann jemanden auch töten, indem man ihn fertig macht“, so der erfahrene Kollege.

      Hoppe musste sich einbringen, bevor noch mehr Mutmaßungen und Philosophisches vom neuen Thema ablenkten. „Wir haben keinen Anlass, die Untersuchungen in Richtung eines Gewaltverbrechens fortzusetzen. Keine Spur.“ Der Fall war abgeschlossen!

      „Das kennen wir ja bereits“, knallte diese Saalfeld einfach mal so hin.

      Niemand ging auf ihre Anmerkung ein. Dennoch war sich Hoppe nicht sicher, ob das eine weitere Spitze Richtung Mallorca-Fall war. Die Kollegin konnte sich ja schon bei der ersten Begegnung nicht zurückhalten.

      „Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte. Ohne die bekommt kein Team weitere Ressourcen, um eventuelle und mittelbare Todesursachen zu untersuchen.“ Das wusste jeder im Raum. Hoppe kam sich rechtfertigend vor. „Wie dem auch sei, heute wollte ich Ihnen persönlich sagen, dass wir uns nun regelmäßiger sehen werden. Wir wurden vor ein paar Wochen ad hoc zur konkreten Zusammenarbeit …“

      „Sagen Sie jetzt nicht genötigt“, fiel ihm der Alte ins Wort.

      Zum Glück hat der wenigstens Humor, dachte Hoppe. „Wenn sie das nicht so sehen, umso besser.“

      „Wenn ich etwas vorschlagen darf“, unterbrach ihn wieder dieser Wolfgang. „Wir zeigen Ihnen ein Stück Frankfurt und lernen uns dabei besser kennen.“

      Hoppe war überrascht. Ich bin zwar der Austauschschüler, aber ich muss denen doch nicht auch noch privat zur Last fallen. Die uninteressanten Fälle genügten doch, um schlechte Laune zu verbreiten. Er kramte gerade nach einer höflichen Floskel, als der Alte etwas von „Stöffche“ zu den beiden anderen Kollegen sagte. Die verwiesen auf heute Abend. Mit Kollegen? Heute? Stoff?

      Nun war er von Neugier angetrieben. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, gerne.“

      Am frühen Abend fuhr er gemeinsam mit der Hauptkommissarin Marlene Saalfeld per U-Bahn und nahm sein Fahrrad mit. Ausgerechnet sie wollte ihm den Weg zeigen. Doch schon in der U-Bahn war er versöhnlicher gestimmt und fragte sich, wann er das letzte Mal mit einem Fahrrad gemeinsam mit einer eher fremden Frau U-Bahn gefahren war? „Danke, dass Sie mit mir fahren.“ Er deutete auf sein Fahrrad, das er nicht am Polizeipräsidium stehen lassen wollte.

      Nach der Bahnfahrt überquerten sie den Main und liefen ein Stück am Fluss entlang, was Hoppe ein wenig aus der Fassung brachte. Ich Fahrrad schiebenderweise unter Platanen mit hellgrünen Blätterknospen an einem Fluss mit einer eigentlich ganz attraktiven Kollegin um kurz nach sechs. Auf meiner Mainseite. Er schnaufte vor sich hin.

      „Es ist ein angenehmer Abend. Ganz richtig für ein Stöffche“, sagte sie.

      Ich bin doch längst bekifft. Und ich schäme mich dafür.

      „Sie lächeln ja.“

      „Ich?“

      Auf das Lächeln ging sie nicht weiter ein und fragte, ob er sich gut eingelebt hatte? Hoppe sah sich um, wie immer, wenn er am Main anlangte. Aber grüne Anoraks brauchte man bei diesem Wetter nicht mehr. „Dort viel weiter oben die Straße rauf, da wohne ich. Vorübergehend für das eine Austauschjahr, meine ich.“ Jetzt hatte er gedankenversunken einfach über sein kleines Leben hier fast geplaudert. Das mochte er eigentlich nicht.

      „Und diesen Weg legen Sie jeden Tag per Fahrrad zurück?“

      „Es ist so gekommen.“ Wie so Vieles andere, überlegte er. Sie gingen noch ein Stück und bogen irgendwann in eine Gasse aus Kopfsteinpflaster ein. Richtige Straßen gab es auf einmal keine mehr. Bunte, manchmal etwas schiefe, kleine Häuser säumten den Weg. Etliche Leute waren unterwegs, dass er aufpassen musste, niemanden mit dem Fahrrad anzurempeln. Tische und Bänke waren einfach aufs Straßenpflaster unter Markisen und riesige Sonnenschirme gestellt. Wer keinen Platz gefunden hatte, stand mit seinem Glas in der Hand an provisorischen Bars vor den Fensterchen der kleinen Häuser herum. Ist das noch die gleiche Stadt? „Da vorn ist es.“ Seine Kollegin deutete auf ein paar lange Tische.

      Während er ein Stück Wand suchte, um sein Fahrrad daran anzulehnen, kam ihnen Wolfgang Merz entgegen. „So, jetzt mal eine Portion frankfurterisch. Schließlich sollen Sie hier ja was lernen.“

      Sie setzten sich zu Julian Keller, dem Jungen, an einen Tisch. „Ich habe das Stöffche schon geordert.“

      Da war es wieder und jetzt wollte Hoppe auch endlich eintauchen in dieses Treiben. Der Kellner brachte ein Tablett mit einem blauen Krug und vier groben dicken Gläsern mit Waffelmuster. Sie tranken, schwatzten und stießen immerzu an. „Aufs Stöffche! Auf den Ebbelwoi!“, den Hoppe noch nie zuvor getrunken hatte. Jetzt wusste er auch, was vor Wochen in der Kneipe bei ihm um die Ecke ausgeschenkt wurde. Um sie herum ging es urig zu und auch zwischen ihnen entspannte sich die Atmosphäre. Oder bin ich es, der möglicherweise entspannt? Seit einer halben Stunde waren sie also Wolfgang, Julian, Marlene und er war Axel oder Hoppe, ganz wie sie wollten. Zum Apfelwein aßen sie Handkäs, Sauerbraten mit grüner Soße oder Würstchen. Die Luft war lau. In der Dämmerung gingen Lichterketten an. Sein Handy klingelte.

      „Entschuldigt! Bin in der Nähe. Mit den Kollegen. Ja, bis später“, sagte Axel. „Das war Kathrin, meine Frau.“ Auf einmal war ziemlich viel seines Privatlebens hier angelangt und es fühlte sich im Moment gar nicht so verkehrt an. Also erzählte er heute Abend zum ersten Mal ein wenig über Kathrin, über seine Überwindung, etwas Neues auf Zeit zu wagen, über Michel und sogar über die kleine Wohnung, die seine Frau gemietet hatte. Der Kellner brachte noch einen Krug und eine Flasche Wasser. Julian hielt die Wasserflasche hoch. „Noch jemand gespritzt?“

      Marlene und Wolfgang hielten Julian ihre Gläser entgegen. Ach so ist das gemeint, dachte er und mischte seinen Apfelwein ebenfalls mit Wasser. Jetzt hatte sich Axel also vorgestellt. Seine Kollegen hatten ebenfalls über sich gesprochen. Es fühlte sich insgesamt besser an, bis Marlenes Stimmung kippte. „Ich komme von dem armen Mann mit seiner kleinen Putzfirma nicht los.“

      Das Stöffche machte sie nachdenklich. Jetzt sollten wir gehen. So spät am Abend mit einem deftigen Essen und diesem Apfelwein im Bauch ist alles gesagt. Gerade wollte er sich für den heutigen Abend bedanken und damit zum Aufbruch ansetzen, als Marlene ihn bei seinem ganz und gar versöhnlichen Ausklang störte. „Ein anderer macht genau das Gleiche und wird dabei steinreich. Du hast ihn doch kennengelernt!“

      „Wen?“

      „Na Brückner, unseren Putzpapst.“

      „Wie kommst du darauf?“

      „Mallorca, schon vergessen?“

      Das war also der Haken am heutigen Abend. „Nein. Ich war in seinem Haus, in dem sich die Hauptzeugin und deren Mann befanden.“ ‚Schon vergessen’, verkniff er sich.

      „Sie waren alle aus Frankfurt und wir wurden nicht hinzugezogen“, beharrte sie.

      Zum Glück schienen die beiden anderen Kollegen darüber nicht erbost zu sein. Es interessiert eben nur die Frauen. Die werden alle ganz verrückt, wenn sie Mallorca hören. „Da war doch nur diese Sarah Schmidt.“

      „Aber du hattest auch mit ihrem Mann gesprochen, ihrer Tochter, dem Kindermädchen und der Köchin.“

      „Die war Polin, soweit ich mich erinnere. Und das Kindermädchen